Letzte Aktualisierung am 01. November 2019.

Forstchen, William R.: One Second After – Die Welt ohne Strom. Festa Verlag, Leipzig, 2019 (ebook); Der US-Bestseller

 

Was wäre, wenn jemand vorhätte, die USA anzugreifen? Wäre es da nicht strategisch klug, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten zunächst den Schutz durch die überlegene Technologie zu rauben? Was wäre, wenn es eine Waffe gäbe, die alles Elektronische ausschalten könnte? Diese Waffe könnte bereits in den Händen der Feinde sein … John Matherson, Geschichtsprofessor und Ex-Colonel, lebt mit seiner Familie in einer friedlichen Kleinstadt in den Bergen North Carolinas. Doch die Idylle findet ein jähes Ende, als ein elektromagnetischer Puls (EMP) die kompletten Vereinigten Staaten lahmlegt.

Die reale Bedrohung/Hintergrundgeschichte zum Buch.

Alle elektronischen Geräte Autos, Computer, Radios, Flugzeuge funktionieren von einer Sekunde auf die andere nicht mehr. Die Gesellschaft bricht erschreckend schnell zusammen, und John muss sich eine entscheidende Frage stellen: Wie weit würdest du gehen, um deine Familie und deine Heimat zu schützen? Dieser Roman ist eine Warnung. Eine Warnung vor einer Gefahr, die schon morgen Realität sein könnte: Einem Angriff mit einer EMP-Waffe. Der elektromagnetische Impuls kann in einer Sekunde jede Form von Elektronik außer Gefecht setzen – und die Zivilisation, wie wir sie kennen, komplett ausradieren…

Eines Tages, kurz vor dem Frühlingsbeginn eine Atombombe außerhalb der Erdatmosphäre gezündet und alles bricht zusammen! John erkennt als Ex Marine ziemlich schnell, dass es sich um einen EMP-Angriff handelt und auch als erster sehr schnell, was für katastrophale Ausmaße dieser totale Technikausfall nach sich ziehen wird! Die Pumpen für die Wasserversorgung funktionieren nicht mehr, es gibt keine Lebensmittel- und Arzneilieferungen, denn bis auf ein paar alte Autos aus den siebziger Jahren gibt es keine Transportmöglichkeiten. Die komplette US Regierung und die Infrastruktur sind zusammengebrochen. Doch darüber kann man eigentlich nur Vermutungen anstellen, denn natürlich gibt es auch keine Kommunikationsmöglichkeiten.

Innerhalb von ein paar Tagen gibt es Plünderungen der Lebensmittelgeschäfte und Apotheken, nach bereits 2 Wochen gibt es nichts mehr zu essen und man muss anfangen auf die Jagd zu gehen. In den Krankenhäusern und Pflegeheimen sterben die Patienten, die auf Beatmungsgeräte und lebenswichtige Medikamente angewiesen sind wie die Fliegen. Regelrechte Seuchen brechen aus, denn man kann der Leichen kaum Herr werden und es gibt kein Pflegepersonal mehr, dass sich um die Patienten und pflegebedürftigen alten Menschen kümmert. Kleinste Schnittverletzungen werden zu tödlichen Bedrohungen, denn für infizierte Wunden gibt es keine Antibiotika mehr und auf den Feldern ist die Ernte noch lange nicht reif.

Ich habe schon viele Endzeitgeschichten gelesen, aber dieses Buch hat mich förmlich umgehauen. Es war so unfassbar großartig, kaum in Worte zu fassen! Eines der besten Endzeitbücher, die ich je gelesen habe. Der Autor hat sich wirklich extrem mit diesem Thema befasst und sich um jedes Details Gedanken gemacht! Fazit: Für hardcore Endzeitfans ein absolutes Muss, für Endzeitneulinge aber vielleicht eine Nummer zu viel.

