Dieser Newsletter beschäftigt sich wenig überraschend mit dem Blackout vom vergangenen Montag auf der Iberischen Halbinsel. Sicherlich haben Sie in dieser Woche schon viel darüber gehört. Wir versuchen hier eine komprimierte Zusammenfassung und Bewertung, die Ihnen helfen soll, das Ereignis und die Lehren daraus besser einordnen zu können.
Was bisher bekannt ist
Am Montag, dem 28. April 2025, um 12.33 Uhr (MESZ) kam es im spanischen Stromnetz zu einer Kettenreaktion, die binnen weniger Sekunden zum Zusammenbruch der gesamten Stromversorgung auf der Iberischen Halbinsel führte. Über die Ursachen wird noch gerätselt, in den sozialen Medien gibt es wieder einen Schlagabtausch zwischen Befürwortern erneuerbarer Energien und Kernkraftbefürwortern. Vor allem die sehr hohe solare Einspeisung und die gleichzeitig geringe Momentanreserve stehen im Verdacht, das System fragil gemacht zu haben. Nun beginnen aufwendige Analysen der Abläufe, die Monate dauern werden, bis ein klareres Bild verfügbar sein wird, was Ursache und was Wirkungen waren.
Eines ist aus unserer Sicht aber schon jetzt klar: Die Geschwindigkeit, mit der das System kollabiert ist, deutet eindeutig auf eine Komplexitätsüberlastung in einem eng vernetzten System hin, das an seine Grenzen gestoßen ist und einen Kipppunkt überschritten hat. Diese Sequenz war ein „normaler Unfall“ nach Charles Perrow, wie er im Lehrbuch steht: mehrere Ausfälle, die fast gleichzeitig auftraten und sich gegenseitig verstärkten. So etwas kommt völlig überraschend, fast aus dem Nichts, und gleichzeitig war seit Jahren absehbar, dass die anhaltende Komplexitätsüberlastung in einen Systemkollaps münden musste. Glücklicherweise war „nur“ ein Randsystem mit fast 60 Millionen Menschen betroffen, und der Stromausfall konnte je nach Region bereits nach 4 bis 18 Stunden behoben werden. Die Befürchtung des portugiesischen Netzbetreibers am Montagabend, dass es eine Woche dauern könnte, hat sich glücklicherweise nicht bewahrheitet.
Der Stromausfall verlief wie erwartet, auch wenn einige Kommunikationssysteme offensichtlich länger funktioniert haben, als wir das erwartet haben. Warum, ist noch unklar. Vielleicht waren diese besser abgesichert oder wir sind zu pessimistisch. Wir denken aber, dass es besser ist, mit etwas pessimistischeren Erwartungen zu planen und dann positiv überrascht zu werden, als umgekehrt. Daher sehen wir derzeit keinen Anlass, die bisher getroffenen und kommunizierten Annahmen zu ändern.
Ein Korrespondent des Standards, der vor Ort war, lobte vor allem die vorbildliche Information über das Radio. Ob das bei uns auch so funktionieren würde?
Der Netzwiederaufbau verlief am Abend relativ zügig, was auch damit zusammenhängen dürfte, dass viele Wasser- und Gaskraftwerke zur Verfügung standen und die Solareinspeisung in der Nacht nicht stören konnten. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass ein Ausfall in einer anderen Region oder zu einer anderen Zeit durchaus länger dauern kann.
Weitere Details finden Sie im Beitrag „Großflächiger Stromausfall auf der Iberischen Halbinsel am 28. April 2025„. Diese Analyse wird laufend aktualisiert.
Die ersten Lehren und Erkenntnisse
Eine Erkenntnis und Ableitung kann auf jeden Fall schon jetzt getroffen werden: Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es trotz der immer aufwendigeren Maßnahmen und der hervorragenden Arbeit der Netzbetreiber nicht! Das ist grundsätzlich wenig überraschend, aber für viele dann doch.
Besonders nachdenklich sollte stimmen, dass trotz der immer wieder geäußerten Behauptung, es handele sich um ein unwahrscheinliches Ereignis, dies nun das zweite europäische Blackout innerhalb eines Jahres war. Trotzdem wird das Thema von verschiedenen Akteuren und in den Medien bereits wieder heruntergespielt und verharmlost.
