Letzte Aktualisierung am 04. November 2023.

Ein Verbundnetz versorgt fast ganz Europa mit elektrischer Energie. Mit 41 grenzüberschreitenden Leitungen ist die Schweiz eng mit dem europäischen Verbundnetz verbunden. Dieser Verbund macht eine sichere Stromversorgung in der Schweiz erst möglich. Was kaum jemand weiß: Das europäische Verbundnetz hat seinen Ursprung in der Schweiz.

Meldungen

23.09.23 – Ein Stromabkommen mit der EU ist «zwingend nötig»

  • Seit dem Jahr 2007 verhandelt die Schweiz mit der EU über ein Stromabkommen.
  • Energieminister Albert Rösti (SVP) sagte vor ein paar Tagen in einem Interview, die Schweiz brauche kein Stromabkommen «um jeden Preis».
  • Swissgrid-Chef Yves Zumwald widerspricht Rösti: Ein Stromabkommen mit der EU sei zwingend nötig.
  • Die Schweiz entkoppelt sich laut Zumwald vom europäischen Strommarkt – und das gefährde nicht nur die Netzstabilität, sondern mache auch eine Integration der Schweizer Kraftwerke in Europa schwierig.
  • Die Schweiz ist laut Zumwald physisch über 41 Grenzleitungen mit Europa verbunden – und betreibe gemeinsam mit den europäischen Partnern das Netz. Da sei es eine «sehr schlechte Idee, Swissgrid von Plattformen und Gremien auszuschliessen, die helfen, das Stromnetz stabil zu halten».

15.09.23 – DE/CH: Schweiz erhält Hilfe aus Deutschland

22.08.23 

⚠ CH/EU: Die EU-Kommission will die Schweizer Übertragungsnetzbetreiberin Swissgrid aus europäischen Gremien zur Sicherstellung der Netzstabilität ausschliessen. Swissgrid warnt vor dramatischen Folgen bis hin zu einem Blackout und ist gegen die Kommission vor Gericht gezogen – erfolglos.

08.06.23 – Ungeplantes im Stromnetz – ein Risiko für die Schweiz

Quelle: www.swissgrid.ch

Im Alltag ist Ungeplantes oft eine positive Überraschung. Ein unerwarteter Sonnentag, eine Banknote in einer alten Jacke oder ein Überraschungsbesuch von Freunden. Doch wenn es um das Stromnetz geht, ist Ungeplantes unerwünscht – es kann sogar gefährlich sein. Die Netzkapazität des Schweizer Übertragungsnetzes wird auf jede Viertelstunde genau berechnet. Fliesst plötzlich ungeplanter Strom durch unser Netz, Strom, der in den Berechnungen nicht vorhergesehen war, kann das zu Überlastungen von Netzelemente führen. In solchen Situationen muss Swissgrid eingreifen und wieder ein Gleichgewicht im Netz herstellen. Ungeplantes ist im Stromnetz also immer mit Aufwand und Risiken verbunden. 

Was sind ungeplante Flüsse?

Seit einigen Jahren warnt Swissgrid gemeinsam mit der Strombranche vor den Risiken ungeplanter Flüsse, wie sie unsere Netzstabilität und somit die Versorgungssicherheit der Schweiz gefährden.

Bei einem Stromfluss kann man nicht vorhersehen, welchen Weg der Strom wählt. Denn Strom sucht sich den Weg des geringsten Widerstands. Das heisst, wenn Strom vom Punkt A nach Punkt B muss, wird er nicht zwangsweise auf direktem Weg dorthin fliessen. Im Falle von grenzüberschreitendem Handel fliesst unter Umständen also nur ein gewisser Teil des gehandelten Stroms direkt über die Landesgrenze. Ein anderer Teil kann über das Netz eines benachbarten Landes fliessen. Es entsteht eine Differenz zwischen der Menge des gehandelten Stroms und dem physikalischen Fluss zwischen den beiden handelnden Ländern oder Parteien. Die Differenz zwischen dem Handelsfluss und dem physikalischen Fluss ist der ungeplante Fluss – der Teil, der über das am Handel eigentlich unbeteiligte Land fliesst. Es gibt zwei Sorten ungeplanter Flüsse: Transitflüsse und Ringflüsse.

