Letzte Aktualisierung am 20. Juni 2016.

Folgendes Schreiben ging am 28.04.16 und erneut am 17.05.16 an die Präsidenten der Landsverbände des Gemeindebundes. Die bisher eingetroffenen Antworten sind am Ende zu finden.

Wien, 28. April 2016

Sehr geehrter Herr Präsident,

haben Sie sich schon einmal überlegt, was es bedeuten könnte, wenn der Strom für einen halben oder sogar mehrere Tage ausfallen würde? Und das nicht nur in einem Gräzel von Wien, sondern in weiten Teilen Europas? Hirngespinst? Unmöglich? Leider nein! Das europäische Stromversorgungssystem wird zunehmend an der Belastungsgrenze betrieben und dieses Szenario ist in absehbarer Zukunft sogar sehr realistisch. Noch nie waren die Alarmzeichen derart offensichtlich, wie in den vergangenen Monaten. Immer häufiger schrammen wir an dieser absehbaren Katastrophe vorbei. Dennoch wird dieses Szenario noch weitgehend ignoriert, weil wir es uns einfach nicht vorstellen können/wollen – so wie das auch noch vor zwei Jahren bei der absehbaren Flüchtlingswelle oder bei den Terroranschlägen mitten in Europa der Fall war.

Es geht dabei nicht um den Zeitpunkt oder um den möglichen Auslöser, sondern rein um die Frage, ob wir auf ein solches Ereignis vorbereitet wären, was ich aufgrund meiner langjährigen Erfahrung mit einem ganz klaren NEIN beantworten muss. Denn dieses Szenario wird alle bisher sehr erfolgreichen Krisenvorsorgemaßnahmen überfordern. So kommt etwa jüngst die Sicherheitsforschungsstudie „Ernährungsvorsorge in Österreich“ zum Schluss, dass bereits am 4. Tag einer Blackout-bedingten Versorgungsunterbrechung rund drei Millionen Menschen nicht mehr in der Lage sein werden, sich ausreichend selbst zu versorgen. In Städten mehr als am Land. Auch wenn in Österreich bei optimistischen Schätzungen die Stromversorgung binnen eines Tages wieder hergestellt werden kann, wird es noch erheblich länger dauern, bis auch alle anderen lebenswichtigen Infrastrukturen (Telekommunikation, Wasserver- und Abwasserentsorgung, Entsorgung von Tierkadavern, Gesundheitsversorgung, gesamte Logistik, etc.) wieder normal funktionieren bzw. entsprechend synchronisiert werden können. Ganz abgesehen davon, dass unsere (Lebensmittel-)versorgungslogistik weitgehend transnational organisiert ist. Gleichzeitig kommt die Studie des Büros für Technikfolgenabschätzung beim deutschen Bundestag bereits 2011 zum Schluss:

Eine „nationale Katastrophe“ wäre ein langandauernder Stromausfall aber auch deshalb, weil weder die Bevölkerung noch die Unternehmen, noch der Staat hierauf vorbereitet sind. Spätestens am Ende der ersten Woche wäre eine Katastrophe zu erwarten, d. h. die gesundheitliche Schädigung bzw. der Tod sehr vieler Menschen sowie eine mit lokal bzw. regional verfügbaren Mitteln und personellen Kapazitäten nicht mehr zu bewältigende Problemlage.“

Leider ist es bislang nicht gelungen, die österreichische Gesellschaft und die Verantwortungsträger entsprechend zu sensibilisieren, auch wenn es zwischenzeitlich einige Initiativen, wie etwa in Nieder- und Oberösterreich bzw. bei Einsatzorganisationen gibt. Dieses Ereignis kann nicht durch die sonst sehr bewehrte organisierte Hilfe bewältigt werden. Ohne einer aktiven präventiven Einbindung der Bevölkerung sind enorme gesellschaftliche Schäden zu erwarten!