Quelle: www.literaturzeitschrift.de, KATHRIN KOCH

 

Dieses Buch wurde mir von Dennis Meadows empfohlen. Das Thema EMP ist mir als Offizier natürlich geläufig und ich selbst habe vor einem Jahr davor gewarnt, als die Eskalation mit Nordkorea am Höhepunkt angekommen war. Auch ich erntete natürlich Unverständnis. Das Szenario ist alles andere als unmöglich. Aber dann sind wir wirklich auf dem Weg in die Endzeit. Was viele nicht wissen ist, dass es nicht nur um einen nuklearen EMP (NEMP) geht, sondern dass auch sehr intensiv an EMP-Waffensystemen geforscht wird, die viel einfacher und rascher zum Einsatz kommen könnten. Wahrscheinlich mit einer deutlich geringeren Zerstörungsradius. Aber auch das kann bereits in unserer hoch vernetzten Welt ausreichen, um folgenschwere Entwicklungen auszulösen. Es reicht wohl, wenn wichtige Knotenpunkte oder ganze Städte mit einem Schlag irreversible ausgeknipst werden. Aber das geht wohl vielen Menschen zu weit.

Ich möchte hier dennoch einige Auszüge aus dem Buch bringen, die auch bereits bei einem „normalen“ Blackout relevant werden. Vielleicht nicht in der Geschwindigkeit und Heftigkeit, wie nach einem EMP. Aber sie sollten uns um so mehr motivieren, nicht unvorbereitet in eine Blackout-Situation hineinzugehen. Das Wichtigste, was ich aus diesem Buch mitnehme ist, dass wir noch viel stärker darauf achten müssen, dass nach einem Blackout in den Gemeinden möglichst rasch eine Struktur geschaffen wird und die Verhinderung von Plünderungen und die Zerstörung von Lebensmittelgeschäften noch viel stärker thematisiert werden muss. Wenn das nicht vorgedacht und vorbereitet wird, ist es in der Situation zu spät! Zum anderen muss der Gesundheitssektor noch viel stärker mobilisiert werden. Denn die beschriebenen Zustände am 4. Tag im Pflegeheim sind alles andere als abwegig. Es liegt daher einmal mehr an uns, wie hart wir getroffen werden können!

Einige Auszüge aus dem Buch

»Unsere Geräte werden also immer empfindlicher und dadurch auch immer anfälliger, sogar für geringe elektrische Überspannungen. Jemand könnte also eine Atombombe, die für einen maximalen EMP kalibriert ist, außerhalb der Atmosphäre zünden, und alles, was innerhalb der Sichtlinie vom Weltraum aus liegt, brennt durch, selbst wenn es 1000 Kilometer entfernt ist. Und nicht nur das: Alles, was an unser Stromnetz angeschlossen ist, brennt ebenfalls durch. Stromleitungen wirken auf EM-Impulsenergie wie riesige Antennen. Sie leiten sie direkt in unsere Häuser und durch die Steckdosen in jedes Gerät, das angeschlossen ist.« »Was ist mit einem Überspannungsschutz? Ich habe gerade einen für meinen neuen Fernseher gekauft. Er hat 100 Dollar gekostet.« Er schüttelte den Kopf. »Solche Schutzgeräte nützen nichts gegen einen EMP«, warf Charlie ein und John sah ihn erstaunt an. (…) Es scheint, als ob sich dieser EMP wesentlich schneller als normale Überspannungsschläge, wie zum Beispiel Gewitterblitze, bewegt. Aber die Geschwindigkeit der Bewegung ist nicht schneller, sondern die Geschwindigkeit des Einschlags ist drei- bis viermal schneller als ein Blitzschlag in die Stromleitung. Das ist so schnell, dass der Überspannungsschutz keine Zeit hat, sich einzuschalten, und peng!, das ganze System ist gegrillt. Darum ist es auch so gefährlich: Es verbrutzelt die gesamte Elektronik, bevor die eingebauten Schutzmechanismen reagieren können.«