Der Strom geht gerne reisen…

Von Transitflüssen spricht man, wenn Strom grenzüberschreitend gehandelt wird, sich aber den Weg durch ein drittes Land sucht. Zum Verständnis kann das mit einer Reise verglichen werden: Eine Schulklasse muss von Offenburg (DE) nach Strasbourg (FR). Da der Direktzug voll ist, teilen sich die Schülerinnen und Schüler auf. Diejenigen, die keinen Platz mehr im Direktzug haben, nehmen einen, der über Basel fährt. Die ganze Klasse startet am gleichen Punkt und trifft sich am gleichen Ort – sie sind aber über unterschiedliche Wege angereist. Dasselbe passiert beim Transitfluss. Der Strom wird in einem Kraftwerk produziert und ist durch ein Handelsgeschäft für den Verbrauch an einem anderen Standort vorgesehen. Es wird aber nicht der gesamte Stromfluss über den gleichen Weg ans Ziel fliessen. Ein Teil sucht sich den Weg über ein anderes Land. Dieses Land ist am Handel nicht beteiligt.

…oder er dreht sich im Kreis

Bei einem Ringfluss handelt ein Land innerhalb seiner Grenzen Strom. Dabei wird aber die Leitung eines Nachbarlandes beansprucht. Der Strom wird also in Land A gehandelt, fliesst aber durch Land B wieder in Land A zurück. Wenn wir das wieder mit einer Zugfahrt vergleichen, wäre es eine Reise vom Tessin ins Wallis. Man wird in Italien umsteigen und von dort ins Wallis fahren müssen. Das ist die schnellste Verbindung – der Weg, des geringsten Widerstandes. 

Fehlendes Abkommen führt zu bösen Überraschungen

Doch wieso kommt es vermehrt zu ungeplanten Flüssen im Stromnetz? Ein Grund dafür ist das fehlende Stromabkommen zwischen der Schweiz und der EU. Ein solches ist jedoch für die Versorgungssicherheit der Schweiz essenziell. Das Schweizer Stromnetz ist mit 41 Grenzleitungen stark ins kontinentaleuropäische Netz integriert. Der Austausch mit den europäischen Übertragungsnetzbetreibern gehört zu den täglichen Aufgaben von Swissgrid. Aufgrund des fehlenden Stromabkommens wird die Schweiz jedoch vermehrt von wichtigen Plattformen ausgeschlossen. Weiter wird sie bei den Berechnungen der Netzkapazität nicht adäquat miteinbezogen. Das führt dazu, dass Swissgrid die Belastung des Stromnetzes nicht präzis vorhersehen kann und die Swissgrid Operateurinnen und Operateure Strom für die Stabilisierung des Netzes einsetzen müssen. Das ist mit Aufwand und Kosten verbunden und zunehmend stellen sich Fragen der Verfügbarkeit dieser sogenannten «Remedial Actions», da sie in der Schweiz im Wesentlichen aus Wasserkraft bedient werden.

Eine weitere Herausforderung stellt die 70%-Regel dar. Vor drei Jahren trat für die EU-Staaten das Gesetz des Minimum Remaining Available Margin in Kraft. Dieses verordnet, dass alle EU-Übertragungsnetzbetreiber mindestens 70% ihrer Übertragungskapazität für den grenzüberschreitenden Handel reservieren müssen. Jedoch sind in diesem grenzüberschreitenden Handel nur EU-Staaten miteinbegriffen. Mangels Abkommen mit der EU zählt die Schweiz somit nicht dazu.

Der Blick in die Zukunft

Ungeplantes ist im Stromnetz unerwünscht, es ist immer mit Risiken und Aufwand verbunden. Ungeplante Flüsse werden vermehrt zu Überlastungen der Netzelemente führen. Swissgrid muss in diesem Fall eingreifen und das Problem beheben. Das bedeutet eine höhere Gefährdung der Netzstabilität und somit der Versorgungssicherheit der Schweiz sowie letztendlich höhere Kosten für die Schweizer Stromkonsumentinnen und -konsumenten. Swissgrid setzt alles daran, die ungeplanten Flüsse zu minimieren. Ein Stromabkommen zwischen der Schweiz und der EU wäre dafür eine nachhaltige Lösung.

