Quelle: http://bizzenergytoday.comhttp://derstandard.at, Update 03.02.16 unten, Update 30.10.16 FAZ unten

Die deutsche Bundesnetzagentur erwägt die Abkopplung des österreichischen Strommarkts von Deutschland, weil der gemeinsame Handelsraum die Versorgungssicherheit gefährdet.

Die Abspaltung sei frühestens 2018 möglich. Österreich und Deutschland haben ihre „Gebotszonen“ 2002 zusammengeschlossen. Das bedeutet, dass sich Händler nicht mehr um die Grenzkuppelkapazitäten zwischen den beiden Ländern kümmern müssen, sondern Strom jederzeit und zu einem einheitlichen Preis im gesamten Gebiet handeln können.

Durch die Abspaltung Österreichs würde sich laut Bundesnetzagentur das Risiko für die Versorgungssicherheit in Deutschland, Polen und Tschechien verringern.

Gegenwärtig müssen zur Beherrschung besonders starker Lastflüsse in großem Umfang Redispatchmaßnahmen [siehe Auswertung Redispatchmaßnahmen] durchgeführt werden, damit der sichere Betrieb des Übertragungsnetzes möglich bleibt. Bei Redispatchmaßnahmen werden Kraftwerke, die eigentlich aufgrund der Marktlage nicht in Betrieb wären, von den Netzbetreibern trotzdem angefordert Strom zu produzieren, um Ungleichgewichte im Stromnetz auszubalancieren.

Für die beiden kommenden Winter geht die Bundesnetzagentur von mindestens 6,6 beziehungsweise 6,7 Gigawatt nötiger Kraftwerkskapazität aus, soviel wie fünf größere Kernkraftwerke.

Die Bundesnetzagentur erwartet demnach, dass es 2020 zu Handelsströmen von Österreich nach Deutschland von etwa 10 Gigawatt kommen kann, die physische Kapazität der Grenzkuppelstellen liegt aber nur bei 5,5 Gigawatt. Durch das Ungleichgewicht erhöht sich der Bedarf an Reservekapazität offenbar massiv.

Unter anderem hatten die Netzbetreiber von Polen, Tschechien, Ungarn und der Slowakei eine Studie zu dem Thema veröffentlicht. Darin beschreiben sie Netzsituationen, in denen die Handelsvolumen, die über die deutsch-österreichische Grenze fließen, die der physischen Verbindungen weit überschreiten. Das Resultat: Der Strom fließt über Osteuropa in einem sogenannten „Ringfluss“ („Loop Flow“), der die dortigen Netze destabilisiert. [Siehe Tschechien baut Sperre gegen deutschen Ökostrom]

Die Mehrkosten im Fall einer Extrapreiszone von 300 Millionen Euro wären – umgelegt auf die Kilowattstunde (kWh) – etwa 0,46 Cent. Bei einem durchschnittlichen Strompreis von 7,4 Cent wären das gut sechs Prozent mehr je kWh.

Update 30.10.16 – Die Energiewende führt zu unerwarteten Konflikten: Deutschland will den Handel mit Strom nach Österreich begrenzen.

Quelle: faz.net

Es gehe um 10 Prozent des Handelsvolumens, das wegen fehlender Netze nicht abgewickelt werden könnte.

Nachdem Österreich die Vereinbarung zur Verbesserung der Lage nicht unterzeichnet habe, sehe man sich nun gezwungen, weitere Schritte vorzubereiten, hieß es von deutscher Seite.

Grund für den Streit ist die deutsche Energiewende. Sie führt zu einer zeitweiligen Überproduktion von Strom, der dann günstig über die Börse verkauft wird. Allerdings sind die Netzbetreiber dann oft nicht in der Lage, den billig verkauften Strom auch tatsächlich zu liefern, weil Netzengpässe wie an der deutsch-österreichischen Grenze das unmöglich machen. Weil sie aber liefern müssen, werden dann teure Kraftwerke angeworfen, um den schon verkauften Strom zu erzeugen. Diese zusätzlichen Kosten – das „Redispatch“ – zahlen die deutschen Stromkunden.

Für die Schwierigkeiten sei nicht Österreich verantwortlich. Das tatsächliche Problem sei ein innerdeutscher Netzengpass, der sich durch eine künstliche Verschiebung an die deutsch-österreichische Grenze nicht lösen lasse.

