Letzte Aktualisierung am 03. April 2017.

Artikel fĂŒr Crisis Prevention – Heft 01/2017, S44-47

Ein Blackout – ein plötzlicher, ĂŒberregionaler und lĂ€nger andauernder Strom- und Infrastrukturausfall – ist kein gewöhnlicher Stromausfall, den schon viele von uns erlebt haben. Bei diesem Szenario ist ein zeitgleicher Ausfall der Stromversorgung in weiten Teilen Europas zu erwarten. Dieser passiert innerhalb weniger Sekunden und ohne jegliche Vorwarnung. Die vollstĂ€ndige Wiederherstellung der Stromversorgung wird viele Stunden wenn nicht sogar Tage dauern. Aber nicht nur das. Mit diesem Stromausfall fallen zeitnah so gut wie alle anderen lebenswichtigen und stromabhĂ€ngigen Infrastrukturen (Kommunikation, Treibstoffversorgung, Logistik, Geldsystem, Lebensmittelversorgung, etc.) aus bzw. stehen nur mehr mit einer eingeschrĂ€nkten FunktionalitĂ€t zur VerfĂŒgung (z. B. Gesundheitsversorgung, Wasserver- und Abwasserentsorgung). Ein derart weitreichendes Ereignis können wir uns kaum vorstellen, da wir so etwas noch nicht erlebt haben, aber: WĂ€ren wir auf ein solches Ereignis vorbereitet?

Die europĂ€ische Stromversorgung zĂ€hlt zu den verlĂ€sslichsten der Welt. Dennoch steigt seit Jahren, von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet, die Wahrscheinlichkeit fĂŒr ein derartiges Ereignis. DafĂŒr gibt es unterschiedliche GrĂŒnde. Ein Blackout wird selten durch ein Einzelereignis ausgelöst. Internationale Erfahrungen zeigen, dass es meist zu einer Verkettung von an und fĂŒr sich beherrschbaren Einzelereignissen kommt. ZusĂ€tzlich haben in den vergangenen Jahren Extremwetterereignisse (Schnee, Eis, Hochwasser, Hitze) zugenommen und zum Teil zu betrĂ€chtlichen regionalen Strom- und InfrastrukturausfĂ€llen – wie etwa 2014 in Slowenien – gefĂŒhrt. Daher macht es Sinn, sich mit diesem möglichen strategischen Schockereignis auseinanderzusetzen.

Auswirkungen

Wenn kein Licht, kein Handy, kein Internet, keine (Gas-, FernwĂ€rme-, Öl-, Zentral-)Heizung, kein Bankomat, keine Tankstelle, keine Ampeln, keine Kassa und auch keine (Straßen)Bahnen mehr funktioniert. Wenn AufzĂŒge einfach steckenbleiben, oder sogar das Wasser aufhört zu rinnen und damit auch keine ToilettenspĂŒlungen mehr funktionieren. Wenn die Menschen nicht mehr kochen können, dann ist etwas eingetreten, was viele von uns fĂŒr unmöglich halten: Unser tĂ€gliches Leben ist völlig von der Stromversorgung abhĂ€ngig, ohne das uns das Bewusst ist. Besonders hoch ist diese AbhĂ€ngigkeit in dicht verbauten Gebieten. Und nicht nur das, auch die organisierte Hilfe ist nur mehr schwer erreichbar bzw. nur mehr eingeschrĂ€nkt handlungsfĂ€hig. SpitĂ€ler haben zwar eine Notstromversorgung, aber nicht fĂŒr alle Bereiche und sie haben zusĂ€tzlich viele externe AbhĂ€ngigkeiten (Wasser, Versorgung, Medizinbedarf, MĂŒll, etc.). Ganz abgesehen von der erforderlichen Personalablöse. So Ă€hnlich sieht es auch in vielen anderen Bereichen aus. Wir rechnen einfach nicht mit dem Ausfall unserer gewohnten Versorgungsinfrastrukturen, daher fehlt uns hĂ€ufig ein Plan B, um mit einem solchen möglichen Ereignis umgehen zu können.

