Letzte Aktualisierung am 23. Oktober 2015.

Quelle: Der Standard

Der österreichische Föderalismus hat laut dem Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk entscheidend zu der Asylquartierkrise beigetragen.

Die Worte „Notfall“ oder gar „Katastrophe“ werden in Zusammenhang mit Flüchtlingen in der Regel nur von Vertretern der politischen Rechten in den Mund genommen. Doch in der aktuellen Situation sind diese Begriffe auch abseits ihres Eskalationsgehalts, wenn man sie auf Schutzsuchende anwendet, relevant.

Denn dass es in einem reichen, friedlichen Land wie Österreich nicht möglich ist, 2000 Menschen, die in Traiskirchen derzeit obdachlos ausharren müssen, zumindest ein Dach über dem Kopf zu verschaffen, weist – schließt man das bewusste Inkaufnehmen dieser Situation aus – auf folgenschwere Mängel im Umgang mit unerwarteten, krisenhaften Situationen hin. Also im Management von Notfällen, zu deren Bewältigung Durchgriffskompetenz gefragt ist und alle Beteiligten an einem Strang ziehen sollten.

Genau dafür jedoch fehlen im stark föderalistisch organisierten Staat Österreich vielfach die strukturellen Voraussetzungen. Vom Jugendschutz über Schulfragen bis hin zum Zivilschutz, etwa bei Hochwasser oder wenn es zu einem grenzüberschreitenden AKW-Unfall kommen sollte, liegen die Kompetenzen in weiten Teilen bei den Bundesländern.

Der Bund, also das Innenministerium, hat hierbei kein Durchgriffsrecht. Ihm kommt nur eine koordinierende Funktion zu. Hier wie etwa auch beim Zivilschutz herrscht ein ausgeprägter Föderalismus, der laut dem Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk einen „demokratisch reifen Umgang ohne Länder- und Parteiegoismen“ voraussetze.

Im Katastrophenfall, so Funk, habe das bisher einigermaßen funktioniert. Im stark politisierten und emotionalisierten Umgang mit Flüchtlingen hingegen überhaupt nicht. Für den Umgang mit Notfällen sei Österreich politisch-strukturell „nur schlecht gerüstet“, meint der Verfassungsexperte.

Um dies zu ändern, wären laut Funk ergebnisoffene Diskussionen nötig.

Kommentar

Leider nicht das einzige mögliche Szenario, wo das aktuelle System an seine Grenzen stoßen wird. Eigentlich funktionieren alle Infrastrukturen – es scheitert daher in der Flüchtlingsfrage vor allem am Willen und an der Kooperation. Was passiert aber erst, wenn auch die Infrastrukturen ausfallen und dann nicht einmal mehr eine Koordinierung möglich ist? Warum?
Es schwebt seit längerem über Europa das Damoklesschwert eines europaweiten Strom- und Infrastrukturausfalls („Blackout“), auf den wir genauso wenig vorbereitet sind, wie auf den Flüchtlingsstrom. Nur dass wir dann alle auch selbst betroffen sein werden …