Siehe dazu auch das Kommentar von Franz Hein.

Kommentar

Es ist sehr erfreulich, dass nun endlich der Ernst der Lage erkannt wird, wenngleich eine wirkliche Lösung anders aussehen würde. Grundsätzlich wäre dies die erste wirklich erkennbare Gegensteuerung, um aus der bisherigen Sackgasse zu kommen. Ob es reichen wird, diese Aufsplittung erst 2018 durchzuführen, muss stark bezweifelt werden. Nur zum Vergleich, Reservekapazitäten von fast 7 GW entsprechen mehr als der Minimalverbrauch von ganz Österreich ist. Zum anderen wird eine Marktauftrennung nur zwischen den Nationalgrenzen die physikalischen Probleme nicht lösen. Denn wenn der süddeutsche Raum verstärkt norddeutschen Strom auf der Börse einkauft, dann wird er auch weiterhin mangels innerdeutscher Leitungen über Polen, Tschechien und Österreich fließen und die Infrastrukturen30 überlasten. Für eine tatsächliche Systemstabilisierung wäre daher eine innerdeutsche Marktauftrennung erforderlich, was derzeit wohl niemand aussprechen möchte. Daher ist die Vorgangsweise wohl wieder eine Scheinlösung. 

Hier muss auch festgehalten werden, dass es nicht zu einer Netztrennung, sondern nur zu einer Marktrennung kommt. Der Markt hat bisher physikalische Grenzen und Gestehungskosten nicht berücksichtigt und damit zu einer Realitätsverzerrung geführt. Als Vergleich, es macht doch einen deutlichen Unterschied, ob die Milch von einer Bergbauernkuh erzeugt wird, oder von einer Kuh in einem industriellen Großbetrieb irgendwo in Norddeutschland oder Holland. Und das vergessen wir gerne, wodurch es zwangsläufig zu Schieflagen kommt, die sich meist erst zeitverzögert negativ auswirken.

APG-Kostenentwicklung

Quelle: APG

Beim Strommarkt führt das dann zu Entwicklungen wie, dass 2014 25 Millionen Euro für Redispatchingmaßnahmen (Netzstabilisierung) in Österreich aufgewendet werden mussten und es im ersten Quartal 2015 bereits 45 Millionen Euro bzw. im gesamten Jahr 2015 über 200 Millionen Euro waren. Oder, dass wir, obwohl wir in Österreich rund 120 % an theoretischer Kraftwerksleistung über den Maximalbedarf verfügbar haben, wir aufgrund der Marktpreise mittlerweile bis zu 80 % des tatsächlichen Verbrauches importieren (Österreich hat einen Maximalverbrauch von rund 10 GW, aber einen Kraftwerkspark von rund 23 GW, wobei das eher theoretische Leistungen sind, da Kraftwerke, vor allem kleinere, nicht immer verfügbar sind oder halt auch Reservekapazitäten haben müssen, da sie max. kurzfristig bis zu 100 % ausgelastet werden dürfen.)

Der Preis bzw. das liebe Geld. Ja, es könnte für Österreich teurer werden, muss aber nicht zwangsläufig. Der Preis in Deutschland ist derzeit so niedrig, da es natürlich einmal regionale und zeitliche Überkapazitäten gibt, aber gleichzeitig fehlt einiges an Infrastruktur – die auch jemand bezahlen wird müssen, damit das System weiterhin funktioniert. Die Überkapazitäten werden in den nächsten Jahren auch weniger – Atomausstieg bzw. derzeit an die 50 anstehende Kraftwerkschließungen. Zum anderen ist nur der Marktpreis so niedrig – die deutschen Konsumenten zahlen enorme Aufschläge für den Ausbau der erneuerbaren, daher wäre es auch gerecht, wenn sie dann davon profitieren. Aber auch hier wird sich wahrscheinlich in Österreich bzw. insgesamt noch einiges verändern, denn die Dezentralisierung der Erzeugung wird weiter zunehmen, wenn sie nicht politisch abgedreht wird. Zum anderen würde ein Blackout ein Vielfaches kosten!! Gleichzeitig könnte das ein Anreiz für mehr Energieeffizienz und Energiebedarfssenkung sein, denn für ein gelingen der Energiewende ist das völlig unverzichtbar! Siehe Mythos „Speicher“ – eine Energiebevorratung ist aber unverzichtbar.

