Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) hat in einer aktuellen Umfrage festgestellt, dass ihre Mitgliedsunternehmen eine hohe Anzahl von Stromausfällen zu verzeichnen haben. 42 Prozent der rund 1.000 antwortenden Unternehmen hatten kurze Stromausfälle von weniger als drei Minuten, in der Industrie war es sogar die Hälfte der Befragten. Knapp ein Drittel (28 Prozent) hatte Stromausfälle von mehr als 3 Minuten. Besonders die Unterbrechungen unter 3 Minuten sind heikel, da sie in keiner öffentlichen Statistik auftauchen, aber ebenfalls zu erheblichen Betriebsunterbrechungen und Schäden führen können. Die entstandenen Kosten sind bis in den sechsstelligen Bereich gegangen. Bemängelt wurde auch, dass es oft keine Informationen über die Ursache gibt.

Ausfälle über 3 Minuten sind in der Regel die Folge von Schäden an Leitungen oder Betriebsmitteln. Ursachen sind häufig Bauarbeiten, Stürme, und seltener auch Defekte (z.B. Alterung, Montagefehler etc.) In Einzelfällen wurden auch schon Betriebsmittelüberlastungen beobachtet, z.B. durch zu viele nicht registrierte PV-Einspeiser. Hier löst in der Regel eine Sicherung oder vergleichbare Schutzeinrichtungen aus, deren Ersatz länger dauert.

Unterbrechungen unter 3 Minuten können verschiedene Ursachen haben: von Tieren (meist Vögel bzw. deren Fäkalien), die Kurzschlüsse auslösen, über Blitzeinschläge in die Leitungen mit kurzzeitigen Lichtbögen bis hin zu notwendige Schalthandlungen im Netz.  Gegen diese Ereignisse gibt es keinen wirklichen Schutz, sieht man von der Erdverkabelung im Nieder- und Mittelspannungsbereich ab, durch die die witterungsbedingten Ausfälle deutlich zurückgegangen sind. Dafür haben längere Ausfälle durch Bauarbeiten zugenommen.

Empfindlichere Elektronik

Ein Faktor sind Unterbrechungen im Millisekundenbereich, so genannte „Netzwischer“. Meist ist uns nicht so bewusst, dass zahlreiche Normen und Sicherheitsvorschriften zu einer Zeit entstanden sind, als die Elektronik noch keine große Rolle gespielt hat und wo die elektrischen Anlagen deutlich toleranter gegenüber Netzwischern waren.

Das hat sich in den letzten Jahren stark geändert. Zum einen geht heute nichts mehr ohne Elektronik. Diese wird zudem immer „effizienter“ gebaut, was die Störanfälligkeit erhöht. Hinzu kommen Alterungseffekte bei elektronischen Bauteilen, die irgendwann zum Ausfall von Komponenten führen, insbesondere durch solche Kurzunterbrechungen, Laststöße oder zunehmend auch durch Überspannungen, die durch zu viel Photovoltaikstrom im eigenen Netzabschnitt entstehen können. Die Norm wird zwar eingehalten, ist aber 40 Jahre alt und berücksichtigt nicht die Probleme im Elektronikbereich bzw. wird am falschen Ende gespart.

Wer ist nun schuld?

Häufig stellt sich nach einem Schadensfall die Frage, wer nun die Schuld/Verantwortung trägt und damit für die entstandenen Kosten aufkommen muss. Eine Frage, die nicht einfach zu beantworten ist, wenn es keinen eindeutigen Verursacher gibt, wie z.B. bei Bauarbeiten durch eine Baufirma. Bei Wetterereignissen oder Tieren wird es schon schwieriger, wenn nicht gar unmöglich. Grundsätzlich sieht die Norm auch vor, dass die Kunden in der Lage sein müssen, gewisse Schwankungen, z.B. bei der Spannungshaltung, selbst auszugleichen, was entsprechende Planungen und Absicherungen erfordert.

Aufgrund der bisher sehr hohen Versorgungsqualität in Mitteleuropa wurde gerne darauf verzichtet, was sich nun bei neuen, empfindlicheren Anlagen rächen kann. Die Verantwortung liegt also schon heute oft bei den Betreibern. Aber nicht nur. Denn eigentlich müsste der Anlagenbauer entsprechende Absicherungen vorsehen. Diese führen aber in der Regel zu Mehrkosten und einem Wartungsaufwand, der dann gerne gestrichen wird, insbesondere die Wartung, was dann meist erst im Schadensfall sichtbar wird.

