Blackout: Science-Fiction oder baldige Realität?

KFV-BlackoutDas österreichische Kuratorium für Verkehrssicherheit hat Anfang Oktober still und leise eine bereits im Februar fertig gestellte Studie „Das Phänomen ‚Blackout'“ veröffentlicht. Die zusammenfassenden Aussagen haben eine hohe Brisanz:

  • Die Ergebnisse zeigen, dass laut Experten in absehbarer Zukunft der Eintritt eines Blackouts sehr wahrscheinlich ist.
  • Gleichzeitig hat sich gezeigt, dass etwa ein Drittel der Bevölkerung den Begriff Blackout noch nie gehört hat.
  • Nur 8% der Befragten haben daran gedacht, dass das Telefon bzw. Handy von einem Stromausfall betroffen sind und nur 16% haben angegeben, dass der Laptop/Computer davon betroffen ist.
  • Fazit: Die Auswirkungen eines Blackouts müssen der Bevölkerung dringendst vermittelt werden. Mehr Information und Einsicht muss her!
  • Die Experten befürchten, dass sich derzeit viele Menschen und Organisationen auf eine andere Instanz oder Organisation verlassen und meinen, nicht selbst Vorsorge treffen zu müssen.

Umso mehr verwundert es, dass man davon in der Öffentlichkeit kaum etwas wahrnimmt. Die Coronakrise überschattet natürlich viele andere Themen. Aber gerade die jetzt so deutlichen Einschränkungen im öffentlichen Leben müssten eigentlich bewusst machen, dass ein Blackout noch erheblich größere und für die allermeisten Menschen noch gravierendere Folgen hätte. Und wie auch der Terroranschlag Anfang November 2020 in Wien gezeigt hat, hält sich die Realität nicht an unsere nur serielle Abarbeitungsfähigkeit. Während in der Coronakrise noch vieles ad hoc organisiert und kommuniziert werden kann, wird gerade das Kommunizieren und gemeinschaftliche Handeln bei einem Blackout nicht mehr möglich sein. Jegliche Kommunikation kommt abrupt zum Stillstand und es wird nur mehr das verfügbar sein und funktionieren, was vorbereitet wurde!

Herausforderungen in den kommenden Monaten

Dass die nächsten Monate nicht unproblematisch werden, zeigt die aktuelle Meldung aus Frankreich: France’s RTE sees risk of electricity shortages in February 2021 Ende Februar 2021 müssen 13 von 57 Nuklearreaktoren zu Wartungszwecken heruntergefahren werden. Eine Strommangellage mit notwendigen Flächenabschaltungen kann nicht ausgeschlossen werden. Das könnte auch das gesamte europäische Verbundsystem beeinträchtigen. Während es im Frühjahr 2020 noch sehr niedrige Strompreise und sehr viele Stunden mit negativen Strompreisen gab, gibt es nun seit September zahlreiche Stunden mit über 100 Euro pro MWh

Blackout-Vorsorge: Der Teufel steckt im Detail

Teufel DetailWie so oft hat sich bei einer Übung des österreichischen Bundesheeres wieder einmal die Redewendung „Der Teufel steckt im Detail“ betätigt. Der Kommandant der Garde hat schon an verschiedenen Planspielen rund um das Thema Blackout teilgenommen. Nun wollte er aber genauer wissen, was sich tatsächlich abspielt, wenn der Strom einmal länger weg ist. Dazu ordnete er eine mehrtägige „Blackout-Übung“ für seinen Verband an. Die Erkenntnisse haben viele überrascht:

  • 5 von 6 Kleinnotstromaggregate haben binnen der ersten 12 Stunden im Notstrombetrieb versagt (was sicher nicht bundesheerspezifisch ist! Siehe dazu auch die zahlreichen negativen Erfahrungen)
  • Der Zutritt zu wichtigen Einrichtungen war durch elektronische Schließsysteme mangels zerstörungsfreier Umgehungsmöglichkeiten nicht mehr möglich
  • Sanitäreinrichtungen konnten durch berührungslose Armaturen (= es kam kein Wasser) nicht mehr benutzt werden. Das trifft auch viele andere Einrichtungen, wie etwa Hotels, Bürogebäude, Raststätten etc.!

