Letzte Aktualisierung am 03. August 2015.

Die Antworten zu unseren Problemen kommen aus der Zukunft und nicht von gestern!‘ meinte Frederic Vester, Biokybernetiker und Autor von ‚Die Kunst vernetzt zu denken‚.

Wir leben in einer Art ‘Phasenübergang’, also einer ‘disruptiven’ (schlagartigen) Änderung unseres Lebensumfeldes. Die Bevölkerungszahlen/Flüchtlingsströme ‘explodieren’ regelrecht, die Dimensionen des ‚Unsicherheitsfaktors Griechenland,‘ die Entwicklungen in der Informationstechnik sind atemberaubend und noch schneller wächst die Vernetzung zwischen den Menschen (soziale Netze) und sogar zwischen den Maschinen (M2M = machine-to-machine communication), um nur ein paar wenige zu nennen.

Wir werden wahrscheinlich demnächst mehr und raschere Umbrüche erleben, als jemals zuvor in der Geschichte. Diese Dynamik geht vor allem auf die steigende Vernetzungsdichte – nicht nur in den technischen Bereichen – zurück. Begonnen hat das mit dem inzwischen auch mobil (fast) überall zugänglichen Internet, der ständigen Erreichbarkeit, dem Suchen und Finden von Informationen von allem und über alles. Hinzu kommen neue Hypes wie ‚Smart …‘ oder ‘Industrie 4.0’ mit der Kommunikation der Maschinen untereinander, ganz selbstorganisierend. Gleichzeitig steigen aber kaum wahrgenommen die Verwundbarkeiten. Das Ganze ist wie ein Katapultieren von jetzt auf gleich in die Zukunft.

Damit verlieren aber auch bisher gelernte Denk- und Verhaltensweisen an Bedeutung, da ganz neue oder zusätzliche Rahmenbedingungen entstehen. Diese ziemlich abrupten Änderungen sind in unserer Gesellschaft höchstens ansatzweise angekommen. Daher versuchen wir uns nach wie vor an der erfolgreich bewältigten Vergangenheit zu orientieren, obwohl es keinen vergleichbaren Erfahrungshintergrund  gibt. Das ist unsere Schwierigkeit – aber gleichzeitig auch eine Chance. Barrieren der Vergangenheit verlieren ihren Einfluss und ihre einengende Bedeutung, wenn wir das zulassen.

Nicht mehr die Sachzwänge der Vergangenheit und der Gegenwart sind Maßstab, sondern die der Zukunft. Wenn es also keine Analogie gibt, an die angeknüpft oder die fortgeschrieben werden kann, dann müssen die Herausforderungen von der Zukunft her gesehen angegangen werden. Dazu eignet sich die Methode, sich mental zum ‘Gipfel’ zu begeben, also das zu erreichende Ziel gedanklich vorweg zu nehmen. Wenn dann der damit erreichte Erfolg in unseren Vorstellungen verinnerlicht wird, schafft das eine Kraft, die natürlich immer noch bevorstehenden Mühen bewältigen zu können. Der vorweggenommene Zieleinlauf zieht uns aus dem sonst so beherrschenden Jammer über immer noch nicht Erreichtes hinweg. Vom ‘Gipfel’ sehen die Hürden unterwegs deutlich kleiner und besser überwindbar aus. Insgesamt wird der Weg besser übersehen, als mit dem Blick von unten (oder nur von der Vergangenheit geprägt). Wir müssen und können uns von den Fesseln der Vergangenheit lösen. Lassen wir uns doch darauf ein und verlassen wir die Sackgasse der Schwarmdummheit!

Mit dieser etwas philosophischen Einleitung möchten wir aber wieder auf den harte Boden der Realität zurück kehren. Daher war uns dieser Einstieg wichtig, auch in der Selbstreflexion, um sich nicht ständig nur mit den dunklen Seiten zu beschäftigen, bzw. diese zu adressieren. Ja, wir haben gewaltige Herausforderungen vor uns, aber wir haben die Zukunft auch selbst in der Hand. Blicken wir einmal mehr vom Gipfel auf die anstehenden Herausforderungen.

Die Reihenfolge der nun folgenden Nennungen ist keine Gewichtung und Vollständigkeit können wir leider nicht zusagen. Die Beispiele und Nennungen beziehen sich zwar in der Mehrzahl auf Österreich, aber für Deutschland sind diese Aspekte genauso bedeutend.

Wie sicher ist unsere Erdgasversorgung?