28.05.21:  Stromabkommen – Wie weiter nach dem Verhandlungsabbruch beim Rahmenabkommen?

Quelle: www.swissgrid.ch

Swissgrid geht davon aus, dass die Intensität der Herausforderungen für die Netzsicherheit bis 2025 stark zunehmen wird. Aufgrund des hohen Vermaschungsgrades des Schweizer Übertragungsnetzes dürfte die weitere Optimierung der flussbasierten Marktkopplung (70%-Regel; Umsetzung bis Ende 2025) in der EU sowie deren geographische Erweiterung auf Osteuropa in den kommenden Jahren eine grosse Herausforderung darstellen. Denn diese Entwicklungen führen voraussichtlich zu einer Zunahme der bereits heute erheblichen ungeplanten Flüsse durch die Schweiz und zu einer potenziellen Verringerung der Importfähigkeit der Schweiz.

21.04.21: Swissgrid: Künftig könnte es zu Blackouts kommen

Quelle: www.srf.ch

Die Schweizer Stromnetzbetreiberin Swissgrid befürchtet ein zunehmend instabiles Netz – und hofft auf ein Stromabkommen. 

Die Schweiz liegt mitten in Europa, entsprechend eng ist das Schweizer Stromnetz mit den Nachbarnetzen verbunden. So wird Strom von einem Land in ein anderes verkauft und ins Netz eingespiesen.

Doch als Netzbetreiberin in einem Nicht-EU-Land erfährt die Stromnetzbetreiberin Swissgrid immer öfter erst sehr kurzfristig, wenn es zu Überfluss oder Mangel an Strom im Netz kommt.

«Wir müssen immer mehr in den Systembetrieb eingreifen, um das Netz stabil zu halten», sagt Swissgrid CEO Yves Zumwald. Das sei mit Aufwand und Kosten verbunden.

So muss Swissgrid innert Minuten Kraftwerke aufbieten, die sofort Strom abnehmen oder produzieren, um das Netz auszugleichen. Nur so kann verhindert werden, dass es zu Blackouts kommt.

Die europäischen Nachbarländer können im Gegensatz zur Schweiz rechtzeitig und besser planen: Sie handeln alle im selben Markt mit Energie. Weil die Schweiz nicht vollwertiges Mitglied im Strommarkt ist, braucht sie mehr Strom, der quasi auf Vorrat gehalten werden muss.

01.04.21: Schweiz verliert beim Strom den Anschluss

Quelle: www.tagesanzeiger.ch

In der Schweizer Strombranche wächst die Sorge vor instabilen Netzen und Versorgungslücken im Winter.

Die EU-Kommission lobbyiere intensiv bei den Mitgliedsstaaten, die Schweiz beim Regelmarkt auszuschließen, heißt es in Brüssel. Die EU-Kommission könnte auch selber den Stecker ziehen, will aber mit Blick auf mögliche Risiken für die Netzstabilität die Verantwortung dafür nicht übernehmen. Vorerst schieben Kommission und Mitgliedsstaaten sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu.

Zwar blieben die physischen Verbindungen mit dem europäischen Strommarkt bestehen, doch würden der Handel und die Balancierung des Netzes deutlich schwieriger, wie eine Studie der ETH Lausanne und der Universität St. Gallen 2019 festgestellt hat.

Ab 2025 müssen die Nachbarländer der Schweiz mindestens 70 Prozent der grenzüberschreitenden Kapazitäten für den Handel zwischen EU-Mitgliedsstaaten reservieren. Um dies zu erreichen, entlasten sie schon heute ihre internen Netzengpässe zeitweise auf Kosten der Exportkapazitäten für die Schweiz. Weil die EU die Schweiz in den Berechnungen der Grenzkapazitäten nicht berücksichtige, würden ohne Stromabkommen ungeplante Stromflüsse weiter massiv zunehmen. Um in der Folge die Netzstabilität aufrechtzuerhalten, müsse die Schweiz auf ihre wertvollen Wasserreserven zurückgreifen. «Dieser Wasserstrom wird uns dann im Winter für die Versorgung fehlen», sagt Frank.