Aber auch in anderen Einrichtungen gibt es immer wieder böse Überraschungen, wenn man sich einmal die Details ansieht. So etwa in einem Krankenhaus, wo nun festgestellt wurde, dass OP-Bekleidung oder Reinigungsmaterial nur für einen Tag zur Verfügung stünde, würden jetzt nicht Vorbereitungen für eine längere Eigenversorgungsfähigkeit getroffen werden. Die Versorgungsreichweite bei wichtigen Gütern oder Lebensmittel reicht auch oft nur für wenige Tage. Ein zweiwöchiger Notbetrieb – wie vielfach gefordert – ist nur selten möglich. Die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern wird aber nach einem Blackout nicht vor der zweiten Woche wieder anlaufen können! Eine umfangreichere Zusammenfassung finden Sie im Beitrag Blackout-Vorsorge: Der Teufel steckt im Detail. Sonstige Erkenntnisse und Erfahrung unter Was alles schiefgeht. Besonders erschreckend sind dabei die vielen Problemberichte beim Thema Notstromversorgung. Ein bereits älterer Beitrag: Unserer medizinischen Versorgung fehlt es an der notwendigen Robustheit – sollte gerade jetzt auch aufgrund der Coronakrise wieder gelesen werden.

Daher kann nur immer wieder die Warnung wiederholt werden: Die Folgen eines Blackouts und die Wiederanlaufzeiten nach einem Blackout werden massiv unterschätzt! Und nicht nur das, sie werden auch einfach ignoriert, weil so gut wie alle glauben, dass unsere sehr hohe Versorgungssicherheit einfach selbstverständlich immer gewährleistet sei. Die allermeisten Menschen haben noch nie einen längeren Stromausfall erlebt und halten deshalb die Eintrittswahrscheinlichkeit für nicht gegeben. Siehe die Truthahn-Illusion.

Wie robust sind die österreichischen Lieferketten?

Kette rotes offenes Glied 350Das Complexity Science Hub Vienna hat während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 die Studie Wie robust sind die österreichischen Lieferketten? durchgeführt und ist – wenig überraschend – zu nicht sehr erfreulichen Erkenntnissen gekommen, die wohl auch in anderen Ländern gelten: 

  • Die Auswertung zeigt, dass ein Drittel der befragten Firmen mindestens einen Lieferanten hat, dessen Ausfall einen kompletten Stillstand des Betriebs bedeuten würde, sobald die aktuellen Lagerbestände aufgebraucht sind. Für 55 Prozent dieser zentralen Lieferanten (bzw. 40 Prozent aller Zulieferer) gibt es keine Alternativen. Ausreichend hohe Lagerbestände puffern das Risiko, sodass es im Fall von Lieferausfällen nicht zu einem unmittelbaren flächendeckenden Produktionsausfall kommt.
  • Können Vorprodukte nicht an andere Firmen ausgeliefert werden, können sich Lieferausfälle in Kaskaden durch das ganze Lieferkettennetzwerk fortpflanzen und im schlimmsten Fall zu einem Komplettausfall ganzer Industriezweige führen („Lieferkettenkollaps“).
  • Über 30 Prozent der Unternehmen brauchen ihre Schlüsselarbeitskräfte unbedingt, um den Betrieb aufrechterhalten zu können. Das gilt unabhängig von der Größe des Betriebs, für kleine Betriebe mit 2 bis 5 MitarbeiterInnen also ebenso wie für größere Firmen mit über 50 Beschäftigten. Im verarbeitenden Gewerbe gab etwa die Hälfte der Firmen an, 60 bis 100 Prozent ihrer SchlüsselmitarbeiterInnen unbedingt zu benötigen. [Anmerkung: Hier ist mit erheblichen Problemen in Folge eines Blackouts zu rechnen!]
  • Nach dem Lockdown: Die Mehrzahl der kleinen Unternehmen gab an, den Betrieb unmittelbar wieder aufnehmen zu können, größere Firmen konnten das innerhalb von 2 Wochen. [Anmerkung: Nach einem chaotischen Stillstand in Folge eines Blackouts ist daher in sämtlichen Lieferketten mit deutlich längeren Wiederanlaufzeiten zu rechnen!]

