Mitte August berichteten zahlreiche deutsche Medien, dass die deutschen Netzbetreiber für das Jahr 2015 Kosten für Notmaßnahmen, um mögliche Blackouts zu verhindern, von bis zu 500 Millionen Euro erwarten. Hierbei handelt es sich nur um Akutmaßnahmen und um keine Maßnahmen zur mittel- bis langfristigen Entschärfung der Situation.

Dies ist nur ein Indikator dafür, warum es Sinn macht, sich mit dem Thema ‚Blackout‘ zu beschäftigen.

Dieser Newsletter beschäftigt sich mit den Erkenntnissen aus drei aktuellen Forschungsarbeiten zum Thema ‚Blackout‘:

  • (Trink-)Wasserver- und Abwasserentsorgung
  • Medikamenten- bzw.  Gesundheitsversorgung
  • Länger andauernder Infrastrukturausfall nach einem Cyber-Angriff

Energy blackouts and water outages

Die Forschungsarbeit ‚ Energy blackouts and water outages‚ von Isabel Mank, erstellt an der TU-Wien, beschäftigt sich mit der Thematik ‚(Trink-)Wasserver- und Abwasserentsorgung im Falle eines Strom-Blackouts‘ in Österreich. Sie kommt dabei zum Schluss, dass das Risikobewusstsein unzureichend ist und die möglichen (indirekten) Folgewirkungen eines Blackouts auf die Wasserver- und Abwasserentsorgung – und damit auf die Versorgung der Bevölkerung – massiv unterschätzt werden. Ein notwendiger Plan B fehlt in vielen Bereichen. Krisenmanagement beginnt jedoch nicht erst in der Krise, sondern bereits mit der Erfassung von möglichen Verwundbarkeiten und mit Maßnahmen zur Reduktion von möglichen Auswirkungen (Krisenvorsorge).

Daher wird auch von der Autorin eine öffentliche Auseinandersetzung und Vorbereitung auf dieses mögliche Szenario eingefordert. Dazu haben etwa auch die Interviewpartner einen Anstoß gegeben: Ein solcher Prozess habe im eigenen Bereich erst begonnen, nachdem es dazu entsprechende Informationen über die aktuellen Herausforderungen im europäischen Stromversorgungssystem gab. Daher: ‚It is important to expect the worst as long as it is still reasonable to do so.‘ – was wohl ausreichend belegt ist.

In the end, it does not only depend on the stakeholders to take action and to apply plans, but also on the population to make compromises, to prepare and to share ideas.

Dabei sollte Bewusst sein, dass von einer funktionierenden Wasserver- und Abwasserentsorgung auch viele andere Bereiche/Sektoren massiv abhängig sind. Egal, ob das etwa die Gesundheitsversorgung, die Landwirtschaft oder Industriebetriebe betrifft (siehe etwa aktuell Großeinsatz der Feuerwehr nach Stromausfall in Glasfabrik). Eine umfassende Auswertung und Zusammenfassung finden Sie online unter Energy blackouts and water outages.

Medikamentenversorgung bei Stromausfall in Berlin

Auch die Forschungsarbeit Medikamentenversorgung bei Stromausfall in Berlin von Benjamin Zeidler liefert einige wichtige Puzzelsteine für die Auseinandersetzung mit dem Szenario ‚Blackout‘. Bei der Erfassung des Ist-Standes traten durchaus widersprüchliche Aussagen zu Tage. Wie durch den Autor richtig angemerkt wurde, ist davon auszugehen, dass aufgrund fehlender praktischer Erfahrungen gewisse Aussagen auch ‚Wunschvorstellungen‘ entsprechen könnten. Dabei ist durchaus plausibel, dass gewisse Dinge besser funktionieren werden, als wir heute erwarten – aber auch umgekehrt. Ein besonderer Hinweis für zweiteres geht von dem in der Arbeit mehrfach erwähntem ‚Unsicherheitsfaktor Mensch/Personal‘ aus, welcher durch eine aktive öffentliche Diskussion und Auseinandersetzung reduziert werden könnte (siehe auch bei der Wasserversorgung oben bzw. im Beitrag Das Verhalten der Bevölkerung in Katastrophen und Notlagen). Denn wenn die Bevölkerung weiß, was auf sie zukommen könnte und wo die Grenzen der organisierten Hilfe sind, ist durchaus ein selbstverantwortliches und vorsorgendes Verhalten zu erwarten, was wiederum die organisierte Hilfe entlasten würde.

Eine wesentliche Erkenntnis aus der Forschungsarbeit lautet: ‚Dem Apotheker wird als leicht zugänglicher Ansprechpartner und Knotenpunkt zwischen den Beteiligten des Gesundheitssystems eine zentrale Position zugesprochen‘ was aber im Widerspruch zu ‚Das vorhandene Wissen im Bereich der Medikamentenversorgung im Katastrophenfall ist auf wenige Experten beschränkt und Übersichten zu notstromversorgten Apotheken existieren nicht.‘ steht.

Entscheidend ist nicht, dass alles (technisch) abgesichert wird, sondern dass die organisatorischen Herausforderungen angegangen werden und das Wissen rund um dieses Szenario erhöht wird. Oder, um das mit einem Zitat aus der Arbeit abzuschließen:

Durch Maßnahmen wie einer Expertenrunde unter Teilnahme aller Beteiligten sowie dem Erstellen einer Liste der notstromversorgten Apotheken, könnte die Gefährdung für den Sektor Medikamentenversorgung im Ernstfall stark reduziert werden.