Diesmal möchten wir einen Blick auf einen wichtigen Energiesektor werfen, der Erdgasversorgung. Aufgrund der politischen Spannungen mit Russland wurde im vergangenen Herbst ein Stresstest durchgeführt und Entwarnung gegebenen. Alles im Lot, wir haben genug Speicherkapazitäten, um über Monate auch ohne russischem Gas auszukommen (siehe: E-Control: Ausfall von russischem Gas keine Bedrohung und Druckmittel Gas: Reale Gefahr oder Hysterie?).

Monate später schafft ein Blick auf die Transparenzplattform der europäischen Gasnetzbetreiber jedoch Ernüchterung. Am 21. April 2015 war in Österreich nur noch ein Füllstand von 9,15% verfügbar – der niedrigste Wert aller Länder. Zudem wurde im Februar beinahe die maximale Entnahmemenge erreicht – obwohl es keinen besonderen Anlass (Gaslieferengpass oder Kältewelle) gab. Wäre diese Entnahmemenge 10 Tage fortgesetzt worden, wären die Gasspeicher nicht mehr als Puffer zur Verfügung gestanden. Der Gasbedarf hätte nur durch Importe/Einschränkung der Exporte gedeckt werden können. Der Winter ist trotzdem ohne Probleme vorübergegangen. Also alles gut?

Ein Blick auf die Befüllraten führt zur nächsten Ernüchterung. Nimmt man die durchschnittliche Befüllung von 2014 her, dann würde bis November ein Befüllungsstand von rund 65 % erreicht werden. Die bisherige durchschnittliche Befüllung liegt leicht unter dem Vorjahreswert. Ob daher der Vorjahreswert von 96 % erreichbar ist, muss bezweifelt werden. Weitere Details (Grafiken) sind im Post „Wie sicher ist unsere Erdgasversorgung wirklich?“ zu finden.

Wäre es nicht an der Zeit, wieder mehr an eine ausreichend Bevorratung zu denken und ehrlicher mit dieser Vorsorge umzugehen? Mit einer Scheinsicherheit ist uns allen nicht gedient.

Ernährungsvorsorge in Österreich

Gleichzeitig stellt das im Abschluss befindliche Sicherheitsforschungsprojekt ‚Ernährungsvorsorge in Österreich‚ fest, dass es in der Lebensmittelproduktion eine hohe Abhängigkeit von der Gasversorgung (thermische Prozesse) gibt. Ein weiterer Hinweis darauf, dass wir unsere Abhängigkeiten und Verwundbarkeiten viel zu wenig kennen und uns im generellen auf eine hohe Scheinsicherheit verlassen. Daher macht die Eigenbevorratung nicht nur im Hinblick auf ein mögliches Blackout Sinn.

Sobald der offizielle Abschlussbericht vorliegt, werden wir ihn ausführlich betrachten. Erste inoffizielle Zahlen sollten uns aber einmal mehr aufrütteln:

  • 11-26% der befragten Haushalte verfügen über KEINE Wasservorräte!! (Anmerkung: Der Prozentsatz unterscheidet sich in Gemeinden unterschiedlicher Größe – Land-Stadt-Gefälle; Die Wasserversorgung wird damit nach einem Blackout zum ersten großen Knackpunkt.)
  • Nach Eigeneinschätzung  sind in Österreich 1,4 Millionen Haushalte spätestens nach dem 4. Tag Versorgungsunterbrechung (insbesondere nach einem Blackout) nicht mehr selbstversorgungsfähig! (Anmerkung: Auch wenn der Stromausfall nur einen Tag dauert, muss mit zumindest mehrtägigen Versorgungsunterbrechungen/-einschränkungen in anderen Sektoren, insbesondere bei der Lebensmittelversorgung, gerechnet werden! Ein solches Szenario ist mit der organisierten Hilfe nicht zu bewältigen)
  • Es gibt generell eine geringe „Awareness“ (Achtsamkeit) hinsichtlich Krisen/Katastrophen
  • Es besteht eine große Ungewissheit / Unsicherheit bezüglich den Auswirkungen des Szenarios ‚Blackout‘

Wie sich zunehmend herauskristallisiert, ist die Lebensmittel(eigen)versorgung der zentrale Punkt bei vielen Resilienzüberlegungen. Nur wenn die Gesellschaft in der Lage ist, sich zumindest eine, besser zwei Wochen, selbst und unabhängig von der Verfügbarkeit von zentralen Infrastrukturen (Strom, Wasser, Gas) zu versorgen, ist eine realistische Bewältigung von strategischen Schockereignissen zu erwarten – egal ob ein Blackout, eine Lebensmittelversorgungskrise, ein Erdbeben, eine Pandemie, etc. – eintritt. Alles andere wird uns vor kaum lösbaren Herausforderungen stellen. Einmal mehr – wir selber haben es in der Hand, wie schwer uns ein solches Ereignis treffen wird.