Die Gemeinden sind Träger der primären Katastrophenhilfe. Eine Hilfe von „außen“, wie sie etwa nach dem verheerenden Eisregen in Slowenien 2014 erfolgte, wird aufgrund des Umfanges der Betroffenheit kaum möglich sein. Daher wäre es ganz essentiell, dass sich gerade diese Ebenen – die Bevölkerung und die Gemeinden – intensiver mit diesem Thema auseinandersetzen, was derzeit die Ausnahme darstellt. Zur Unterstützung wurde vergangenes Jahr von mir der gemeinfreie Leitfaden „Meine Gemeinde auf ein Blackout vorbereiten“ erstellt.

Eine Landeskatastrophenschutzbehörde meinte kürzlich, dass es nicht ihre Aufgabe sei, den Gemeinden eine Krisenvorsorge vorzuschreiben, was rein rechtlich nicht haltbar ist. Zumindest wäre sie dazu angehalten, die Gemeinden auf dieses Szenario hin zu sensibilisieren, was aufgrund der föderalen Struktur in Österreich sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. Und so gibt es viele Beispiele für eine „organisierte Unverantwortlichkeit“, wie sie der bekannte Soziologe und Buchautor, Ulrich Beck, bereits 2008 in Die Weltrisikogesellschaft beschrieben hat.

Mir ist bewusst, dass es derzeit eine Reihe weiterer Herausforderungen gibt, die noch dazu viele Ressourcen binden. Es erscheint daher oft unmöglich, sich mit noch weiteren Themen, vor allem, wenn sie so wenig greifbar wie ein Blackout sind, zu befassen. Das Ausblenden verhindert jedoch nicht den Eintritt. Und die Wahrscheinlichkeit, dass man von einem Blackout bzw. dessen Folgen nicht betroffen sein könnte, ist sehr sehr gering. Gleichzeitig könnte man durch einfache Überlegungen und organisatorische Maßnahmen – wie etwa durch die Erhöhung der Eigenbevorratung der Bevölkerung – Schlimmeres abwenden. Die weit verbreitete Erwartungshaltung, die Feuerwehr bzw. das Bundesheer werden das dann schon wie immer richten, wird sich zudem als Illusion herausstellen. Nicht weil sie nicht wollten, sondern weil sie nicht können und selbst betroffen sind.

Derzeit fühlt sich niemand für dieses Thema bzw. für die dazu erforderliche Risikokommunikation wirklich zuständig, was rein formal auch stimmen mag, aber gesellschaftlich unverantwortlich ist. Daher möchte ich Sie als Vertreter der wichtigsten Interessenvertretung der Gemeinden direkt ansprechen.

Nachdem meine Erfahrung zeigt, dass der Umfang dieses Szenarios meist nicht bewusst bzw. bekannt ist, biete ich Ihnen an, eine entsprechende Sensibilisierung durch einen Vortrag vor einem ausgewählten Publikum (ev. mit den Bezirksorganen) durchzuführen. Gerne unterstütze ich Sie auch bei einem Schreiben, etc. an Ihre Gemeinden, um auf das Thema aufmerksam zu machen.

Sehr geehrter Herr Präsident. Sie haben in dieser Angelegenheit eine sehr wichtige Position, um möglichst viele Gemeinden und hoffentlich auch Menschen zu erreichen und können damit beitragen, Schlimmeres abzuwenden. Daher hoffe ich auf Ihre Unterstützung bzw. freue ich mich über eine Rückmeldung.

Mit den besten Grüßen
Herbert Saurugg, MSc
Experte für die Vorbereitung auf den Ausfall lebenswichtiger Infrastrukturen

P.S.: Weiterführende und vertiefende Informationen, sowie ein aktuelles Fernsehinterview finden Sie auf meiner Homepage www.saurugg.net. Im Sommer 2015 habe ich etwa auch eine Veranstaltung für Bürgermeister in Zusammenarbeit mit dem Bundeskanzleramt organisiert.