Zusammenfassend, der angedachte Schritt würde wieder Richtung Situation vor der Marktliberalisierung mit stärkeren regionalen Balancegruppen führen, was systemsicherheitsmäßig sehr zu begrüßen ist, auch wenn das nur ein erster Schritt zur wirklichen Energiewende ist!  Für eine sichere Stromversorgung benötigen wir ein robustes Energiezellensystem. Zum anderen werden die Probleme wahrscheinlich in Deutschland größer werden – da auch Polen und Tschechien ihre Netze „abschotten“ werden – bricht das Netz aber in Deutschland zusammen („Blackout“), ist auch bei einer Markttrennung weiterhin damit zu rechnen, dass die Dominosteine in weiten Teilen Europas mitumfallen werden!

Ergänzung zur Markttrennung von Franz Hein (26.06.2015):

Die angesprochene Realitätsverzerrung hängt damit zusammen, dass das bestehende Netz wie eine unendlich große, unendlich leistungsfähige, den Strom verlustlos von jeder Einspeisestelle zu irgendeiner beliebigen Stelle mit Bedarf transportierende „Plattform“ benutzt wurde („Kupferplatte“).  Das gilt besonders für Handelsgeschäfte, die keinerlei Rücksicht auf die physikalisch realen Einspeisungen und den echten Energiebedarf nahmen. Dieser inzwischen ausgesprochene Missbrauch des Zusammenschlusses anfänglich getrennter Netze, ursprünglich zur Erhöhung der Versorgungssicherheit durch Vernetzung gedacht und vorgenommen, ist eine regelrechte Fehlentwicklung. Sie führte mehr und mehr dazu, dass die physikalischen Grenzen der Netzstabilität und auch der Transportfähigkeit des Netzes aus dem Blickfeld geraten sind. Wir haben uns mit der gewünschten „Wirklichkeit“ eines völlig grenzenlos nutzbaren „Energieraumes“ von der physikalisch realen Wirklichkeit in unserem Denken und Handeln abgetrennt. Das findet seine Ausprägung auch in einem sogenannten Energy-only-Handel, bei dem Energie“pakete“ wie Schweinehälften oder anderen „Produkten“ nur unter Beachtung der Preise für die „Energiepakete“ über das Netz „verschoben“ wurden. Dieses Verschieben erfolgte so, als ob jedwedes „Paket“ jedweder Größe transportiert werden kann. Das führt inzwischen regelmäßig zu den Stundenwechseln, bei denen die Fahrpläne (für den „Paket“-Transport) sich sprungförmig ändern, zu deutlichen Veränderungen der Frequenz im europaweit ausgedehnten Netz.

20150330_Freq 150331 - Netzfrequenz-kurzer_Einbruch

 

Die in diesem Netz noch vorhandene Momentanreserve an möglicher Varianz des Energieinhalts im Gesamtsystem als Summe aller drehenden Massen der Synchrongeneratoren reicht derzeit zusammen mit der darauf aufbauenden Primärregelung noch aus, dass die Fahrplansprünge nicht zum Außertrittfallen des gesamten Netzverbundes führen. Aber diese Momentanreserve verschwindet mehr und mehr. Kernkraftwerke werden außer Betrieb genommen und Gaskraftwerke haben höchstens noch Probeeinsätze, weil die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen deren Betrieb eigentlich längst verbieten. Selbst Pumpspeicherwerke sind nicht mehr „im Geld“, weil die Verengung auf einen reinen „Energy-only-Handel“ diese Kraftwerke wirtschaftlich nicht honoriert, trotz ihrer so notwendigen Flexibilität des Beitrages zur ständigen Leistungsanpassung. Dafür aber herrscht inzwischen die Meinung vor, dass die mehr und mehr fehlende Flexibilität durch handelbare „Produkte“ erzielt werden kann. Das allerdings ist nun eine völlig Loslösung von der Physik, die auf Dauer nicht gut gehen kann. Aber auch da gilt der Spruch, dass der Krug solange zum Brunnen geht, bis er bricht. Dieses Brechen hätte für die Energieversorgung von Europa so fatale Auswirkungen, dass wir nun wirklich alles tun müssen, wieder in die Realität der tatsächlichen Wirklichkeit zurückzukehren und den fatalen Ausflug in einen grenzenlosen „Energieraum“ beenden. Wir müssen dringend wieder auf die Nähe der Energiebereitstellung zur Energienutzung achten. Nur durch eine Energiebevorratung können wir den immer notwendigen Ausgleich im Netz zwischen Einspeisung und Entnahme von Energie genügend sicher und verlässlich gewährleisten. Dieser Ausgleich ist für die Sicherung der Netzstabilität unerlässlich. Wenn diese Energiebevorratung zudem räumlich ausreichend verteilt erfolgt, wird die Transportfähigkeit des Netzes nicht über Gebühr beansprucht. Es muss wieder die Wahrnehmung der Realität Einzug in das Bewusstsein aller Verantwortlichen halten. Das Netz als Plattform hat eine durchaus endliche Belastungsfähigkeit, welche ständig im Blickfeld bleiben muss. Das erfordert auch einen bedarfsorientierten Ausbau, welcher sich nicht an Ländergrenzen orientieren darf. Er muss die Gegebenheit der Energiebereitstellung, der Energiebevorratung und des Energietransportes berücksichtigen. Enges Denken ist dabei von Übel.