Das dezentralisierte Gesundheitssystem – und damit auch die Apotheken – sind ganz entscheidend, um die Krankenhäuser zu entlasten und um einen medizinischen Notbetrieb möglichst lange aufrechterhalten zu können.

Eine umfassende Auswertung und Zusammenfassung finden Sie online unter Medikamentenversorgung bei Stromausfall in Berlin.

The insurance implications of a cyber attack on the US power grid

In einer aktuellen Studie der amerikanischen Versicherungsgesellschaft Lloyd’s wurden die möglichen Auswirkungen des fiktiven aber realistischen Szenarios ‚Blackout durch einen Cyber-Angriff‘ untersucht, um daraus versicherungstechnische Ableitungen zu treffen. Einige Erkenntnisse daraus:

  • Surveys suggest that cyber is an under-insured risk: many more organisations believe that their existing insurance would respond in the event of cyber attack than is likely to be the case.
  • The scenario predicts a rise in mortality rates as health and safety systems fail; a decline in trade as ports shut down; disruption to water supplies as electric pumps fail and chaos to transport networks as infrastructure collapses.
  • It aims to bring awareness to the potential physical damage caused by cyber attacks against Operational Technology (OT).
  • The relationship between direct and indirect impacts concurs with the existing literature, which suggests indirect impacts are of much larger magnitude than direct impacts.
  • A cyber attack of this severity is an unlikely occurrence, but we believe that it is representative of the type of extreme events that insurers should assess in order to understand potential exposures.

Hier sei angemerkt, dass es nicht nur um Versicherungsleistungen, sondern um unsere Gesellschaft geht, die sich stärker mit systemischen Risiken und strategischen Schocks (extrem events) auseinandersetzen sollte. Denn wie der jüngst verstorbene Soziologe Ulrich Beck in seinem 2008 erschienenen Buch ‚Weltrisikogesellschaft‚ fest hält, ist die ‚Restrisikogesellschaft‘ eine versicherungslose Gesellschaft geworden, deren Versicherungsschutz paradoxerweise mit der Größe der Gefahr abnimmt.

Eine umfassende Auswertung und Zusammenfassung – auch der erwarteten Auswirkungen des Blackouts – finden Sie online unter The insurance implications of a cyber attack on the US power grid. Siehe zusätzlich Beyond data breaches: global interconnections of cyber risk.

Weltrisikogesellschaft – Auf der Suche nach der verlorenen Sicherheit

Das Buch ‚Weltrisikogesellschaft‘ verschafft weitere Einblicke in die aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen (Stichwort: Transformation zur Netzwerkgesellschaft – von Beck als ‚Zweite Moderne‘ bezeichnet). Einige Erwartungen von damals haben sich bereits mehrfach in der Realität bestätigt. Ulrich Beck zeigt damit einmal mehr, dass es oftmals nicht am Wissen, sondern an unseren Schlussfolgerungen und an einem entsprechenden vernetzten Denken und Handeln fehlt. Hierzu drei ausgewählte Zitate:

Der Glaube, die moderne Gesellschaft könne die in ihr erzeugten Gefahren kontrollieren, zerfällt – nicht aufgrund von Versäumnissen und Niederlagen der Moderne, sondern aufgrund ihrer Siege. S. 26.

Die Wahrscheinlichkeit unwahrscheinlicher Unfälle wächst mit der Zeit und der Zahl durchgesetzter Großtechnologien. S. 87.

Das technische Risiko mag im Fall der ‚low probability but high consequences risks‘ gegen null tendieren, das ökonomische Risiko läuft gleichwohl gegen unendlich. S. 203.

Weiter Zitate finden Sie online unter Weltrisikogesellschaft bzw. siehe auch Das Risikoparadox – Warum wir uns vor dem Falschen fürchten.

Checklisten

Immer wieder wird die Frage nach ‚Checklisten‘ zur Unterstützung bei der Vorbereitung auf ein mögliches Blackout gestellt. Solche gibt es derzeit nur punktuell und auch nur für einzelne Aspekte/Bereiche (siehe unter Weiterführende Informationen). Eine umfassende Betrachtung erfolgt in unserem Leitfaden ‚Mein Unternehmen auf ein Blackout vorbereiten‚. In Kürze wird der neue Leitfaden ‚Meine Gemeinde auf ein Blackout vorbereiten‘ zur Verfügung stehen.

Diese Leitfäden stellen keine klassische ‚Checkliste‘ dar, da solche für ein derart umfassendes und gleichzeitig vielschichtiges Thema kaum erstellbar sind. Was aber nicht bedeutet, dass diese nicht in Ihrer Organisation erstellt werden können/sollten! Nutzen Sie dazu unsere Anregungen/Inputs und Ihr spezifisches Detailwissen bzw. das Ihrer Mitarbeiter/Bürger/etc.!

Entscheidend sind die Auseinandersetzung und Diskussion, sowie die Schaffung von gemeinsamen Sichten! Der erste Schritt beginnt mit einer kritischen Hinterfragung von bisherigen Annahmen zum Szenario ‚Blackout‘. Denn nicht selten verbergen sich dahinter umfangreiche Scheinsicherheiten.

Verschiedene Meldungen und Berichte

Situation im europäischen Stromversorgungssystem

  • In den ersten beiden Augustwochen (Hitzewelle) gab es in Österreich wieder fast täglich Intraday-Stops aufgrund von ‚critical load flows‘. Eine detaillierte Auswertung erfolgt Anfang September.
  • Hitzewelle kostet Stromverbraucher viele Millionen – Alleine für Deutschland werden für das Jahr 2015 Kosten für Notmaßnahmen, um Blackouts zu verhindern, von bis zu 500 Millionen Euro erwartet.