Antworten

Niederösterreichischer Gemeindebund

Vielen Dank für Ihr Schreiben, welches bei uns eingelangt ist und weitergeleitet wurde. Wie von Ihnen angesprochen haben die Verantwortungsträger in Niederösterreich das Thema bereits aufgegriffen und gibt es bereits entsprechende Initiativen. Derzeit ist für das Bundesland Niederösterreich auch das neue NÖ Katastrophenhilfegesetz in Begutachtung, in dem ein eigener Abschnitt den Vorbereitungsmaßnahmen gewidmet ist.

Im Begutachtungsentwurf sind nicht nur Regelungen zu Katastrophenschutzplänen und Übungen enthalten, sondern auch der Bereich „Ausbildung und Information“. Letzterer sieht vor, dass die Landesregierung dafür zu sorgen hat, dass für die zuständige Behörde sowie die zur Katastrophenhilfe Verpflichteten entsprechende Schulungsangebote zur Aneignung der im Rahmen des Katastrophenschutzes notwendigen Kenntnisse zur Verfügung stehen. Die Gemeinden sollen die Bevölkerung in regelmäßigen Abständen über Maßnahmen zum Schutz vor Katastrophen informieren. Dazu kann jede Gemeinde eine geeignete Person als Zivilschutzbeauftragte oder Zivilschutzbeauftragten bestellen (die auch das Zivilschutz-Thema „Blackout“ abdecken). 30.05.16

Niederösterreichischer Gemeindebund / SPÖ

Herzlichen Dank für Ihr Schreiben vom 28. April d.J.
Zum gegenständlichen Thema „Blackout und die Folgen“ möchte ich Ihnen mitteilen, dass in Zusammenarbeit mit dem Innenministerium, Rettungsorganisationen, Vertretern der Bezirksverwaltungsbehörden und dem österr. Zivilschutzverband unsere Gemeinden in Form von Informationsveranstaltungen beraten werden. Darüber hinaus ersuche ich Sie in dieser Angelegenheit mit dem Österreichischen Gemeindebund, Herrn Generalsekretär Dr. Walter Leiss, Kontakt aufzunehmen, der allfällige Gespräche mit Ihnen führen könnte. 29.04.16

Oberösterreichischer Gemeindebund

Wir bedanken uns für Ihr Schreiben vom 28.4. bzw. 17.5.2016 und dürfen Ihnen dazu mitteilen, dass das wichtige Thema Blackout über den Zivilschutzverband OÖ in Bezirksveranstaltungen 2015 bereits ausführlich behandelt wurde. Auch bei der von der Gemeindeverwaltungsschule des OÖ Gemeindebundes durchgeführten Bürgermeisterakademie haben wir dieses Thema eingehend erläutert. Zusätzliche Aktivitäten sind derzeit nur über den Zivilschutzverband angedacht. 18.05.16

Anmerkung: Siehe Blackout-Vorbereitungen in Oberösterreich

Steirischer Gemeindebund

Ich beziehe mich auf ihre Email an meinen Präsidenten Bgm. LAbg. Erwin Dirnberger und darf ihnen bestätigen, dass und die Zuständigkeit nach dem Katsatrophenschutzgesetz sehr bewusst ist. Wir haben zwar keinen vollständigen Überblick über die Situation in allen Gemeinden, aber ich kenne doch einige, die sehr professionelle Katastrophenschutzpläne erstellt haben. Dazu kommt auch, das sich die zuständige Abteilung im Land Steiermark verstärkt mit dem Thema auseinandersetzt und auch sehr gute Unterstützung für die Gemeinden anbietet. Ich muss zugeben, dass mir das Thema Blackout und die von ihnen skizzierten Folgen, nicht – bzw nicht in der beschriebenen Dimension – bewusst waren und sind. Ich werde daher im Rahmen unserer nächsten Sitzungen unserer Gremien auf ihre Informationen hinweisen. 20.06.16