Das Energiezellensystem

Ein zukunftsweisendes Konzept für die Energiewende

Die Energiewende stellt uns vor enorme Herausforderungen. Es geht nicht nur darum, fossile Energieträger durch erneuerbare zu ersetzen – wir müssen unser gesamtes Energiesystem grundlegend umbauen. Um diese komplexe Aufgabe zu meistern, brauchen wir neue Konzepte. Denn bekanntlich kann man die Probleme selten mit der gleichen Denkweise lösen, mit der sie entstanden sind (Albert Einstein).

Die Energiewende stellt daher nicht nur eine Technikwende dar, sondern vor allem eine Kulturwende.

Warum wir ein neues System brauchen

Unser bisheriges Energiesystem basiert auf wenigen großen Kraftwerken. Für erneuerbare Energien brauchen wir jedoch Millionen kleiner, dezentraler Anlagen. Diese erzeugen Strom unregelmäßig und dazu auch noch oft weit entfernt von den Verbrauchern (Windkraftanlagen). Das stellt unser Versorgungssystem und die Versorgungssicherheit vor große Herausforderungen:

  • Wir benötigen flexible Speichersysteme
  • Die Stromnetze müssen ausgebaut und umstrukturiert werden
  • Erzeugung und Verbrauch müssen intelligent gesteuert werden (sektorübergreifendes Energiemanagement)

Das Konzept der Energiezellen – Ein Systemdesign inspiriert von der Natur

Um ein stabiles und robustes System zu schaffen, orientieren wir uns an der Natur: Wie Zellen in Organismen sollen auch im Energiesystem kleine, autonome Einheiten zusammenarbeiten. Jede „Energiezelle“ sorgt zunächst für sich selbst und tauscht dann Energie mit Nachbarzellen aus. Das Ganze muss natürlich übergeordnet „orchestriert“ werden.

Derzeit geht es jedoch in die gegenteilige Richtung: Ausweitung des internationalen Stromhandels, Erhöhung der Komplexität und der wechselseitigen Abhängigkeiten, was die Ausgangsbasis für Katastrophen ist.

Lebensfähiges Systemdesign

Vorteile des Energiezellensystems:

  • Erhöhte Stabilität und Ausfallsicherheit
  • Bessere Integration erneuerbarer Energien
  • Reduzierung von Netzausbaubedarf
  • Aktive Einbindung der Verbraucher

Nachteile des Energiezellensystems:

  • Höherer Ressourcenaufwand durch Redundanzen
  • Stromausfälle können zunehmen, wenn die Balance nicht sichergestellt werden kann, jedoch bleiben diese begrenzt
  • Erfordert neue Regelungskonzepte
  • Generell höhere Aufwände

Grundsätzlich ist unser hochoptimiertes Großsystem wesentlich effizienter als ein zellularer Ansatz.

Dies gilt jedoch nur bis zu dem Zeitpunkt, wo es durch eine Überlastung zu einer europaweiten Großstörung kommt, die nicht innerhalb weniger Stunden (wie am 21. Juni 2024) behoben werden kann. Sicherheit und Redundanz kosten Geld. Aber gerade in der Stromversorgung, wo wir eine so hohe und kritische Abhängigkeit haben, sind diese im Schadensfall unbezahlbar. Und entscheidend ist, wie immer im systemischen Kontext, dass es nicht um ein Entweder-oder geht, sondern um ein Sowohl-als-auch. Das bedeutet, dass das großtechnische System uns sicherlich noch viele Jahrzehnte eine wichtige Stütze sein wird und in vielen Bereichen unverzichtbar ist. Durch einen dezentralen Bottom-up-Ansatz kann jedoch die Robustheit des Gesamtsystems im laufenden Betrieb erhöht werden. Solche zellularen Strukturen ermöglichen auch das Ausprobieren und Testen neuer Wege und eine adaptive Anpassung.

Vorrangiges Ziel sollte es auch sein, Probleme dort zu lösen, wo sie entstehen, im Gegensatz zu dem, was wir heute machen und was enorme Kosten verursacht.

