Letzte Aktualisierung am 04. Dezember 2015.

Quelle: EVN Journal

Was würde passieren, wenn die Stromversorgung in Europa großflächig zusammenbricht? Und wie kann sie möglichst rasch wieder hergestellt werden? Teams der EVN probten vor kurzem für den Ernstfall.

Eine Schlüsselrolle beim Wiederaufbau haben Kraftwerke mit sogenannten Schwarzstart-Eigenschaften: Anlagen, die aus eigener Kraft und ohne externe Stromversorgung in Betrieb genommen werden können. Sie sind der Ausgangspunkt, von dem aus im Ernstfall die Versorgung wieder aufgebaut wird. Die EVN besitzt zwei derartige Anlagen: das PumpspeicherKraftwerk Ottenstein und das Wärmekraftwerk Theiß.

Mitte September haben EVN Teams im Rahmen einer großen Schwarzstart-Übung trainiert, wie nach einem Blackout mithilfe der Kraftwerke Theiß und Ottenstein das Netz wiederaufgebaut werden kann. In Ottenstein kann dazu Wasser aus dem Staubecken direkt auf die Turbinen geleitet werden, die dann über die Generatoren sofort mit der Stromproduktion beginnen. In Theiß sorgen ein Notstrom-Dieselaggregat und ein Druckluftspeicher dafür, dass eine Gasturbine im Notfall auch ohne externes Stromnetz startet. Beide Systeme wurden bei der Schwarzstart-Übung erfolgreich getestet. Fazit am Ende der Übung: Die EVN ist bestens vorbereitet.

Film zur Übung demnächst auf Youtube: www.youtube.com/user/evnergy

Kommentar

Es ist erfreulich, dass die EVN auch schwarzstartfähige Kraftwerke hat und den Schwarzstart übt. Auch andere Bundesländer haben zum Glück noch diese inoffiziellen Fähigkeiten. Offiziell werden vom Regulator (E-Control) nur die beiden Pumpspeicherkraftwerke Kaprun und Malta für diese Fähigkeit zugebilligt und auch finanziell abgegolten. Denn er ist der Meinung, dass die Sorge vor einem Blackout und die Vorbereitung darauf nur „Fürchten auf Vorrat“ ist und es daher nicht notwendig ist, auch einen dezentralen Netzwiederaufbau vorzusehen. Zum Glück sind sich die Verteilnetzbetreiber der Gefahr bewusst und haben diese Fähigkeit trotz Sparzwang und großen wirtschaftlichen Herausforderungen nicht aufgegeben.

Nichtsdestotrotz bedeutet das keine Entwarnung für den Rest der Gesellschaft. Denn auch ein dezentraler Netzwiederaufbau dauert Zeit. Und sollte es beim Zusammenschluss der Inseln zu einer Fehlschaltung kommen, fällt das gesamte System wieder aus. Gleichzeitig muss auf die Erfahrungen der Schweiz im Rahmen der Sicherheitsverbundsübung 2014 verwiesen werden:

70 % Strom != 70 % funktionierender Alltag
Nicht der Stromausfall, sondern die lang andauernde Strommangellage zeichnet sich als grösste Herausforderung im Szenario der SVU 14 ab. Ein Totalausfall gewisser kritischer Infrastrukturen ist sehr wahrscheinlich, denn weniger Strom heisst oft nicht, dass weniger geht, sondern, dass gar nichts geht. Informations- und Kommunika tionstechnologien (IKT) steuern wichtige Systeme (Transport, Telefonie, Lagerhaltung, Zahlungsverkehr etc.). Nichts geht heute mehr ohne IKT, aber ohne Strom geht IKT nicht. In dieser Situation sind Diesel oder andere Treibstoffe als Ersatz für lokale Strompro duktion unabdingbar. Quelle: Newsletter Juni 2014

Zum anderen sei hier auch auf die Erkenntnisse der Sicherheitsforschungsstudie BlackÖ.2: Blackoutprävention und –intervention – Endbericht verwiesen:

Auch wenn eine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung für die Verteilernetzbetreiber nicht vorgesehen ist, ist dennoch davon auszugehen, dass auch diese im Rahmen von großflächigen Stromausfällen parallel zu den Aktivitäten der Übertragungsnetzbetreiber mit dem Wiederaufbau ihrer Netze (regional) beginnen dürfen. Aufgrund historischer Gegebenheiten sind nämlich viele Verteilernetzbetreiber technisch und organisatorisch dazu in der Lage, in Absprache mit den jeweiligen Kraftwerksbetreibern, auf entsprechende schwarzstartfähige Kraftwerke zuzugreifen und damit einen Inselbetrieb aufzubauen. Um für den Ernstfall den Netzwiederaufbau inklusive der Zusammenschaltung mit den Übertragungsnetzen zu üben, nehmen diese Verteilernetzbetreiber auch an entsprechenden Trainingseinheiten teil; die dafür anfallenden Kosten der Verteilernetzbetreiber werden von der Regulierungsbehörde anerkannt. Die Berechtigung der Verteilernetzbetreiber zum Wiederaufbau ihrer Netze resultiert u.a. aus ihrer gesetzlichen Verpflichtung zum Betrieb (und eben nicht zum Liegenlassen) ihrer Netze sowie zur Gewährung des Netzzugangs, aber auch daraus, dass die Netzbetreiber aufgrund der Netzzugangsverträge vertraglich zum Versorgungswiederaufbau im Falle von Versorgungsunterbrechungen verpflichtet sind. Aus diesen Verpflichtungen ist zu schließen, dass sie im Falle eines Stromausfalls so schnell wie möglich die Versorgung wieder herstellen müssen, um auch die Auswirkungen des Stromausfalls so weit wie möglich zu reduzieren.