Die Kosten für einen Blackout werden auf zwei bis vier Milliarden Franken pro Tag geschätzt. 

Kommentar eins Insiders

Die Schweiz ist mit 41 Verbundleitungen auf der Höchstspannungsebene in den europäischen Netzverbund eingebunden. Die Kapazität aller Leitungen zusammen ist viermal größer als die Spitzenlast der Schweiz selber. Dies wird auch so benötigt, da der 60 %-tige hydraulische Anteil (Wasserkraft) und die damit saisonale Abhängigkeit, dies zwingend erfordert. Leider spielen einmal mehr die Politik und einzelne proprietären Wirtschaftsinteressen wie auch diverse unverstandene Autarkiegedanken mit hinein. Im Prinzip wird sich an diesem Punkt, wie leider auch an anderen, die weitere Entfernung zwischen Marktregeln und der Physik sträflich rechen und wenn wir Pech haben, wird das zu größeren Schwierigkeiten bis hin zu unbeherrschbaren Netzsituationen führen.

20.06.19: Deutsche Energiewende bedroht schweizer Stromnetz

Quelle: www.epochtimes.de

Die Schweiz hat ein Problem, obwohl sie nichts falsch gemacht hat, Verursacher ist Deutschland, aber auch wir haben nichts verkehrt gemacht, zumindest nichts, was wir hätten beeinflussen können, denn Sonne und Wind hören leider nicht auf den Wetterbericht, beeinflussen dafür aber umso mehr das Stromnetz.

Am 20. Mai leuchteten beim schweizer Energienetzbetreiber Swissgrid alle Alarmlämpchen tiefrot: Ursache waren großen Abweichungen zwischen prognostizierte Stromerzeugung und tatsächlich erzeugtem Strom in Deutschland. Angebot und Nachfrage taten ihr Übriges, trieben die Preise in die Höhe und, um möglichst große Gewinne zu erzielen, verkauften die schweizer Stromerzeuger ihren Strom auch nach Deutschland.

In diesen Stunden flossen 4,5 Gigawatt Strom, oder etwas über ein Drittel der gesamten schweizer Stromproduktion, in Richtung Deutschland. Wären die Unterschiede nur minimal größer gewesen – sprich, hätte Deutschland noch mehr Strom aus der Schweiz importiert – wäre es dort zu „Lastabwürfen“ (Abschaltung) oder möglicherweise zu einem flächendeckenden Blackout gekommen.

Auf dem schweizer Strommarkt stiegen die Preise binnen weniger Stunden von knapp 37 auf 60 Euro pro Megawattstunde, in Deutschland stiegen die Preise von 30 auf 79 Euro pro Megawattstunde sogar auf mehr als das Doppelte. Den Grund dafür sieht Swissgrid in der „Arbeitsverweigerung“ der deutschen erneuerbaren Energien. An jenem 20. Mai konnten diese weniger als 10 Prozent ihres Potenzials entfalten. Von 106,5 Gigawatt installierter Gesamtleistung lieferten Sonne und Wind lediglich 10,1 Gigawatt.

Um die eigene Netzstabilität zu erhalten, mussten die deutschen Energieversorger Strom hinzukaufen. Eigene Reserven wie das Pumpspeicherkraftwerk Goldisthal mit über 1 GW Leistung standen an diesem Tag nicht zur Verfügung. Aufgrund der hohen Lasten durch den Stromexport war die sogenannte „n1“-Sicherheit des schweizer Stromnetzes in Gefahr. „n1“ bedeutet, dass, auch im Ausfall eines Transformators oder einer Leitung, alle Stromflüsse über andere Leitungen ausgleichbar sein müssen.

Dabei sind starke Schwankungen in der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien an sich kein Problem – solange sie vorhersehbar sind. Daten des Fraunhofer Instituts zeigen, dass am Abend des 23. Mai sogar nur knapp 2,3 GW durch die deutschen Erneuerbaren erzeugt wurde. Mittelfristig verfügbare Ausgleichskraftwerke wie Gas- oder Ölkraftwerke können diese Lücken füllen. Pumpspeicherkraftwerke können zudem binnen Minuten zugeschaltet werden, um kurzfristig mehr Storm bereitzustellen – wenn sie nicht gerade gewartet werden.