Herausforderungen auf dem Weg zum Zellensystem

Die Umsetzung erfordert ein Umdenken auf vielen Ebenen:

  1. Technische Lösungen für Speicher und intelligente Steuerung
  2. Anpassung rechtlicher und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen
  3. Neue Denkweisen in Ausbildung und Forschung
  4. Einbeziehung aller Energiesektoren (Strom, Wärme, Verkehr)

Fazit: Eine Chance für eine nachhaltige Zukunft

Das Energiezellensystem bietet uns die Möglichkeit, die Energiewende ganzheitlich und zukunftssicher zu gestalten. Es erfordert zwar große Anstrengungen, eröffnet aber auch enorme Chancen für Innovation und Nachhaltigkeit. Packen wir es gemeinsam an!

👉 Die sich massiv verändernde Erzeugungslandschaft erfordert angepasste, robuste Strukturen.
👉 Auch das Internet wurde nach diesem Gestaltungsprinzip entwickelt, auch wenn heutige Anwendungen das Grundprinzip teilweise wieder aushebeln.

Weiterführend Informationen und Hintergründe

Herausforderungen der Energiewende

Die Energiewende betrifft nicht nur die Stromversorgung, die derzeit im Mittelpunkt steht, obwohl sie nur etwa ein Fünftel des gesamten Energieverbrauchs ausmacht. Verkehr, Industrie und Wärme sind weitere Bereiche, in denen die Energiewende bisher nicht wirklich begonnen hat, aber wo die Herausforderungen noch weit größer sein werden.

Auch wenn die EE-Stromerzeugung immer neue Rekordwerte erreicht – was beim derzeitigen enormen Zubau nicht weiter verwunderlich sein sollte -, gibt es noch große Lücken. Erzeugung und Verbrauch müssen zu jeder Zeit, also während 31,5 Millionen Sekunden pro Jahr, im Gleichgewicht sein.

Daher sind nicht nur neue Erzeugungsanlagen, sondern vor allem auch Energiespeicher/-puffer über mehrere Zeiteinheiten erforderlich. Natürlich sind auch umfangreiche Netzanpassungen erforderlich und wichtig, sie können aber nur einen Teil des Problems lösen. Nahezu jedes Land möchte in Zukunft bei Stromüberschuss exportieren und bei zu geringer EE-Erzeugung importieren. Aber wie soll das funktionieren, wenn alle ein ähnliches Konzept verfolgen?

Hier wird leider oft zu kurzfristig und betriebswirtschaftlich optimiert gedacht und gehandelt. Gleichzeitig wird das Pareto-Prinzip, auch als 80-20-Regel bekannt, missachtet, das besagt, dass in vielen Bereichen mit 20 % des Gesamtaufwandes ca. 80 % der Ergebnisse erreicht werden. Die restlichen 20 % der Ergebnisse erfordern 80 % des Aufwands.

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Speichersysteme

Die bisherigen Erfolge bei der Energiewende sind daher vor allem darauf zurückzuführen, dass viele Fehler durch das bisherige Großsystem kompensiert werden konnten. Was passiert aber, wenn – wie derzeit – der einseitige Ausbau insbesondere im Bereich der Photovoltaik weiter rasant voranschreitet und gleichzeitig das Großsystem weiter zurückgefahren wird bzw. die anderen notwendigen Maßnahmen wie Netz- und Speicherausbau in keiner Weise mit den aktuellen Anforderungen Schritt halten? Denn während in China oder anderen Regionen ein paralleler Ausbau von erneuerbaren Anlagen und fossilen Backup- und Stabilitätskraftwerken stattfindet, verläuft der Umbruch in Europa in umgekehrter Richtung: Stabilität wird durch Instabilität ersetzt, was auf Dauer nicht gut gehen kann.

Denn wenn Beschleunigung und Vernetzung in einem System an ihre Grenzen stoßen, entsteht Überforderung. Überforderung bedeutet, dass mehr erreicht oder aufgewendet werden soll, als das System leisten kann. Kurzfristig ist das immer möglich, gerade komplexe Systeme sind Weltmeister im Puffern. Wird dem System aber keine Zeit zur Regeneration gegeben, führt dies zu schwerwiegenden Schäden oder in die Katastrophe.

Zudem lehrt uns die systemische Perspektive, dass es »normal« ist, zu erwarten, dass die Lösungen von heute die Probleme von morgen sein werden, was auch häufig übersehen wird. (Maja Göpel).

Das Detailkonzept

Ein wesentlicher Vordenker zum Energiezellensystem ist Franz Hein, der dazu mehrere Buchbeiträge verfasst hat, noch bevor das Thema etwa auch vom VDE (siehe weiter unten) aufgegriffen wurde:

2021 folgte eine Darstellung in der MDR-Dokumentation Mit der Energiewende in den Blackout? bzw. Liegt die Lösung in der Zelle?