Tag 2: Alle wurden allmählich nervös. John begriff, dass sie seit 15 Stunden auf »Anweisungen von oben« gewartet hatten. Allmählich dämmerte ihnen, dass es »oben« vielleicht nicht mehr gab. »Wasser ist das Wichtigste«, meinte Kate. »Sobald der Tank oben auf dem Hügel leer ist, werden die Leitungen allmählich trocken. Wir werden keine Möglichkeit haben, den Tank wieder vollzupumpen. Der größte Teil der Stadt wird innerhalb eines Tages auf dem Trockenen sitzen.« »Wenigstens damit haben wir Glück«, sagte Charlie. »Unser Wasser kommt vom Reservoir, da dient uns die Schwerkraft als Pumpe. Der Staudamm liegt 762 Meter über dem Meeresspiegel, also werden wir zumindest hier in der Stadt versorgt sein. Aber alle, die weiter oben wohnen, haben das Nachsehen.«

Er zog am Türgriff zur Apotheke. Die Tür ging auf. Drinnen herrschte Wahnsinn pur. Eine gequälte Verkäuferin stand hinter der Kasse und rief: »Bitte, meine Herrschaften, wir akzeptieren nur Bargeld. Es tut mir leid, keine Schecks …« John ging an ihr vorbei zum hinteren Teil des Ladens, wo die Theke für verschreibungspflichtige Medikamente stand. Eine der Angestellten, Rachel, war die Tochter der Apothekerin und eine Freundin von Elizabeth. Einer der Menschen in der Schlange, ein etwas korpulenter Mann Anfang 40 in einem billigen Anzug, den Kragen offen und die Krawatte gelockert, stand an der Theke. »Hören Sie gefälligst zu!«, schrie er Rachel an. »Ich will das Rezept einlösen! Sofort, verdammt noch mal!« »Sir, ich versuche Ihnen die ganze Zeit klarzumachen, dass wir Sie nicht kennen. Wir haben keine Angaben über Sie, und das, was Sie haben wollen, fällt unter das Betäubungsmittelgesetz.« »Ich bin nicht von hier, verdammt noch mal. Kapiert ihr Bauerntölpel das nicht? Jetzt hör mir zu, du Miststück, ich will das Medikament haben!« John suchte Augenkontakt mit Liz, der Apothekerin. Sie war Anfang 30 und die seiner Meinung nach attraktivste Apothekerin, die ihm je unter die Augen gekommen war. Sie war außerdem mit einem ehemaligen Elitesoldaten verheiratet. Leider war ihr Mann nicht zugegen, und mit ihren knapp 1,57 Meter und einem Körpergewicht von 45 Kilo war sie dem Kunden weit unterlegen. Liz sah John flehend an. Er verstand und sah sich nach etwas Brauchbarem um, aber in unmittelbarer Nähe war lediglich ein Buch- und Zeitschriftenständer. Doch der Getränkekühlschrank stand nur sieben Meter weiter. Rückwärts schob er sich darauf zu. Noch war der Kühlschrank relativ voll und er griff sich eine Literflasche Coors-Bier. Makala sah ihn angeekelt an, weil sie nicht verstand, was er vorhatte. Liz trat zur Theke, um sich mit dem streitsüchtigen Kunden zu befassen. Beruhigend streckte sie die Hand aus. »Hören Sie mir zu, verdammt. Oxycontin, kapiert? Geben Sie mir 30 Stück davon. Sie können meinen Arzt anrufen, sobald der Strom wieder da ist, er wird das Rezept bestätigen.« »Sir, bitte verlassen Sie dieses Geschäft.« »Mir reicht es jetzt! Aus dem Weg, ihr Schlampen!« Er machte Anstalten, über die Theke zu klettern, und Liz wich zurück. John stand plötzlich neben ihm und schlug zu. Die Flasche zerbrach auf seinem Kopf.

Tag 4: Jen war am Tag nach dem Stromausfall dorthin gefahren, um nach ihm zu sehen, und hatte berichtet, dass alles zwar ziemlich chaotisch gewesen sei, dass es Tyler aber gut gehe. Jetzt saß sie während der Fahrt still und angespannt neben ihm.