Der technische Vorstand der APG hat im Ö1 Morgenjournal gesagt: „… aber wenn man ganz ehrlich ist, es handelt sich um ein hochkomplexes technisches System und wir alle wissen, dass technische Systeme auch ausfallen können oder auch mal einen Schaden haben können, dieses Restrisiko gibt es immer.“ Würden wir eine solche Aussage im Bereich der Kernenergie oder der Gentechnik mit „es ist ohnehin unwahrscheinlich“ akzeptieren? Wahrscheinlich nicht? Warum dann hier?
Viele Medien kommen ihrer Rolle des Hinterfragens leider nicht ausreichend nach und gehen den Dingen oft nicht ausreichend auf den Grund, was sicher auch ein Grund für den zu beobachtenden Vertrauensverlust ist. Toxische Polarisierung, Schuldzuweisungen, Übertreibungen oder auch Verharmlosungen bringen uns aber nicht weiter. Ganz im Gegenteil. Mit dieser Art des Umgangs werden wir die absehbar wachsenden gesellschaftlichen Herausforderungen und Umbrüche nicht bewältigen können. Im Gegenteil. Er führt in eine gefährliche Abwärtsspirale. Wollen wir das wirklich?
Wir bitten Sie daher, diese Tendenzen nicht zu fördern, sondern wo immer möglich gegenzusteuern. Warum und welche Denkfehler es zu vermeiden gilt, beschreibt Henning Beck hervorragend in seinem Buch „12 Gesetze der Dummheit: Denkfehler, die vernünftige Entscheidungen in der Politik und bei uns allen verhindern“, das wir nur wärmstens empfehlen können. Eine Zusammenfassung und wichtige Zitate finden Sie hier.
Die Gefahr eines Blackouts wird weiterhin unterschätzt
Die Gefahr weiterer großflächiger Stromausfälle bleibt also trotz gegenteiliger öffentlicher Verlautbarungen bestehen. Denn die Situation massiver Überkapazitäten an PV-Strom zur Mittagszeit ist mittlerweile in vielen Ländern an der Tagesordnung. So gibt es in Deutschland mittlerweile seit 9 Tagen ununterbrochen negative Strompreise um die Mittagszeit. So etwas gab es noch nie.
Dieses Wochenende verlief dank des nicht optimalen Wetters noch glimpflich. Am 1. Mai wurde jedoch mit -130 Euro/MWh der Jahrestiefstpreis erreicht. Am vergangenen Sonntag wurden in Belgien sogar -266 Euro/MWh erreicht. Diese Rekorde könnten an den kommenden Sonn- und Feiertagen nochmals unterschritten werden. Damit bleibt die Situation in dieser Zeit angespannt und birgt ein potenzielles Ausfallrisiko. Entweder durch geplante, vorbeugende Abschaltungen oder im schlimmsten Fall durch eine unkontrollierbare Kettenreaktion, wie wir sie am Montag in Spanien erlebt haben.
Besonders hellhörig sollte man werden, wenn genau das Gegenteil behauptet wird. Denn es gibt einige Beispiele aus der Vergangenheit, wo genau dann das Gegenteil eingetreten ist. Wir hoffen, dass es nicht so weit kommt, aber wie immer gilt: Besser vorbereitet sein als böse überrascht zu werden.
Auch weil die entscheidenden Faktoren, die in Spanien ausschlaggebend waren, auch überall anders auftreten können, wie Michael Fette in seiner Analyse sehr eindrucksvoll dargestellt hat. Er weiß auch, was zu tun wäre, aber dazu bedarf es einer koordinierten europäischen Anstrengung und massiver Eingriffe in den Ausbau leistungselektronischer Systeme sowohl auf der Erzeugungs- als auch auf der Verbraucherseite (z.B. bei Ladesäulen). Auch der dringend notwendige Ausbau von Speichern muss nicht zwangsläufig zu einer Verbesserung führen. Ganz im Gegenteil. Speicher können die Probleme bei unzureichender Integration sogar noch verschärfen, wie wir es heute bei den Heimspeichern sehen. Es kommt also, wie so oft im Leben, auf die Umsetzung an und nicht darauf, ob dies mit den besten Absichten geschieht. Siehe dazu auch die umfangreiche systemische Betrachtung zum Gefangenendilemma bei der Energiewende.