UnterschÀtzte Folgewirkungen

Auch wenn nach Stunden die Stromversorgung wieder funktionieren sollte, wird es noch erheblich lĂ€nger dauern, bis sich wieder eine NormalitĂ€t einstellt. Besonders unsere hoch synchronisierten VersorgungsablĂ€ufe und damit die Versorgung der Bevölkerung werden darunter leiden. Die Sicherstellung des gewohnten Umfangs bei der Lebensmittelversorgung wird Tage, Wochen und in Teilen sogar Monate erfordern. Man denke hier nur an sehr wahrscheinliche MassenausfĂ€lle in der Tierzucht/industrielle Massentierhaltung. Auch in anderen lebenswichtigen Infrastrukturbereichen und in der Wirtschaft sind enorme SchĂ€den und Herausforderungen zu erwarten, da uns fĂŒr ein solches Ereignis hĂ€ufig die RĂŒckfallebenen fehlen.

Behörden- und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS)

Die Behörden- und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) sind unermĂŒdlich tagtĂ€glich im Einsatz, um der Bevölkerung ein möglichst sorgenfreies Leben zu ermöglichen. Die Zeitspanne vom Eintritt eines Notfalls bis zum Eintreffen der organisierten, professionellen Hilfe ist im internationalen Vergleich spitze.

Auch bei grĂ¶ĂŸeren Schadenslagen kann man sich auf die Notfall- und Krisenstrukturen sowie auf die Einsatzorganisationen verlassen. Dennoch kann es Ereignisse geben, wo diese gewohnte sehr hohe Versorgungssicherheit nicht aufrechterhalten werden kann. Etwa bei einem Blackout, wo die Möglichkeiten der organisierten Hilfe durch den Umfang der Betroffenheit einfach ĂŒberfordert werden. Zum anderen sind auch die Einsatzorganisationen und ihre Familien selbst von einem solchen Ereignis betroffen. Eine Hilfe von „außerhalb“, wie sie etwa nach dem verheerenden Eisregen in Slowenien Anfang 2014 möglich war, ist nicht bzw. nur sehr eingeschrĂ€nkt zu erwarten.

Die Feuerwehren – die primĂ€ren Katastrophenhelfer

Wenn nichts mehr geht, dann wird die Feuerwehr oder in Deutschland auch das Technische Hilfswerk (THW) gerufen. Diese werden daher auch im Falle eines Blackouts vor enormen Herausforderungen gestellt, insbesondere, wenn im Vorfeld keine umfassenden Überlegungen angestellt bzw. Maßnahmen getroffen wurden, die deutlich ĂŒber das AlltagsgeschĂ€ft hinausgehen. Besonders wichtig ist dabei die eigene individuelle Vorbereitung in der Familie, damit man ĂŒberhaupt genĂŒgend Ressourcen frei hat, um anderen helfen zu können. Ohne diese Basis sind alle anderen technischen und organisatorischen Maßnahmen auf Sand gebaut. Hierzu einige Überlegungen und Anregungen:

  • Welche Überlegungen hat ihre Feuerwehr bisher zu diesem Thema angestellt?
  • Wie gut sind die Menschen in ihrem Verantwortungsbereich vorbereitet (EigenversorgungsfĂ€higkeit)?
  • Wie gut sind ihre Kameraden und deren Familien auf eine mehrtĂ€gige Versorgungsunterbrechung vorbereitet?
  • Wie sieht die generelle VerfĂŒgbarkeit bei den Mannschaften aus? Gibt es viele Pendler?
  • Was funktioniert in ihrem Feuerwehrhaus nicht, wenn der Strom ausfĂ€llt (Sirene, Tore, Beleuchtung, Fahrzeugstarthilfen, Heizung, etc.)? Welche Vorkehrungen/Ersatzmaßnahmen sind möglich/erforderlich? Wissen das alle Kameraden?
  • Wie viel Treibstoff und Schmiermittel haben sie fĂŒr ihr(e) Notstromaggregat(e) zur VerfĂŒgung? Wie lange und in welchem Umfang können sie damit eine Notstromversorgung aufrecht erhalten?
  • Tankstellen sind in der Regel nicht notstromversorgt. Woher bekommen sie Treibstoffnachschub (oberirdische Tanks, landwirtschaftliche Betriebe, Unternehmen, etc.)?
  • Wie gut ist ihre Gemeinde/Kommune vorbereitet (siehe Leitfaden „Meine Gemeinde auf ein Blackout vorbereiten“)?
  • Gibt es Überlegungen/Vorbereitungen fĂŒr einen gemeinsamen Krisenstab (Behörde, Feuerwehr, THW, Rettung, Polizei, Wasser, Abwasser, etc.) in ihrer Gemeinde? Der BĂŒrgermeister ist im Katastrophenfall formal der erste behördliche Einsatzleiter. Durch die eingeschrĂ€nkten Kommunikationsmöglichkeiten sind kurze Wege anzustreben.
  • Gibt es eine Krisen-/KatastrophenstabsausrĂŒstung, insbesondere eine Notstromversorgung? Der Ort sollte bei der Bevölkerung bekannt sein (Kontaktaufnahme ĂŒber eine Melde- und Sammelstelle!).
  • In grĂ¶ĂŸeren Ortschaften/Regionen sollten dezentrale Anlaufstellen („Kat-LeuchttĂŒrme“) fĂŒr die Bevölkerung bereitgestellt werden (Hilfe anfordern, Informationsaustausch, Selbstorganisation).
  • Wie und wie lange funktioniert die Wasserversorgung in ihrem Verantwortungsbereich?
  • Welche Probleme sind bei der Abwasserentsorgung (Kanal, Hebeanlagen, KlĂ€ranlage) zu erwarten? Ab wann mĂŒssen ungeklĂ€rte AbwĂ€sser abgelassen werden (Fischsterben!)?
  • Welche potenziell kritischen Bereiche gibt es in ihrem Verantwortungsbereich (Gefahr von Ammoniakaustritten, GefahrengĂŒter generell, produzierende Betriebe, landwirtschaftliche Betriebe (MilchkĂŒhe, HĂŒhner/KĂŒcken, Schweinemast, etc.), KĂŒhlanlagen, Heizungen jeglicher Art, insbesondere Holzheizungen (Überhitzung!) Pflegeeinrichtungen, KrankenhĂ€user, etc.)?
  • Wie können sie diese Bereiche prĂ€ventiv sensibilisieren (siehe auch Leitfaden „Mein Unternehmen auf ein Blackout vorbereiten“)?
  • Wie kann sich ihre Feuerwehr organisieren, wenn die ĂŒbliche Alarmierung (Sirene, Handy, Pager) bzw. auch der Funk nicht (mehr) funktionieren (Offline-PlĂ€ne, Melder!, frĂŒhzeitige Ablöseplanungen)? Binden sie fĂŒr einfache Aufgaben auch die Bevölkerung ein und entlasten sie ihre Mannschaften fĂŒr wichtige und kritische Aufgaben!
  • Welche lokalen Ressourcen stehen zur UnterstĂŒtzung zur VerfĂŒgung? Vereine können ebenfalls wichtige Aufgaben (Informationsverteilung, warme Mahlzeiten zubereiten/ verteilen, Nachbarschaftshilfe vor allem bei hilfsbedĂŒrftigen Menschen (Heimpflege, etc.)) ĂŒbernehmen!

Wie sie wahrscheinlich bereits nach diesen wenigen Punkten festgestellt haben, gehen die erwartbaren Herausforderungen weit ĂŒber das Bekannte hinaus. Zudem muss ein sehr hoher Gleichzeitigkeitsbedarf erwartet werden, den die Einsatzorganisationen nicht bzw. nur teilweise decken werden können. Daher ist es erforderlich, bereits im Vorfeld vorhandene falsche Erwartungshaltungen („Die Feuerwehr wird das schon richten“) gegenĂŒber der Bevölkerung aber auch gegenĂŒber anderen Organisationen und Unternehmen zu berichtigen.

ZusĂ€tzlich ist eine gemeinsam mit den anderen BOS getroffene PrioritĂ€tenreihung fĂŒr die absehbaren EinsĂ€tze unverzichtbar, auch wenn es dann anders kommen wird. Aber wenn man hierzu keine Überlegungen angestellt hat, dann wird diese Entscheidung automatisch auf die unmittelbar im Einsatz befindlichen KrĂ€ften abgewĂ€lzt, was mit Sicherheit zu einer frĂŒhzeitigen Überlastung und zum Ausfall fĂŒhren wird. Die Mannschaft muss sich bewusst sein, dass sie nicht ĂŒberall helfen kann und die Ressourcenplanungen auf einen lĂ€ngeren Einsatz ausgerichtet werden mĂŒssen.