Als er auf den Parkplatz des Pflegeheims einbog, merkte John sofort, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Drei Menschen irrten draußen herum. Er sah sofort, dass es Patienten waren, die da ziellos herumschlurften. Einer war nackt. »Mein Gott, was geht hier vor?«, keuchte Jen. John ging auf einen der verwirrten Menschen zu – eine Frau, die ihm am nächsten stand. Er wollte sie wieder ins Gebäude bringen, aber Jen rief ihm zu, ihr zu folgen. In dem Moment, in dem er die Tür öffnete, wusste er, dass hier etwas Schreckliches geschehen war. Der Gestank war überwältigend; so schlimm, dass er würgte, rückwärts nach draußen stolperte und nach Luft rang. Jen war wesentlich härter im Nehmen als er und blieb in der Tür stehen. »Atme ein paarmal tief durch. Ich bin in Tylers Zimmer.« John wartete einen Augenblick und war versucht, sich eine Zigarette anzuzünden. Er hielt sich jedoch zurück, denn er hatte in den letzten zwei Tagen schon fünf Päckchen aufgeraucht. Damit blieben ihm noch sechs Päckchen und zwei Stangen. Er fing schon an, die Zigaretten einzeln zu zählen. Er nahm einen weiteren tiefen Atemzug, wappnete sich und ging wieder hinein. Erneut schlug ihm der Gestank entgegen: Urin, Fäkalien, Erbrochenes. Er keuchte und übergab sich fast, kämpfte aber dagegen an. Der Korridor, der noch vor einer Woche hell erleuchtet und blitzsauber gewesen war, lag nun im Dunkeln. Ein großer, fahrbarer Wäschekorb, der in einer Nische parkte, war die Quelle des schlimmsten Gestanks. Er lief schnell daran vorbei, bog um die Ecke und erreichte die Schwesternstation des Westflügels. Eine Frau saß hinter der Theke und sah müde zu ihm auf. Sie trug einen Kittel, der mit einem Bild von Puh dem Bären bedruckt und vollkommen verdreckt war. Er las ihr Namensschild, Caroline, und konnte sich vage erinnern, dass sie normalerweise zur Nachtschicht gehörte. Er wollte einfach weitergehen, sah aber, dass sie völlig erschöpft war. »Wie geht’s Ihnen, Caroline?« »Ganz gut so weit«, gab sie automatisch und hölzern zur Antwort. Er sah den Gang entlang. Der Gestank war so intensiv, dass er meinte, er müsse eigentlich als Nebel sichtbar sein. »Was zum Teufel ist hier los?«, fragte er. »Was meinen Sie?« Sie stand unter Schock, wie er jetzt erkannte. Das arme Mädchen war wie betäubt, die Augen leer. »Wann haben Sie zuletzt geschlafen?« Sie sah auf die Uhr. Sie war um 4:50 Uhr stehen geblieben. Schwache Rufe hallten durch den Gang: »Hilfe, helft mir, helft mir …« »Ein paar Stunden gestern Nacht, glaube ich.« »Sind noch andere Kolleginnen oder Kollegen von Ihnen hier?« »Janice ist drüben im anderen Flügel. Ich glaube, Waldo ist auch noch da.« »Und das sind alle?« Sie nickte »Ich bin gleich wieder da.« Er riss sich zusammen und ging weiter den Gang hinunter. Alle Außentüren standen offen, aber es gab nicht die kleinste Brise und die Hitze war fast zum Ersticken. Es war eines jener Gebäude mit computergesteuerter Klimaanlage; entworfen, um zu jeder Jahreszeit mit der perfekten Innentemperatur für Komfort zu sorgen. Die kleinen Fenster der einzelnen Zimmer ließen sich nur einen winzigen Spalt kippen, und nun war die Temperatur drinnen vielleicht sogar höher als draußen. Im ersten Zimmer, in das er hineinsah, lag eine ältere Frau. Er erinnerte sich an sie, eine Alzheimer-Patientin. Sie wiegte sich hin und her, die Laken zerknüllt am Boden, und lag in ihren eigenen Fäkalien. Das nächste Zimmer: zwei ältere Männer, einer in einem motorisierten Rollstuhl, der sich nicht mehr bewegte, der andere auf einem Bett, die Decken waren von Urin durchtränkt. Er bemühte sich, nicht in die anderen Zimmer zu sehen, als er weiter durch den Gang lief. Eine weinende, ältere Frau saß nackt und halb zusammengerollt da; ein ekliger Gestank aus dem nächsten Zimmer. Er wagte einen Blick hinein … die Leiche eines aufgedunsenen Mannes, die Gesichtshaut bereits vergilbt von beginnender Verwesung, die Bettwäsche von seinem Todeskampf zerknüllt auf dem Boden, sein Zimmergenosse auf einem Stuhl sitzend und apathisch aus dem Fenster starrend. John erreichte Tylers Zimmer. Jen stand weinend in der Tür. »Wir müssen ihn nach Hause bringen«, sagte sie. Einen Augenblick lang dachte John, Tyler sei tot. Sein Kopf war weit zurückgeneigt, das Gesicht unrasiert. Die intravenöse Kanüle steckte immer noch in seinem Arm. Der Tropf war leer. Der Schlauch zu seinem Magen, der durch eine elektrische Pumpe betrieben wurde, war ebenfalls leer. Er war halb bewusstlos und murmelte zusammenhanglos vor sich hin. Der Geruch von Fäkalien hing in der Luft

