Letzte Aktualisierung am 12. Juli 2020.

Erstversion 26.04.17, Update 03.09.17, Update 13.10.17, Update 12.07.20

Ich weiß nicht, wie vielen Menschen aktuell wirklich bewusst ist, wie nahe wir derzeit aufgrund der weltpolitischen Lage am Abgrund stehen. Es gibt ja einige Entwicklungen die besorgniserregend sind. Aber eine ist besonders gefährlich und wird wohl von den meisten von uns unterschätzt: Die Eskalation rund um Nordkorea und dessen Atomwaffenarsenal (siehe auch ORF-Interview bis 02.05.17). Ein systemisches Risiko. Die aktuelle Aufrüstung in Südkorea wird wohl nicht zur Entschärfung beitragen. Sollte das weiter eskalieren und es wirklich zu einem Atomschlag kommen, den heute wohl niemand mehr ausschließen kann, dann hätte das möglicherweise verheerende Folgen: Auch für uns! 

Ein Atomwaffenangriff von Nordkorea auf die USA ist wohl aufgrund der Entfernung eher unwahrscheinlich bzw. aussichtslos, da dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtzeitig abgefangen werden könnte. Ausgenommen, er wird nicht über Trägerraketen durchgeführt. Aber für einen Schlag gegen Südkorea sollte es allemal reichen. Südkorea ist mit rund 100.000 km2 etwas größer als Österreich, hat aber fast 52 Millionen Einwohner. Auf den ersten Gedanken könnte man meinen, dass wäre zwar für die Menschen dort sehr tragisch, aber zum Glück ist der Konflikt weit genug von uns entfernt. Weit gefehlt!

Denn wird eine solche Atombombe nicht über dem Boden sondern in mehreren (hundert) Kilometer Höhe gezündet, was durch die aktuelle Stationierung von Abwehrsystemen fast zu erwarten ist, würde das zur völligen Auslöschung eines Bereiches von mehreren 100 km Radius führen. Nicht der Menschen, sondern der gesamten Infrastrukturen! Und zwar durch einen Nuclear Electromagnetic Pulse (NEMP). Alle die beim Bundesheer waren, wissen wahrscheinlich noch, was das bedeutet. Für alle anderen: Sämtliche Elektronik und elektrischen Einrichtungen würden durch eine Spitzenspannung zerstört werden.

In July 1962, the US carried out the Starfish Prime test, exploding a 1.44 megaton bomb 400 kilometres above the mid-Pacific Ocean. This demonstrated that the effects of a high-altitude nuclear explosion were much larger than had been previously calculated. Starfish Prime made those effects known to the public by causing electrical damage in Hawaii, about 1,445 kilometres away from the detonation point, knocking out about 300 streetlights, setting off numerous burglar alarms and damaging a microwave link. Quelle: Wikipedia

Die heutigen Einrichtungen und vor allem die Elektronik sind sicher um ein vielfaches empfindlicher, als die Einrichtungen im Jahr 1962. Auch wenn der Radius durch eine kleinere Bombe deutlich kleiner ausfallen könnte, die Auswirkungen wären auch für uns fatal.

Zum Vergleich Einschätzungen über die Auswirkungen eines NEMP über den USA (Anmerkung: Die USA sind geografisch aufgeteilt in eine 2.500 Kilometer lange Nord-Süd-Ausdehnung und eine 4.500 Kilometer lange Ost-West-Ausdehnung. Die Nord-Süd-Ausdehnung der gesamten koreanischen Halbinsel beträgt etwa 1100 km, die Ost-West-Ausdehnung in der südlichen Hälfte etwa 300 km. ):

In Südkorea gibt es sehr viele High-Tech-Unternehmen, die die Welt mit ihren High-Tech-(Vor-)Produkten beliefern. Sollten die Anlagen auch nicht alle direkt zerstört werden, würde es in Folge wohl trotzdem zu massivsten Einschränkungen bei der weltweiten Verfügbarkeit dieser Teile kommen. Unsere Just-in-Time/-Process-Logistik würde auseinanderfallen. Man erinnere sich nur an die Auswirkungen nach Fukushima (2011) oder dem Hochwasser im Großraum Bangkok (2011). Nur diesmal wären die Auswirkungen noch verheerender. Einen Ersatz dafür wird es kaum geben, schon gar nicht in kurzer Zeit. Zudem wäre nach einem solchen Schlag nicht davon auszugehen, dass es damit dann gewesen wäre. Dieser würde wohl eine unvorstellbare Kettenreaktion auslösen.