Update 30.10.16

Das europäische Stromversorgungsnetz ist in erster Linie zur sicheren Versorgung der Bevölkerung (und der Industrie) erstellt worden, nicht für den Energiehandel. In  Deutschland ist offenbar nun der Handel wichtiger als die Beibehaltung einer hohen Versorgungssicherheit. Dass dies ausgerechnet der deutsche Regulator so verkündet, verwundert sehr. Dem  deutschen Stromkunde wurde noch nicht erklärt, dass er für eine Infrastruktur zahlen soll, die dem  Handel dient und nicht mehr vorrangig seiner Stromversorgung. Die Argumentation zeigt auch auf,  dass das Ziel der Energiewende offenbar keine Rolle spielt. Die Energiewende gelingt nicht aufgrund  eines eventuell erfolgreichen Netzausbau. Sie gelingt, wenn überhaupt, nur im Gesamtsystem.

Und von wegen unerwartet. Dieser Konflikt geht auf die einsame Entscheidung der deutschen Regierung zur „Energiewende“ zurück. Damals wurde die Einbindung  des deutschen in das europäische Stromnetz völlig ausgeblendet. Die europäischen Nachbarn, deren Netze mit dem deutschen eng verknüpft sind, haben seitdem mit den Folgen des  deutschen Alleinganges zu kämpfen. Eine Handelsbegrenzung ist nicht die Lösung des grundsätzlich falschen Vorgehens in Deutschland. Dummerweise wird unser Denken durch den  Hinweis auf steigende Preise von der eigentlichen Ursache der Misere abgelenkt. Das ist  letztlich Manipulation beim Informieren der Bevölkerung.

Dass der Energiehandel bisher die im  Stromnetz geltenden physikalischen Gesetze ignoriert hat und meinte, zusammen mit der  Politik, sich darüber hinwegsetzen zu können, wurde nicht nur geduldet. Dies ist – siehe das  Gesetz zur „Digitalisierung der Energiewende“ – politischer Wille. Wenn jetzt erkannt wird,  dass der Stromtransport (und damit der Energiehandel) durch die Leistungsfähigkeit der bestehenden Netze begrenzt ist und immer sein muss, dann ist das ein spätes Erwachen.

Gesetzlich gezwungen wurden die Übertragungsnetzbetreiber. Sie müssen die überschüssig produzierte elektrische Energie ankaufen und vermarkten, obwohl sie  nach der ursprünglichen Idee der Strommarktliberalisierung keine Energielieferanten mehr sein dürften. Das führt seit dem zweiten Weihnachtsfeiertag im Jahre 2009 immer wieder  und jedes Jahr im steigenden Maß an der Leipziger Strombörse zu negativen Strompreisen.  Der Strom wurde deshalb bereits öfters nicht nur billig verkauft. Es mussten sogar die Bezieher dieser überschüssig produzierten Energie Geld dafür erhalten, dass sie diese Energie abnahmen. Die Redispatch-Maßnahmen wurden den Übertragungsnetzbetreibern ebenfalls  aufgezwungen, denn sie sind für die Aufrechterhaltung der Netzstabilität und Netzsicherheit  verantwortlich. Damit müssen sie auf die physikalischen Gesetze achten, die aber von den  Energiehändlern schlicht ignoriert werden. Diesen gesetzlich vorgeschriebenen Irrsinn zahlen  letztlich die deutschen Stromkunden. Damit wurden jedoch auch die Energieversorgungsunternehmen besonders in den an Deutschland angrenzenden Ländern geschädigt. Das geht  soweit, dass Pumpspeicherwerke sich nicht mehr lohnen, obwohl eine Energiebevorratung  mehr als notwendig ist.