»Wie in Gottes Namen konnten Sie das hier alles geschehen lassen?« Sie sah zu ihm auf und brach in Tränen aus. »Niemand ist zur Arbeit erschienen. Ich bin hier seit … seit dem Stromausfall. Wallace und Kimberly … die sind gestern Abend abgehauen. Sie sagten, sie müssten es irgendwie nach Hause schaffen, um nach ihren Kindern zu sehen, und dann würden sie zurückkommen, aber bis jetzt sind sie immer noch weg. Ich habe auch ein Kind zu Hause. Eine Tochter. Ihr Vater ist ein Nichtsnutz, er ist mit einer anderen Frau zusammen. Ich habe Angst, dass er nicht nach ihr gesehen hat und sie ganz allein ist.«

»Wann wurden diese Menschen das letzte Mal gewaschen? Wann haben sie zuletzt Essen und Wasser bekommen?« »Ich weiß nicht.« »Denken Sie nach, verdammt noch mal!« »Ich glaube, vor zwei Tagen. Dann brach alles einfach zusammen. Mr. Yarborough starb, dann Mrs. Emily, dann Mr. Cohen. Niemand ist gekommen, um die Leichen wegzubringen. Normalerweise ist der Leichenwagen vom Bestattungsunternehmen in einer halben Stunde hier. Ich glaube, ich habe angerufen, aber sie haben sich bis jetzt nicht blicken lassen. Mrs. Johnston in Zimmer 23 ist gestürzt – ich glaube, sie hat sich die Hüfte gebrochen – und Mr. Brunelli … ich glaube, er hat wieder einen Herzanfall erlitten.

»Caroline, Sie müssen sich Hilfe besorgen.« »Ich weiß nicht, wie. Ich bin nur einfache Krankenschwester. Ich bin nicht für so was hier ausgebildet worden, Sir.« Sie fing wieder an zu schluchzen. »Wo ist die Teamleiterin?« »In ihrem Büro, glaube ich.« Er nickte, verließ Caroline und ging zum gegenüberliegenden Flügel. Er bog in den Verwaltungsgang und fand die Bürotür geschlossen. Ohne anzuklopfen stieß er sie auf. Die Frau am Schreibtisch schlief fest, den Kopf auf die Schreibtischplatte gelegt. »Ira, wachen Sie auf«, sagte John scharf. Sie hob den Kopf. »Professor Matherson?« »Ja, genau.« Sie rieb sich die Augen und setzte sich aufrecht. »Ich kann mir vorstellen, dass Sie irritiert sind.« »Das Wort ›irritiert‹ beschreibt es nicht annähernd. Es ist eine Ungeheuerlichkeit!« Sie nickte stumm. »Ich weiß. Ich habe vier Mitarbeiter im Gebäude, vielleicht nur drei; denn ich glaube, Kimberly ist gegangen. Ich habe den letzten Küchengehilfen in die Stadt geschickt, um Hilfe zu holen, aber das war vor Stunden, und niemand ist gekommen. Kein Wasser, keine Klimaanlage, keine Kühlung für Lebensmittel und Medikamente …«