Thailand Hochwasser 2011: Von Oktober bis Dezember 2011 wurden weltweit nur 122 Millionen Computerfestplatten ausgeliefert, etwa 50 Millionen weniger als im Quartal zuvor. Er ein Jahr später, im Oktober 2012, hatte sich die Liefersituation wieder normalisiert. Ein Viertel der Weltproduktion an Festplatten stammt aus Bangkok. Ein Krieg in Korea würde wichtige Lieferketten in der Elektronik-Industrie unterbrechen. Offline! S. 62.

Was können wir nun tun?

Kurzfristig gar nichts, außer hoffen, dass auch dieser Kelch an uns vorübergehen möge. Mittel- bis langfristig sollten wir endlich damit beginnen, unser Systemdesign zu überdenken. Die heutige Wirtschaft und Infrastruktur ist zwar hocheffizient, aber massiv verwundbar, eigentlich sogar tödlich verwundbar.

Die Thesen von Thomas Grüter (Offline! – Das unvermeidliche Ende des Internets und der Untergang der Informationsgesellschaft) sind wohl alles andere als Hirngespinste. Was auf dem ersten Blick völlig hypothetisch klingen mag, ist sehr gut argumentiert. Wir haben eine hochkomplexe Infrastruktur geschaffen, die laufend erneuert werden muss, damit sie weiter funktioniert. Die Zyklen sind sehr kurz und betragen nur wenige Jahre. Gleichzeitig führt der Preisdruck dazu, dass es immer weniger Produzenten für High-Tech-Produkte (Chips) gibt. Damit entstehen sehr hohe und gefährliche wechselseitige Abhängigkeiten. Das ganze Spiel funktioniert aber nur, so lange es ein Wachstum gibt … bricht dieses ein, könnte damit auch die Grundlage des Internets und damit unserer “Informationsgesellschaft” wegbrechen. Mit fatalen Folgen, da es bereits heute sehr hohe wechselseitige Abhängigkeiten im Infrastrukturbereich gibt.

Update 03.09.17

Im letzten Halbjahr eskalierte der Konflikt weiter und wahrscheinlich wurde  am 03.09.17 eine Wasserstoffbombe gezündet. Eine Meldung auf orf.at sollte aufhorchen lassen bzw. weiter beunruhigen, da sie genau meine Befürchtung mit einem NEMP verstärkt:

Die Bestückung einer Langstreckenrakete wie auch ein Test einer Wasserstoffbombe wären weitere große Fortschritte im Atom- und Raketenprogramm des Landes, das seit Jahren strengen internationalen Sanktionen unterworfen ist.

Bisher wurde angezweifelt, dass Nordkorea bereits über die Technologie verfügt, einen Sprengkopf so zu verkleinern, dass er auf eine Rakete passt. Auch ist schwierig, dass ein solcher Sprengkopf den Wiedereintritt der Rakete in die Erdatmosphäre übersteht. Die Explosionskraft einer Wasserstoffbombe oder H-Bombe ist um ein Vielfaches höher als bei einer herkömmlichen Atombombe.

Wenn der erfolgreiche Wiedereintritt unsicher ist, dann würde noch mehr für eine Zündung in hoher Höhe sprechen, was zum beschriebenen fatalen NEMP führen würde!

Update 13.10.17

Meine Einschätzung vom April wird nun leider auch von anderen Seiten bestätigt.

Während Nordkorea möglicherweise den nächsten Atomwaffentest vorbereitet und die Entwicklung von Raketen und atomaren Sprengköpfen vorantreibt, versucht auch Südkorea sich auf einen Krieg mit seinem nördlichen Nachbarn vorzubereiten. Entwickelt wird nach Informanten aus dem Militär eine „Blackout-Bombe“, um die Stromnetze Nordkoreas lahmzulegen.

Solche „Blackout-Bomben“ können Stromnetze ausschalten und eventuell ganze Städte oder Regionen ausknipsen, weil moderne Gesellschaften ohne Stromnetze nicht mehr funktionieren, sofern nicht wichtige Infrastruktur durch Backup-Systeme wie Generatoren gesichert sind. Die größere Bedrohung wäre allerdings eine EMP-Bombe, mit der Nordkorea bereits den USA gedroht hat. Dazu wird hoch in der Luft eine Atombombe gezündet. Der davon ausgehende elektro-magnetische Impuls kann das Stromnetz ganzer Regionen ausschalten und Schaltkreise zerstören, es würden durch den Fallout aber keine Menschen gefährdet und ähnlich wie bei einer Neutronenbombe gäbe es bis auf das Lahmlegen von Stromnetzen und Elektronik keine materiellen Zerstörungen.