Mit dem Fortschritt der deutschen Energiewende „Kohle Pfui, Erneuerbare Hui“ werden derartige Reservekraftwerke immer wichtiger. Doch auch das modernste Gaskraftwerk kann nicht binnen Minuten reagieren und von 0 auf 100 Prozent Leistung hochgefahren werden, umso wichtiger werden sichere Prognosen von Sonne und Wind – nur halten sich Sonne und Wind leider nicht an den Wetterbericht.

31.05.19: Netzsicherheitsverletzung vom 20. Mai 2019

Quelle: www.swissgrid.ch

Am Montag, 20. Mai 2019 ergab sich im Schweizer Übertragungsnetz eine kritische Situation. Einzelne Netzelemente wurden erheblich überlastet oder drohten überlastet zu werden (n- und n-1-Verletzungen).

Die laufende Analyse des Vorfalls zeigt, dass bei einer hohen inländischen Stromproduktion (rund 12 GW) insgesamt rund 4,5 GW exportiert wurden, ein hoher Anteil davon nach Deutschland. Typischerweise laufen die Lastflüsse in umgekehrte Richtung, von Deutschland in die Schweiz. Diese atypische Export- und Produktionssituation führte zu Verletzungen der Netzsicherheit (n und n-1).

Erste Analysen haben ergeben, dass sich durch den Stromhandel die Exportmengen zwischen dem Sonntag und dem Montag kurzfristig erhöht haben. Die europäischen Netzprognosen haben aus noch unbekannten Gründen diese Verletzungen im Voraus nicht erkannt. Die Netzsicherheitsverletzungen mussten im Echtzeitbetrieb mit den Kollegen der europäischen Übertragungsnetzbetreiber gelöst werden.

Dieser Vorfall zeigt, dass die Prognosen erheblich von den effektiven Lastflüssen abweichen können. Es ist daher ausserordentlich wichtig, dass alle Übertragungsnetze in Europa, inklusive der Schweiz, in die Netzmodellierungen eingebunden sind, damit allfällige Verletzungen der Netzsicherheit in den Prognosen erkannt und koordinierte Massnahmen ergriffen werden können, damit solche Verletzungen im Echtzeitbetrieb gar nicht erst eintreten.

Da die Schweiz aufgrund des fehlenden Stromabkommens mit der EU vom Market Coupling ausgeschlossen ist, muss befürchtet werden, dass die Abweichungen zwischen Prognosen und effektiven Lastflüssen weiter zunehmen werden. Mit einem Stromabkommen würde Swissgrid in den Modellen zur Lastflussberechnung und Kapazitätsvergabe der europäischen Partner berücksichtigt und hätte bessere Kenntnis über die Lastflüsse durch die Schweiz.

Swissgrid arbeitet intensiv an der Untersuchung des Vorfalls. Diese vertieften Analysen werden vermutlich mehrere Wochen in Anspruch nehmen.

31.05.19: Analyse von Gridradar

https://gridradar.net/schweiz_blackout_entgangen.html

Nach einem regnerischen Wochenende waren die Wetterbedingungen, am besonders verregneten Montag, dem 20. Mai 2019, für die Stromerzeugung durch Erneuerbare äußerst ungünstig. Es herrschte kaum Sonne und kaum Wind – für Mitte Mai. Von der in Deutschland installierten Erzeugungsleistung von knapp 220 GW waren laut ENTSO-E zwischen 06:00 Uhr und 15:00 Uhr rund 26 GW nicht verfügbar, davon 0,8 GW Wind. Gründe für die Nichtverfügbarkeiten waren u.a. Revisionen, so war unter anderem auch der größte deutsche Pumpspeicher Goldisthal zu diesem Zeitpunkt nicht verfügbar

Ausgangspunkt der kritischen Situation war, dass insbesondere die Lastflüsse aus der Schweiz nach Deutschland massiv von den Fahrplänen abwichen. Nach Veröffentlichungen der Transnet BW stieg die Divergenz ab ca. 06:45 Uhr sprunghaft an und erreichte in der Spitze zwischen 10:45 und 11:00 Uhr 1780 MW. Diese Leistung entspricht ca. 1,5 Atomkraftwerken. Über den hier betrachteten Zeitraum von 06:00 Uhr bis 15:00 Uhr liegt die Abweichung mit durchschnittlich 1145 MW knapp 75 Prozent über der mittleren Abweichung der ersten vier Mai-Wochen.