Es wurde bei all dem vergessen, dass die physikalischen Gesetze es erfordern, dass in jedem Moment der ins Netz eingespeiste Strom an anderer Stelle  aus dem Netz wieder herausfließen und einer Nutzung zugeführt werden muss. Die völlig  einseitige „Belohnung“ der Einspeisung durch Subventionen hat dies über all die Jahre ignoriert. Die Erzeugung wurde losgelöst von der Energienutzung gefördert. An die Speicherung  der dabei überschüssig erzeugten elektrischen Energie wurde nicht einmal ansatzweise gedacht. Auch der Bedarf zum Abtransport der erzeugten Energie bis hin zu den Stellen, an den  sie genutzt werden kann, wurde ausgeblendet. Das Netz wurde als unendlich leistungsfähig  gehalten und wie eine europaweit ausgedehnte, verlustlose Kupferplatte angesehen. Jetzt  werden wir mit der Wirklichkeit konfrontiert. Jeder Energietransport hat eine Quelle und  eine Senke. Beides muss vorhanden sein und der dabei fließende Strom muss am Anfang und  am Ende in jedem Moment exakt übereinstimmen. Dass Stromfluss ohne Transportverluste  nicht möglich ist, auch das ist ein physikalisches Gesetz. Aber wozu haben wir ideologisch  eingeengte Politiker? In einer erdachten Wirklichkeit können selbst Zähler „mitdenken“.

Die einzige Möglichkeit, um die Transportengpässe für Elektrizität zu beseitigen, sei der langfristige Netzausbau.

Leider ignoriert auch diese Verlautbarung die Notwendigkeit einer Zwischenspeicherung der Energie und vergisst die Unverzichtbarkeit einer Speicherbewirtschaftung, die eine Energiepufferung und Energiebevorratung in allen Zeitbereichen der Energieversorgung gewährleisten muss. Kein Netzausbau kann diese grundsätzliche Anforderung aushebeln oder ersetzen. Es geht nicht allein um Transportengpässe, es geht um das Fehlen einer ausreichenden Energiebevorratung. Wo bleibt die Wahrnehmung der Wirklichkeit, wo bleibt die Vernunft? Leider haben wir es inzwischen mit einem Staatsversagen zu tun. Entscheidungen werden nicht mehr mit Vernunft, sondern nur noch nach Stimmenmehrheit getroffen. Auch Argumente zählen nicht mehr. Es werden nur noch Stimmen gezählt, von wem sie auch stammen. Und bei den Behörden scheint sich eine ähnliche Unkultur breit zu machen, die inzwischen bei größeren Konzernen offenbar die Regel geworden ist. Anders sind die zitierten Anweisungen und Verlautbarungen nicht mehr zu erklären. Ist denn niemanden die Diskrepanz zur Wirklichkeit aufgefallen oder drangen Bedenken nicht mehr durch?

Denken wir nur noch „ökonomisch“? Spielt die Wirklichkeit keine Rolle mehr?  Kennt noch jemand physikalische Gesetze und richtet sich danach? Wurde inzwischen die Vernunft  ausgerottet oder „gesetzlich“ ausgeschaltet?

Update 03.02.16: Trennung des deutsch-österreichischen Strommarktes –  Ein Überblick

Quelle: Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz

Derzeit beschäftigt die Energiewirtschaft ein sehr brisantes Thema: das von der Agentur zur Zusammenarbeit der europäischen Regulierungsbehörden (ACER) im September dieses Jahres veröffentlichte Ansuchen zur Auflösung des im Jahr 2001 eingeführten gemeinsamen Strommarktes zwischen Deutschland und Österreich. Dieses Vorhaben würde vor allem für Österreich volkswirtschaftliche sowie energiewirtschaftliche Auswirkungen zeitigen, wodurch nicht nur die Industrie, sondern auch Konsumenten betroffen wären.