Bislang haben einzig die Amerikaner einen Test mit einer nuklearen EMP-Bombe in den 1960er Jahren gemacht, seitdem ist klar und in Kongressanhörungen und Kommissionsberichten bestätigt, dass man nicht ein ganzes Land gegen einen solchen Angriff auf das gesellschaftliche Nervensystem schützen kann.

Es wurde in letzter Zeit auch das Szenario diskutiert, dass Nordkorea anstatt eines Angriffs mit konventionellen Waffen eine EMP-Bombe über Südkorea zünden könnte, um das Land oder Teile von ihm lahmzulegen. Um sich nicht selbst zu schädigen, müsste dazu der Radius klein sein. Denkbar wäre auch, dass Nordkorea zur Drohung eine EMP-Bombe über dem US-Luftwaffenstützpunkt auf Guam zündet. Allerdings ließen sich auch gezielt Mikrowellenwaffen, die einen EMP-Strahl aussenden, verwenden, um örtlich begrenzt Elektronik lahmzulegen (Schon wieder eine neue Wunderwaffe). Quelle: www.heise.de

Das Thema ist daher weit brisanter als vielen Menschen wohl bewusst ist.

Update 12.07.20 – Die russische EMP-Kanone soll eine Reichweite von bis zu 10 km haben

Quelle: www.heise.de

In vielen Ländern wird an EMP-Waffen gearbeitet, mit denen gezielt oder großflächig die nicht gehärtete Elektronik des Gegners zerstört werden kann, unbemannte Kampfflugzeuge sollen mit der russischen Kanone ausgestattet werden.

In den USA war die Angst aufgekommen, als der Konflikt mit Nordkorea eskalierte, dass eine nordkoreanische Atombombe, die in großer Höhe über dem Territorium der USA gezündet die elektrische und elektronische Infrastruktur von weiten Teilen des Landes durch einen Elektromagnetischen Impuls (EMP) lahmlegen könnte (Warnung vor einem nordkoreanischen EMP-Angriff auf die USA). Besonders für eine stark digitalisierte Gesellschaft wäre ein solcher nuklearer EMP-Angriff (NEMP) verheerend.

Zwar habe Donald Trump 2019 eine Anordnung erlassen, um die Bemühungen zur Resilienz bei einem EMP-Angriff zu koordinieren, aber es sei nichts geschehen, um das Stromnetz und andere Infrastrukturen zu sichern. Wenn mit einem EMP-Angriff die Stromversorgung ausfällt, könnte das Land ins Chaos stürzen.

Auch wenn Atomwaffen die massivsten EMP-Waffen für einen totalen Cyberwar sind, die ein ganzes Land buchstäblich ausschalten können, gibt es auch nicht-nukleare EMP-Waffen, die gezielt bestimmte Ziele wie Serverfarmen oder Computersysteme lahmlegen können. Russland will eine EMP-Kanone entwickelt haben, die einen Strahl elektromagnetischer Energie über eine Entfernung bis zu 10 km schicken können soll, um gegnerische Ziele zu zerstören.

Während man früher von einer Reichweite von 1-2 km ausging, könnte nun auch Ziele in der Luft wie Flugzeuge zerstört werden, wenn deren elektronische Systeme lahmgelegt werden. Der elektromagnetische Impuls würde nur den Bruchteil einer Sekunde dauern und das Ziel fast unmittelbar erreichen, weil er mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs sei.

Man könne damit auch Geräte auf dem Boden oder in Drohnen zerstören. Das Hauptproblem sei, dass eine EMP-Waffe viel Energie benötige, so dass es schwierig sei, eine mobile EMP-Waffe zu entwickeln. EMP-Kanonen könnten hingegen durch blitzschnelles Erhitzen Elektronik physisch zerstören. Weil sie für Piloten gefährlich sein könnten, wird daran gedacht, die EMP-Kanonen, wenn deren angebliche Existenz sich nicht nur der Propganda verdankt, in das geplante unbemannte Kampfflugzeug der sechsten Generation (MiG 21)einzubauen.