Wie die Swissgrid in ihrer Pressemitteilung berichtet, ist die Abweichung vom Fahrplan insbesondere auf den Handel zurückzuführen. In der Tat zeigt sich ein außergewöhnlich starker Preisanstieg im deutschen Day-Ahead-Handel von knapp 36 EUR/MWh auf über 63 EUR/MWh zwischen 06:00 Uhr und 08:00 Uhr. Während dieser Preisanstieg im Vorfeld bekannt war, hat v.a. der Preisanstieg im Intraday-Handel überrascht. Zwischen 06:00 Uhr und 09:30 Uhr stieg der Preis von knapp über 30 EUR/MWh auf über 79 EUR/MWh. Der Anstieg im Schweizer Intraday von 36,50 EUR/MWh auf 60 EUR/MWh (epexspot.com) war demgegenüber wesentlich schwächer. Dieser Preisvorteil im schweizer Intraday gegenüber dem deutschen Intraday könnte letztlich den starken Fluss aus der Schweiz nach Deutschland verursacht haben.

.Erkenntnisse aus der Betrachtung

Generell bleibt festzuhalten, dass ein solcher Vorfall gerade in Zeiten mit wenig Erneuerbaren-Erzeugern im System nicht (mehr) ungewöhnlich ist. In seiner Stärke – und damit verbunden in seinem potenziellen Risiko für das Gesamtsystem – ist ein solcher Vorfall allerdings schwer zu prognostizieren. Durch die Prognoseabweichung in Verbindung mit dem starken Exportfluß kam es in der Schweiz zu n-1 Verletzungen. Diese stellen eine Verletzung der Netzsicherheit dar und können zu einem Blackout führen, da dann die Netzstabilität nicht mehr gewährleistet ist. Die in letzter Zeit veröffentlichten Kurzfrist- und Langfristanalysen der Netzfrequenz und der Phasenwinkeldifferenz zwischen unseren europaweit verteilten Messstationen zeigen, dass Sondersituation und größere Abweichungen von der Normalsituation gerade dann auftreten, wenn die Erneuerbaren im System fehlen. Mit wenigen Erneuerbaren im System wirkt sich das Verhalten von Handelsakteuren offensichtlich besonders stark auf die Netzstabilität aus.

Echtzeitinformationen, wie von Gridradar bereitgestellt, können zwar kurzfristig von Netzstörungen betroffene Industrieunternehmen oder Dienstleister vorwarnen. Um solche Effekte wie dieser Beinahe-Blackout mitten im europäischen Verbundsystem allerdings generell zu verhindern, ist es dringend notwendig, das europäische Gesamtsystem wieder stärker im Blick zu haben. Kurzfristige politische Befindlichkeiten mit langfristigen Konsequenzen sollten möglichst keinen Einfluss auf die erfolgreiche länderübergreifende Kooperation der Übertragungsnetzbetreiber haben dürfen. Daher ist aus unserer Sicht dem Hinweis der Swissgrid dringend zu folgen, dass die Schweiz wieder stärker in die Lastflussberechnungen der Nachbarländer einzubeziehen ist.

Kommentar

Bereits der dritte öffentlich bekannt gewordene Vorfall im heurigen Jahr, wo Dinge aufgetreten sind, die so nicht erwartbar bzw. prognostizierbar waren (siehe auch Jänner 2019: Kritische Ereignisse und Erkenntnisse). Und wieder scheint der Stromhandel bei der Destabilisierung eine „wichtige“ Rolle gespielt zu haben. Das erinnert sehr stark an die SRF-Doku von 2017 (Tag 5: Wer ist Schuld am Blackout – Stromhändler und Staatsanwältin). Zum anderen spielt wohl auch die steigende Komplexität (keine einfachen Ursache-Wirkungsbeziehungen) eine Rolle.