Daher kann nur immer wieder die Warnung wiederholt werden: Die Folgen eines Blackouts und die Wiederanlaufzeiten nach einem Blackout werden massiv unterschätzt!

PfadBlackout-Vorsorge: Alarmierung und Information

Im Zuge der Blackout-Vorsorge-Aktivitäten ist immer wieder festzustellen, dass viele Organisationen bereits bei den ersten Schritten scheitern würden, da man wahrscheinlich durch den zeitnahen Ausfall der Telekommunikationsversorgung nicht mehr wie gewohnt zum Hörer oder Smartphone greifen kann, um etwas abzuklären. Damit landet man sofort im Chaos. Durch eine klar definierte Lagefeststellung kann dem vorgebeugt werden. Hierzu sind nur ein paar einfache Überlegungen erforderlich, die aber auch dokumentiert und klar an alle Mitarbeiter*innen kommuniziert werden müssen. Folgende Fragestellungen können bei der Vorbereitung helfen.

COVID-19: Psychologische Hilfe in herausfordernden Zeiten

BOeP - Allgemeine praktische TippsHäusliche Isolation und Quarantäne sind Ausnahmesituationen, welche bis vor Kurzem nur wenige Menschen erlebt haben. Diese Maßnahmen und auch die generelle Unsicherheit (Angst um die eigene Gesundheit, Arbeitsplatzsicherheit etc.) können sich auf die Psyche auswirken und für Betroffene sehr belastend sein. Auch die Nachwirkungen einer SARS-CoV2-Infektion können psychische Veränderungen und Belastungen verursachen. Es gibt klare, wissenschaftlich erforschte und bewährte Verhaltensmaßnahmen und mentale Strategien, die es ermöglichen, diese Ausnahmesituation besser zu meistern. Das setzt aber deren Kenntnis voraus.

Der Berufsverband Österreichischer PsychologInnen (BÖP) hat ein sehr empfehlenswertes Informationsblatt auf Basis dieser wissenschaftlichen Erkenntnis erstellt, um die Menschen in Ihrer Selbsthilfe zu unterstützen, die aktuell herausfordernde Zeit gut zu überstehen. Grundsätzlich gilt: Jeder Mensch ist anders, jede/r sollte sich die Empfehlungen als eigene Handlungsmaxime übernehmen, die für sie/ihn am besten passen. Dieses Informationsblatt steht sogar in 20 Sprachen zur Verfügung.

Blackout – Sei vorbereitet! Erlebnisbuch für Familien

Blackout - Sei vorbereitetDie Kinderbuchautorin Verena Herleth hat ein tolles Familienbuch „Blackout – Sei vorbereitet“ erstellt, um Kindern das Thema Blackout und Vorsorge auf spielerische und einfache Art näherzubringen. Damit wird dem Thema auch ein wenig der Schrecken genommen und im Fall des Falles die psychische Belastung reduziert, weil man schon weiß, was dann passieren kann. Damit wird ein überaus wichtiger Beitrag zur Antizipation und eigenen Resilienz geleistet. 

 

Weiterführende Beiträge und Informationen

Blackout-Vorsorge

Stromversorgungssystem

Allgemein/Krisenvorsorge

Buchempfehlungen (Zusammenfassungen)