Und was ist mit den Smart Grids?

smartgrid

Smart Grids oder „intelligente Stromnetze“ waren vor allem Anfang der 2010er Jahre in aller Munde, um den wachsenden Herausforderungen der fluktuierenden Stromerzeugung zu begegnen. So manche Hochglanzbroschüre versprach die Lösung aller Probleme durch eine umfassende IT-Vernetzung. Wie dabei gleichzeitig die wachsenden Probleme der IT-Sicherheit gelöst werden sollten, wurde nicht verraten. In den letzten Jahren ist es um dieses Thema eher ruhig geworden. Wirklich große und skalierbare Umsetzungen gab es auch nicht wirklich.

Eine Symbiose zwischen der alten Stromwelt und der relativ jungen IT-Welt erscheint auch aus unserer Sicht unumgänglich. Über den Weg dorthin gibt es aber noch große Differenzen, da die IT- und die Stromwelt vor allem an eine zentrale Vernetzung und Steuerung denken, was ein absolutes No-Go darstellt, da damit die Systemsicherheit nicht gewährleistet werden kann. Siehe auch Making the power grid safer by planning for failure.

Das Smart Grid im Zeitalter von Cyberwar

Tomi Engel von der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie hat dazu bereits vor fast 10 Jahren einen hervorragenden VortragDas Smart Grid im Zeitalter des Cyberwar“ gehalten, der genau diese Probleme, aber auch Lösungsansätze beschreibt, die wir hier auch verfolgen. Er gibt damit einen zusätzlichen Blick auf das Modell der Energiezelle. Sein Vortrag steht auch als PDF zur Verfügung.

Deshalb sollte das Smart Grid auch keine zentrale IT-Vernetzung sein, sondern ein robustes dezentrales Stromversorgungssystem = Energiezellensystem. Die IT wird dabei eine wichtige Rolle spielen, darf aber das Stromnetz nicht von der IT abhängig machen. Die Stromversorgung muss auch ohne die Optimierungsmöglichkeiten der IT funktionieren und zumindest eine Rückfallebene ohne IT gewährleisten können. Alles andere wäre naiv und gefährlich, wie immer wieder Ereignisse zeigen.

Energie ist nicht nur Strom!

Zwar wird oft von einer Energiewende gesprochen. Bei genauerem Hinsehen handelt es sich aber meist nur um eine Stromwende, was viel zu kurz greift. Denn wir haben im Verkehr und in der Wärme- und Kälteversorgung einen noch viel höheren Energieverbrauch als im Stromsektor. Deshalb ist es zwingend notwendig, alle Bereiche gemeinsam zu betrachten. Dass es hier energetische Potenziale gibt, zeigt unter anderem das Beispiel der großen Solaranlagen, wo mit Sonnenenergie Warmwasser und damit Wärme erzeugt wird. Natürlich ist dies nach unseren heutigen Maßstäben nicht so (kosten-)effizient, da eine zusätzliche Erzeugungsquelle benötigt wird, um die Wärme auch dann zur Verfügung stellen zu können, wenn die Sonne nicht scheint. Aber durch die sinnvolle Nutzung von Synergiepotenzialen kann die Umweltbelastung deutlich reduziert werden. Würden nicht nur die reinen Energiekosten, sondern auch vorhersehbare Schäden und versteckte Nebenkosten oder die Lebenszyklenkosten anstatt der reinen Errichtungskosten berücksichtigt, sähe die Sache oft anders aus. Hier gibt es noch einige blinde Flecken. Deshalb ist die Energiewende nicht nur eine Technikwende, sondern vor allem eine Kulturwende, wo es noch viel zu tun gibt. Und das beginnt in der Ausbildung, wo noch immer in alten Denksilos gedacht und ausgebildet wird.

Energieverbrauch Haushalte Deutschland
Solarwärme im städtischen Netz
Größte Solarwärmeanlage Mitteleuropas

Anbieter von lokalen Energiezellen (Haushaltsebene)

Hier eine unvollständige Liste von möglichen Lösungsanbietern. Es kann hier keine Bewertung vorgenommen werden:

 

Spiders Ez
Betrieb eines Inselsystems zur Stromversorgung von militärischen Liegenschaften
Vde Zellulares Energiesystem