FĂŒr EinsatzkrĂ€fte ist auch die aktuelle Studie „Bevölkerungsverhalten im Krisenfall – Deutungsmuster und Handlungsfolgen aus Sicht der Feuerwehren“ von Relevanz, die einigen verzehrten Wahrnehmungen auf den Grund gegangen ist. So ist etwa das Bild einer im Krisenfall irrational, sogar hysterisch reagierenden und hilflosen Bevölkerung, wie das hĂ€ufig in Filmen dargestellt wird, falsch. Menschen handeln in kollektiven AusnahmezustĂ€nden in der Regel sozial, rational und aktiv. Und wir wissen: Der Zugang zu Informationen ist fĂŒr die SelbsthilfefĂ€higkeit der Betroffenen essenziell. Leider wird diese oft mit dem Scheinargument „Man könnte damit ja Panik auslösen“ zurĂŒckgehalten.

Hurricane Katrina, der 2005 u.a. New Orleans völlig zerstörte und rund 1.800 Menschen das Leben kostete, hat gezeigt, dass sich Betroffene sehr effektiv gegenseitig unterstĂŒtzen. Er hat auch gezeigt, dass ĂŒberholte Vorstellungen Menschen schĂ€digen: Krisenmanager setzten aus Angst vor (kriminellen) PlĂŒnderungen PolizeikrĂ€fte zur Verfolgung ein, statt die Anstrengungen auf die UnterstĂŒtzung der Überlebenden zu konzentrieren. Sicher ein Thema, das im Fall eines Blackouts auch zu berĂŒcksichtigen ist. Kleinkriminelle Übergriffe werden nicht zu verhindern sein. Die sehr eingeschrĂ€nkt verfĂŒgbaren Ressourcen in Folge eines Blackouts sollten aber in Anbetracht der generellen Lage nicht fĂŒr „NebensĂ€chlichkeiten“ ausgespielt werden. Auch das muss im Vorfeld diskutiert und zumindest innerhalb der Einsatzorganisationen kommuniziert werden, und zwar bis zum letzten Mannschaftsgrad. In einer derartigen Ausnahmelage wird nĂ€mlich ein Top-Down-FĂŒhren aufgrund sehr eingeschrĂ€nkt verfĂŒgbaren TelekommunikationskanĂ€le nur mehr unzureichend möglich sein. Daher mĂŒssen fĂŒr diesen Fall bereits im Vorfeld möglichst viele Entscheidungen nach „unten“ delegiert und dezentralisiert werden. Alles andere ist zum Scheitern verurteilt.

In der Katastrophenforschung ist auch common sense, dass die FĂ€higkeit der Menschen, mit einer Krisensituation umzugehen, entscheidend davon abhĂ€ngt, wie gut sie ĂŒber die Situation informiert werden und auf welche Weise man mit ihnen kommuniziert. Die Feuerwehren haben daher durch ihren unmittelbaren „Kundenkontakt“ auch eine sehr wichtige Kommunikationsrolle bzw. Multiplikatorwirkung. Wenn es ihnen gelingt, in der Bevölkerung aber auch bei den anderen Behörden- und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben ein breites Bewusstsein zu diesem Thema zu schaffen und eine entsprechende eigenverantwortliche Vorbereitungen anzustoßen, werden wir auch in der Lage sein, diese außergewöhnlichen Herausforderungen gemeinsam zu bewĂ€ltigen.

Die Behörden- und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben sollten daher die Chancen einer prĂ€ventiven Sicherheitskommunikation nutzen und damit zur generellen Erhöhung der Selbstwirksamkeit der Bevölkerung beitragen. Dazu stehen etwa in Deutschland auch die Ressourcen des Bundesamtes fĂŒr Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) zur VerfĂŒgung.

Ein Blackout ist kein Schicksalsszenario. Wir können uns darauf vorbereiten. Mit dieser Vorbereitung können wir auch viele andere Szenarien leichter und besser bewÀltigen, ob das regionale Extremwetterereignisse, eine Pandemie, ein Hochwasser oder ein Erdbeben ist. Immer wird eine lokale Selbstorganisation gefragt sein.

Wir leben in einer sehr sicheren Umgebung. Das soll auch so bleiben. Aber wir sollten uns nicht selbst tĂ€uschen und mögliche außergewöhnliche Ereignisse ausblenden. Sie können, mĂŒssen aber nicht eintreten. Vorbereitet sein kostet hĂ€ufig nicht sehr viel, ist aber im Anlassfall unbezahlbar. Dabei sollten vor allem die organisatorischen und kommunikativen Maßnahmen vor den technischen Maßnahmen PrioritĂ€t haben, was leider hĂ€ufig umgekehrt ist.

Weitere Vertiefungsmöglichkeiten finden sie auf der Homepage bzw. in den LeitfÀden des Autors.

 

WeiterfĂŒhrende Information