Ein wesentlicher Schritt ist dabei, unsere bisherigen Denkmuster und Handlungsweisen sowie die selbstkonstruierte Wirklichkeit zu hinterfragen. Das bisherige war nicht per se schlecht, sondern es haben sich die Rahmenbedingungen wesentlich verändert. Daher müssen wir unser bisheriges Denken und Handeln erweitern und an die neuen Wirklichkeiten und Herausforderungen der Netzwerkgesellschaft anpassen.

In diesem Sinne möchten wir diesen Abschnitt mit einem Zitat aus dem Ö1 Salzburger Nachtstudio vom 03. Juni 2015 – ‚Einblicke in die Welt von Morgen‘ beenden. Dabei geht es längst nicht nur um Unternehmen, sondern auch darum, wie wir uns als Gesellschaft auf absehbare Turbulenzen vorbereiten:

Die Netzwerkgesellschaft steht vor einer neuen positiven Herausforderung und einem neuen Führungsverständnis, dem Vertrauen in die kollektive Intelligenz von ermächtigten Mitarbeitern und Teams [Bürgern!] und die kluge Dezentralisierung von Entscheidungen bis in die kleinsten Organisationseinheiten. Auch in die Richtung weg von der Pyramide die das Denken vom Handeln trennt hin zum Zellennetzwerk aus sehr autonomen Miniunternehmen, die tatsächlich vom unternehmerischen Impuls ihrer Teams getragen werden, diesen Paradigmenwechsel brauchen wir ganz dringend, den die Welt hat sich schon verändert.

LINEAPP – dezentrale Notfallkommunikation

Durch einen Zeitungsbeitrag sind wir auf eine sehr interessante App aus Wien gestoßen. LINEAPP (www.lineapp.at) ist eine einfache Möglichkeit, ein Smartphone rasch zu einem „Funkgerät“ aufzurüsten, wobei die Kommunikation dabei wie bei einem Telefongespräch bidirektional erfolgt. Die Verbindung zwischen den Endgeräten erfolgt über WLAN, daher ist kein Mobilfunknetz bzw. keine Internetverbindung/zentralisierte Infrastruktur erforderlich. Durch dezentrale WLAN-Router kann rasch ein Funknetz aufgebaut werden, welches auch schon bei Großveranstaltungen zum Einsatz kommt (‚Mission Control‘). Unterstützt werden Geräte, die nicht älter als 2 Jahre sind. Die kostenlose Version ist auf drei Gesprächspartner limitiert und kann kostenpflichtig jederzeit auf beliebig viele Nutzer erweitert werden. Die Nutzung benötigt relativ wenig Strom, sodass das Smartphone rund 12 Stunden als „Funkgerät“ genutzt werden kann.

Mit LINEAPP könnte daher gerade im Katastrophenfall/bei einem Blackout rasch ein dezentrales Kommunikationsnetz aufgebaut werden, das einige wichtige Vorteile bietet:

  • Es sind keine eigenen Geräte erforderlich. Der Nutzer verwendet sein bekanntes Gerät.
  • Durch Lademöglichkeiten/Stromspeicher (Batterien) kann die Nutzungsdauer von Smartphones deutlich verlängert werden.
  • Durch vorbereitete notstromversorgte WLAN-Hotspots (etwa durch eine Anklemmmöglichkeit an eine Autobatterie) kann rasch ein dezentrales Funknetz zur Verfügung gestellt werden. Hier wären etwa konkrete Überlegungen bei der Ausrollung von öffentlichen Hotspots sinnvoll.
  • Ein Broadcast ist ebenfalls möglich – das heißt, alle die sich im jeweiligen Segment einloggen, können eine vorgefertigte Information abhören, was die Krisenkommunikation unterstützen würde.
  • Die lokale Selbstorganisation kann damit unterstützt werden.

Wie dieses Beispiel zeigt, müssen häufig nur bestehende Lösungen weitergedacht und vielleicht etwas angepasst werden, um wieder etwas mehr Licht auf die Schattenseiten zu bringen. Wir haben mit den Entwicklern bereits Kontakt und wollen diese Idee gemeinsam weiterentwickeln und kommunizieren. Bei entsprechendem Interesse würden auch vergünstigte Packetlösungen angeboten werden. Rückmeldungen sind hierzu herzlich willkommen!

Mit LINEAPP kann wohl ein Teil des Kat-Leuchtturmkonzepts rasch und einfach realisiert werden.

Verschiedene Meldungen und Berichte

Situation im europäischen Stromversorgungssystem

Die angeführten Beispiele stammen rein aus öffentlich verfügbaren Quellen. Sie zeigen die aktuellen Herausforderungen auf und sollten uns an die Truthahn-Illusion erinnern.