Sie verstummte und sah auf die Checkliste auf ihrem Schreibtisch hinunter. Die Frau war offensichtlich am Rande des Nervenzusammenbruchs und versuchte, sich in eine Standardroutine zu flüchten. »Auf meinem letzten Rundgang habe ich 17 Tote gezählt. Sechs Familien haben ihre Angehörigen weggebracht … Wollen mal sehen, demnach haben wir noch 40 Patienten, und drei vom Stab, die bereits Überstunden machen. Normalerweise habe ich hier tagsüber 30 Leute im Dienst.« Mein Gott, dachte John, eigentlich müsste man meinen, dass alle ihre Angehörigen längst hier herausgeholt hätten. Dann wurden ihm die damit verbundenen Schwierigkeiten bewusst. Manche Patienten hatten überhaupt keine Verwandten in der Nähe. Ein Ehepaar zog sich für den Ruhestand hier in die Stadt zurück, der Ehemann starb, die Frau landete hier im Heim, die Kinder lebten woanders: New York, Kalifornien, Chicago … So war es eben in Amerika. Sogar für Angehörige, die nur zehn oder 15 Kilometer vom Pflegeheim entfernt wohnten, war es schwierig. Wie sollte man jetzt einen Kranken, einen Alzheimerpatienten oder einen sterbenden Eltern- oder Großelternteil abtransportieren? Und sie dachten oder sie redeten sich ein: Opa ist da oben gut aufgehoben; wir bezahlen schließlich 5000 Dollar im Monat dafür.« »Aber Sie müssen etwas tun«, protestierte John schwach. »Dann sagen Sie mir bitte, was ich als Erstes unternehmen soll«, sagte sie leise. »Habe ich Ihnen schon gesagt, dass wir gestern Nacht ausgeraubt wurden?« »Wie bitte?« »Ein paar Halbstarke. Einer hatte eine Pistole und forderte Drogen. Sie haben alle Schmerzmittel, alle Pillen und das ganze Morphium mitgenommen.«

Tag 10: Er wünschte nur, dass Charlie schneller gehandelt oder er selbst daran gedacht und ihn dazu gedrängt hätte, vom ersten Tag an die Kontrolle über alle Lebensmittel in der Stadt zu übernehmen. Hätten sie das getan und die Nahrung vernünftig eingeteilt, hätte der Vorrat bei halben Rationen vielleicht zwei Monate gereicht. Jetzt war es dafür zu spät.

Wir werden hoffentlich nicht bis zum Tag 10 Komplettausfall kommen. Aber es sei hier einmal mehr an die drei Phasen eines Blackouts erinnert:

Drei Phasen eines Blackouts

Auch in der Phase 2 funktioniert so gut wie nichts. Und da werden wir mit Sicherheit in einigen Regionen Europas die 10 Tage überschreiten!

Wir sind verwöhnter als jede andere Generation vor uns. Wir haben vergessen, wie abhängig wir davon sind, dass der Strom fließt; dass die Knöpfe reagieren, wenn wir sie drücken. Wenn wir nur eine funktionierende Kommunikation hätten!

»In der Vergangenheit war jede Katastrophe örtlich begrenzt oder schlimmstenfalls regional. Die Orkane im Jahr 2004 haben uns hier ziemlich übel mitgespielt. Die meisten Nachrichtenreportagen konzentrierten sich auf Florida, aber wir hatten hier einige der schlimmsten Stürme; uns haben nur wenige Tage hintereinander zwei Orkane getroffen. Trotzdem wussten wir die ganze Zeit, dass Hilfe unterwegs war. Die Männer, die nach vier Tagen meine Stromleitungen repariert haben, waren Teil eines Teams aus Birmingham in Alabama. Der Tanklaster, der uns Tausende Liter Wasser brachte, kam aus Charlotte, und die ganze Zeit gab es immer noch ein paar batteriebetriebene Radios.