Gerold Muggenhumer, Horst Steinmüller und Friedrich Schneider legen in diesem Beitrag die Hintergründe und Standpunkte der Beteiligten dar und zeigen wesentliche Fakten dieses Problems auf.

Durch die gemeinsame Handelszone zwischen Deutschland und Österreich werden laut dem polnischen Regulator die inländischen Übertragungsnetze massiv belastet, wodurch der Energiehandel zwischen Polen, Tschechien und Deutschland stark beeinträchtigt ist.

Um die Standpunkte der polnischen Regulierungsbehörde URA und der ACER besser zu verstehen, gibt Abbildung 1 einen Überblick über die Lastflüsse im CEE-Netz. Die rotmarkierten Pfeile stellen Ringflüsse, also ungeplante Lastflüsse über benachbarte Übertragungsnetze dar, welche entstehen, weil der Energietransport an den eigenen Übertragungsnetzen wegen zu hoher Lasten nicht möglich ist. Die Lastflüsse zwischen Deutschland und Polen sind in den Jahren von 2012 bis 2015 um rund 95% gestiegen während die Lastflüsse in Gegenrichtung um 88% gesunken sind.

Durchschnittliche ungeplante Lastflüsse (2011-2012)

Wie in Abbildung 1 auch ersichtlich, ist der südliche Teil Deutschlands Stromnettoimporteur (Importe>Exporte). Durch die sukzessive Stilllegung von Kraftwerken in Süddeutschland und dem fortschreitenden Windkraftwerksausbau in Norddeutschland kommt es immer häufiger aufgrund des unzureichenden Netzausbaus zu s.g Redispatch Maßnahmen (+125% gegenüber 2013). Um dem entgegenzuwirken, sind derzeit deutschlandweit 36 neue Leitungsvorhaben in Planung.

Hier muss zusätzlich bedacht werden, dass sich die Netzeingriffe (Redispatching-Maßnahmen) bis 2015 noch dazu vervielfacht haben!! Siehe Auswertungen.

Eine Marktrennung würde derzeit einen Rückschritt darstellen, da gerade gleichzeitig an einem europäischen Pilotprojekt für kontinuierlichen Intradayhandel unter der Beteiligung von 15 Übertragungsnetzbetreibern und 5 Börsen gearbeitet wird, um den europäischen Strommarkt effizienter und flexibler zu gestalten.

Der Markt nimmt keine Rücksicht auf technische bzw. physikalische Grenzen, was einfach nur fahrlässig ist, wie das auch durch den Präsidenten der deutschen Bundesnetzagentur (BNetzA) ausgesprochen wurde:

… bedeutet eine gemeinsame Gebotszone uneingeschränkten Handel zu jeder Stunde, allerdings ohne Rücksichtnahme auf die Übertragungskapazität beteiligter Netze.

Die Auswirkungen für Österreich lassen sich noch nicht konkret vorhersagen, es ist jedoch davon auszugehen, dass sich aufgrund des getrennten Strommarktes die Großhandelsstrompreise für österreichische Abnehmer erhöhen, was sich in weiterer Folge auch auf die Konsumentenstrompreise auswirken wird. Auch derzeit nicht wirtschaftlich betreibbare Kraftwerke könnten wieder zum Einsatz kommen, was zu einer neuen Marktsituation führt.

Damit würde wieder ein Beitrag zur regionalen Stabilität (Balancegruppen) geleistet. Ein Energiezellensystem könnte sich etablieren. Das gegenteil davon ist ein too-big-to-fail System, wie wir es bereits haben.

Ähnliche Probleme gibt es auch in anderen Sektoren. Etwa bei der Milchproduktion. Durch die Preisharmonisierung wird es zunehmend unwirtschaftlich, in Österreich mit den oft kleinteiligen Strukturen zu produzieren. Viele Betriebe schließen. Damit wird aber auch die regionale Wertschöpfung und Resilienz zerstört. Wir werden noch mehr abhängig. Störungen welcher Art könnten sich fatal auswirken, wie das etwa auch in der Studie „Ernährungsvorsorge in Österreich“ angesprochen wird.