Es ist wenig plausibel, dass diese Maßnahmen kurz- bis mittelfristig erfolgen und vor allem umgesetzt werden können. Denn auch hier wird oft geglaubt, dass es reicht, ein Papier zu schreiben. Ein Negativbeispiel dafür ist das deutsche EEG mit 23 Novellen in 24 Monaten. Auch ein Kennzeichen für einen bereits eingetretenen Kontrollverlust. Daher wird es weiterer Ereignisse bedürfen, bevor ein wirkliches Umdenken und systemisches Handeln stattfinden wird. Leider.
Unzureichende gesellschaftliche Resilienz
Auch wenn es inzwischen erfreulicherweise immer mehr Aktivitäten zur Blackout-Vorsorge gibt, ist die breite Masse der Bevölkerung nach wie vor nur unzureichend vorbereitet, wie eine aktuelle Befragung in Deutschland erneut vor Augen führt. Ein ähnliches Ergebnis gab es vor wenigen Wochen auch in Österreich.
Die gesellschaftliche Resilienz ist also weiterhin unzureichend, die Vorsorge lückenhaft und es mangelt sowohl auf persönlicher als auch auf staatlicher Ebene an der notwendigen Vorbereitung, wie etwa auch der österreichische Rechnungshof Anfang des Jahres in seinem Bericht „Österreich hat keine fertige gesamtstaatliche Blackout-Strategie“ bemängelte.
Es bleibt also noch viel zu tun.
Ohne Basis keine Sicherheit
Gerade angesichts der zunehmenden Sabotagegefahr im Rahmen der hybriden Kriegführung gegen Kritische Infrastrukturen und der postulierten politischen Absicht, die Verteidigungsfähigkeit wiederherstellen zu wollen, fehlt die notwendige Ernsthaftigkeit, das Thema Vorsorge nachhaltig anzugehen. Denn Zivile Verteidigung oder Umfassende Landesverteidigung braucht eine starke Basis, eine widerstandsfähige Bevölkerung, die nicht bei der ersten größeren Versorgungsstörung zusammenbricht. Das Thema Vorsorge ist also mehr als ein „nice to have“, sondern eine wesentliche Grundlage für eine resiliente Gesellschaft.
Die gesellschaftliche und staatliche Handlungsfähigkeit beginnt mit der individuellen Vorsorge. Wer von militärischer oder ziviler Verteidigungsfähigkeit spricht, ohne die grundlegende Versorgungsbasis zu sichern, verkennt die Realität. Es braucht ein Umdenken – weg vom Silodenken, hin zu einer umfassenden, sektorübergreifenden Krisenvorsorge. Es geht daher um unsere gemeinsame Zukunft und nicht um ein Randthema, auch wenn es häufig so behandelt wird.
Wir laden Sie daher einmal mehr ein, Ihre eigene Vorsorge und die Ihres Umfeldes zu überprüfen und zu hinterfragen. Der Leitfaden für Unternehmen und Beschäftigte, der gemeinsam mit den österreichischen Sozialpartnern erarbeitet wurde, bietet dabei eine einfache Hilfestellung. Auch wenn hier österreichische Logos zu sehen sind, sind die Inhalte sicherlich auch in der Schweiz oder in Deutschland uneingeschränkt anwendbar und gültig.
Bitte verbreiten Sie daher diesen Leitfaden in Ihren Netzwerken und bleiben Sie dran, damit wir gemeinsam rascher resilienter werden. Die Zukunft ist nicht vorherbestimmt. Wir gestalten sie durch unser Handeln oder Nicht-Handeln. Jeder von uns kann dazu beitragen, sie ein wenig positiver zu gestalten, auch wenn die allgemeine Stimmung derzeit oft eine andere ist.
Lassen Sie uns also gemeinsam weiter daran arbeiten, krisenfit zu werden!