Wenn alle darüber unterrichtet worden wären, so wie in den 40er- und 50er-Jahren, als die Zivilverteidigung zum Lehrplan jeder Schule gehörte; wenn die Bevölkerung schon lange vor dem Tag eins mit den einfachen, praktischen Schritten vertraut gewesen wäre, die als Erstes zu tun waren, dann wäre Charlie bereits für die Folgen eines EMP-Angriffs trainiert gewesen und hätte seine Truppen schnell aufstellen können … und wenn sie zumindest einige kleine Vorräte eingelagert hätten, so wie die Bewohner der bekannten Tornado- oder Orkangebiete es routinemäßig taten ‒ wären sie dann heute so hilflos gewesen?

Das Verbrechen, das eigentliche Verbrechen, war von denjenigen begangen worden, die das Ausmaß der Bedrohung gekannt und dennoch nichts dagegen unternommen, noch nicht einmal Vorbereitungen getroffen hatten. Verbittert fragte er sich, ob die Schuldigen nun genauso litten wie die restliche Bevölkerung, oder ob sie sicher in den Regierungsbunkern saßen, in denen Nahrungsmittel, Wasser und Medikamentenvorräte auf sie warteten, die für viele Jahre reichen würden … und ihre Familien? Der Gedanke daran erfüllte ihn mit Zorn.

Noch einmal erwiesen sich hier die Erinnerungen an das Leben am Rand der Wildnis in den Bergen, wo man sich angeblich einfach eine Flinte schnappen und ein paar Stunden spazieren gehen musste, um dann 100 Pfund Fleisch oder mehr heimzuschleppen, als falsch. Wenn Tausende dieselbe Idee hatten und die Jagdsaison 365 Tage im Jahr dauerte, verschwand das Wild sogar in einem Gebiet von 800 Quadratkilometern fast spurlos.

Es gab also Nahrungsmittel, aber ihre Haltbarkeit im Verhältnis zu der Zeitspanne, in der die Menschen sich davon ernähren mussten, war zu gering, und das Sterben ging weiter.

Das Ganze hat uns um 150 Jahre zurückgeworfen.« »Nein, nicht nur 150 Jahre«, seufzte John. »Eher 500. Die Menschen, die 1860 gelebt haben, konnten in ihrer Zeit überleben. Sie hatten eine entsprechende Infrastruktur. Wir nicht. Es genügte, uns die Lichter auszuknipsen, das Wasser zu den Toilettenspülungen abzustellen, die Apotheken zu leeren und die Fernseher abzuschalten, sodass uns niemand mehr sagt, was wir tun sollen.« Er schüttelte den Kopf. »Wir waren wie die Schafe, bereit für die Schlachtbank.«

Tag 63: Amerika, die Kornkammer der Welt, das Land, das problemlos eine Milliarde Menschen ernähren konnte, verhungerte nun. Die beiden Radiokanäle der ›Stimme Amerikas‹ berichteten täglich über die ersten Feldfrüchte, die jetzt im südlichen Teil des Mittleren Westens geerntet wurden, und über den Viehtrieb aus dem Westen. Das alles hörte sich für John genauso an wie die alten sowjetischen und chinesischen Radiosendungen während des Kalten Krieges, in denen täglich mit großen Fortschritten geprahlt wurde, während die Menschen im Elend lebten und buchstäblich verhungerten. Die Nahrung war vorhanden, aber sie würde niemals hier eintreffen; jetzt nicht mehr. Das bedeutete, dass mehr als 20 Prozent der Bürger bereits tot waren und über die Hälfte binnen 30 Tagen gestorben sein würden, während Millionen Tonnen von Nahrungsmitteln verrotteten, weil es immer noch keine Möglichkeit gab, das Nötigste dorthin zu bringen, wo es am dringendsten gebraucht wurde. Die Medikamente. Ja, auch sie waren vorhanden – irgendwo. Vielleicht sogar riesige Vorräte, irgendwo in Übersee; aber die Fabriken, die sie herstellten, lagen in den Städten, und die Städte hatten keinen Strom, höchstens vielleicht hie und da einige vereinzelte Orte. Die Leute, die in den Fabriken gearbeitet hatten, versteckten sich irgendwo oder waren nun Flüchtlinge – vielleicht gehörten sie sogar zu den Menschen, die jetzt tot an der Barriere lagen. Und selbst wenn eine Fabrik plötzlich wieder Strom hätte ‒ Insulin wurde aus genetisch veränderten Bakterien in Laboratorien erzeugt. Aber die Laboratorien, vielleicht in New York oder Arizona, waren gut 1600 Kilometer entfernt. Und die Fläschchen, in die es eingefüllt wurde? Die wurden vielleicht in Mexiko hergestellt und mit Lastwagen in die Tausende Kilometer entfernten Fabriken transportiert … und dann, wenn sie in den Fabriken mit Insulin gefüllt worden waren, wurden die Fläschchen wieder in klimatisierte Lastwagen geladen, zu den Flughäfen gebracht und in Spezialbehälter, die vielleicht in Mississippi fabriziert worden waren, verpackt, bevor man sie weiterleitete. Und so ging es immer weiter.