Da die Verteilernetzbetreiber jedoch aufgrund der aktuellen Rechtslage nicht explizit zur Wiederherstellung der Versorgungssicherheit verpflichtet sind, werden ihnen – anders als den Übertragungsnetzbetreibern – die anfallenden Kosten für die vertraglich gesicherte Vorhaltung entsprechender inselbetriebs- bzw. schwarzstartfähiger Kraftwerke durch die Regulierungsbehörde nicht anerkannt und ersetzt. Dies birgt das Risiko, dass die Verteilernetzbetreiber auslaufende Verträge mit entsprechenden Kraftwerksbetreibern unter Umständen nicht verlängern werden, sodass parallele regionale Netzaufbaumöglichkeiten nicht mehr zur Verfügung stehen werden. Da jedoch einerseits – langfristig gesehen – die Gefahr großflächiger Stromausfälle zunehmen wird und andererseits sichergestellt werden muss, dass es auch dezentrale Aufbaumaßmöglichkeiten für den Fall gibt, dass das Übertragungsnetz nicht rasch wiederaufzubauen ist (weil es etwa durch gezielte Angriffe oder Naturereignisse ausgefallen ist), um so die Auswirkungen des Stromausfalls gerade in urbanen Räumen erheblich abzumildern, erscheint es ratsam, die aktuell bestehenden gesetzlichen Regelungen und Netzwiederaufbaukonzepte zu überarbeiten. Sinnvoll wäre ein abgestimmtes und koordiniertes österreichweites Aufbaukonzept der Übertragungsnetzbetreiber mit den Verteilernetzbetreibern, worin u.a. die zu treffenden Maßnahmen sowie die anfallenden Kosten drin verankert wären. Dazu bedarf es auch der Kommunikation und Abstimmung der Verteilernetzbetreiber untereinander, um ein technisch notwendiges und ökonomisch darstellbares Konzept zu entwickeln. Ziel dieses abgestimmten Netzaufbaukonzeptes muss auf jeden Fall sein, zu erreichen, künftig mittels paralleler regionaler und raschen Netzaufbaumöglichkeiten durch die Verteilernetzbetreiber eingetretene Blackouts in Österreich zeitlich deutlich verkürzen zu können und somit die Versorgungssicherheit in ganz Österreich schneller wieder herzustellen, als es ausschließlich durch die Übertragungsnetzbetreiber der Fall ist. Sobald ein entsprechendes Wiederaufbaukonzept erarbeitet wurde, empfiehlt sich eine gesetzliche Änderung im ElWOG 2010, am besten in Form eines durch Verfassungsrecht abgesichertes unmittelbar anwendbares Bundesrecht, womit die unmittelbare Blackout-Prävention und der Netzwiederaufbau nach Großstörungen geregelt wird. Soweit somit auch die Verteilernetzbetreiber vor dem Hintergrund der Gewährleistung der Versorgungssicherheit im erforderlichen und angemessenen Ausmaß gesetzlich verpflichtet sind, gemeinsam und in Abstimmung mit dem Übertragungsnetzbetreiber den Netzwiederaufbau bei Großstörungen vorzunehmen, was die dauerhafte Vorhaltung erforderlicher und geeigneter schwarzstartbzw. inselbetriebsfähiger Kraftwerke sowie die Durchführung entsprechender Übungen für den Ernstfall durch das Personal beinhaltet, wird eine angemessene finanzielle Abgeltung, also eine Anerkennung der anfallenden Kosten, durch die Regulierungsbehörde ebenfalls darstellbar sein.

Die Netzbetreiber unternehmen alles, um ein mögliches Blackout zu verhindern bzw. bereiten sich auch auf den allenfalls notwendigen Netzwiederaufbau vor. Das bedeutet jedoch nicht, dass die restliche Gesellschaft sich daher nicht um dieses Thema kümmern muss. Ganz im Gegenteil. Der Ausfall der anderen Infrastrukturen nach einem Blackout führt zu viel größeren Herausforderungen, da es dort meist keine so umfangreichen Vorkehrungen und Vorbereitungen für den Wiederaufbau gibt!

Schweiz

Die Schweiz im Vergleich verfügt über rund zehn schwarzstartfähige Kraftwerke.