Tag 365: »Wie viele haben hier überlebt?« »Ungefähr 20 Prozent; vielleicht etwas weniger, wenn wir auch diejenigen mitzählen, die erst nach dem Ereignis hier eingewandert sind.« Wright schüttelte den Kopf. »Ist das ein schlechter Prozentsatz?«, fragte John nervös und fragte sich nun, ob er vielleicht versagt hatte. »Ein schlechter Prozentsatz? Jesus Christus, das ist unglaublich. In manchen Orten im Mittleren Westen mit viel Ackerland und wenig Bevölkerung überlebten mehr als die Hälfte; aber an der Ostküste?« Er seufzte. »Hier im Osten ist es die reinste Wüste. Den Einschätzungen zufolge sind allerhöchstens zehn Prozent noch am Leben. Sie haben uns zum schlimmstmöglichen Zeitpunkt erwischt: im Vorfrühling. Die Nahrungsmittel gingen aus, bevor die Ernte eingebracht werden konnte, und auf vielen Feldern im Norden war noch nicht einmal ausgesät worden.« Er sah in die Ferne. »Man sagt, dass heute in New York nur noch höchstens 25.000 Menschen am Leben sind, und das sind entweder Wilde oder Leute, die sich versteckt halten und von Abfällen leben. Eine thermonukleare Bombe wäre menschenfreundlicher gewesen.

Hintergrundinformationen zum (N)EMP

Zusätzlich produziert eine Atomexplosion in großer Höhe einen relativ langsamen, magnetodynamischen EMP, dessen Auswirkungen denen eines durch atmosphärische Störungen verursachten elektromagnetischen Sonnensturmes ähneln. Dabei wird Strom von niedriger Frequenz unter die Erde und in die Überland-Hochspannungsleitungen geleitet. Die durch einen EMP in sämtlichen elektrischen und elektronischen Geräten verursachten Schäden wurden wurden sowohl durch mehrere Atomtests als auch durch EMP-Simulationen bewiesen.

Der menschliche Körper kann diesen intensiven und unsichtbaren Energieimpuls nicht spüren und wird durch ihn auch nicht geschädigt. Ein EMP verursacht sowohl schnellere, schädlichere Stromschwankungen als auch viel weiter reichende Zerstörungen elektrischer und elektronischer Systeme als ein Blitzschlag. Die Zündung einer entsprechend konzipierten Atomwaffe über dem Bundesstaat Kansas könnte in nahezu den gesamten Vereinigten Staaten Schäden anrichten. Unsere überaus technologisch orientierte Gesellschaft könnte durch das Versagen unserer vom Stromnetz abhängigen Infrastrukturen komplett zusammenbrechen. Durch unsere immer größer werdende Abhängigkeit von elektronischen Geräten und deren ständig zunehmende Benutzung wird unsere diesbezügliche Verwundbarkeit mit jedem Tag größer.

Siehe auch den Beitrag Wie nahe am Abgrund stehen wir gerade?