Daher beschränkt sich die Verantwortung dann oft schon auf den Anlagenbetreiber und den Anlagenerrichter, wo die Schuld aber wieder leicht im Kreis geschoben werden kann. Wenn der Anlagenbetreiber bestimmte Anforderungen nicht einfordert, kann der Errichter damit Kosten sparen. Auf beiden Seiten ist daher entsprechendes Fachwissen erforderlich, um die richtigen Entscheidungen zu treffen und nicht am falschen Ende zu sparen.

Was kann getan werden?

Eine bessere und transparentere Kommunikation von Seiten der Netzbetreiber – wie sie auch in der Umfrage bemängelt wurde – ist sicherlich wünschenswert und hier gibt es oft noch viel Luft nach oben.

Die Hauptverantwortung – ebenfalls auch das eigene Interesse – liegt jedoch bei den Betreibern, die durch entsprechende Planungen und Vorkehrungen das Schadenspotenzial deutlich reduzieren können. Sofern die Anlagenbauer dies nicht von sich aus anbieten, sind entsprechende Absicherungen dort einzufordern, wo es zu folgenschweren Betriebsunterbrechungen kommen kann.

Grundsätzlich wäre es auch möglich „robustere“ Geräte zu bauen und dies z.B. in einer Norm festzuschreiben. Dies ist beispielsweise bei den Erzeugungsanlagen (Dynamische Anforderungen an Überspannungen/Spannungseinbrüche) geschehen, verursacht aber selbstverständlich auch Kosten an Stellen, wo es vielleicht nicht notwendig ist.

Hier gilt wie so oft das Pareto-Prinzip: Mit 20 Prozent des Aufwandes 80 Prozent des Erfolges erreichen. Meist betrifft dies nur die Leittechnik und nicht die gesamte Anlage, die abgesichert werden muss, was wesentlich einfacher und kostengünstiger ist. Bei der Anlagenkonzeption ist die Störfallbetrachtung mit einer Vermeidung bzw. Reduzierung der Auswirkungen einzubeziehen. Leider werden zu viele Prozesse nur unter Schönwetterbedingungen geplant. Im Betrieb kann es dagegen auch anders aussehen.

Entscheidend für eine resiliente und krisenfeste Organisation ist daher, mögliche Störungen nicht auszublenden und zu ignorieren, sondern von vornherein einzuplanen und entsprechende Prozesse vorzubereiten. Denn eine störungsfreie Realität ist zwar wünschenswert, aber in einer zunehmend vernetzten und interdependenten Welt immer weniger realistisch.

Jedes resiliente Unternehmen muss daher in der Lage sein, grundlegende Antworten auf derartige Störungen parat zu haben, unabhängig davon, ob es sich um kurze Unterbrechungen, gewöhnliche Stromausfälle oder sogar großflächige Abschaltungen oder unerwartete großflächige Systemausfälle („Blackout“) handelt. Für letztere bietet die Gesellschaft für Krisenvorsorge einen umfassenden Leitfaden an (https://gfkv.org/unternehmen).

 

Anmerkungen Mustafa Sahin

Nachstehend meine Anmerkungen aus der Praxis: Es geht hier um Versorgungsqualität (u. a. Spannungs-), die Netzbetreiber laut Netzanschlussvertrag* einhalten muss.

Als Industrieunternehmen schließt man einen individuellen Vertrag mit dem Vor-Ort-Monopolisten ab.

Diesbezüglich begleiten wir unsere Industriekunden seit über 25 Jahren, und die Probleme sind bis dato unverändert geblieben!

In diesem Bereich ist der Gesetzgeber kaum aktiv bzw. er will auch nichts unternehmen!

Für 400-V-Ebene gilt die Niederspannungsanschlussverordnung (NAV; § 18 Haftung, § 20 Techn. Anschlussb.).

Diese Verordnung stellt auch eine Leitfunktion für die individuellen Verträge ab 400-Volt-Ebene dar. Und die Haftung wird weiterhin deutlich beschränkt; wegen Massengeschäft!

Zusätzlich vereinbaren die Netzbetreiber gerne Klauseln bzw. bauen technischen Anschlussbedingungen ein.

* Die Netzbetreiber sind verpflichtet, Musterverträge auf Ihren Webportalen zu veröffentlichen!
Für Netznutzungsvertrag gilt der Beschluss der BNETZA (Az. BK6-17-168). Alle Netzbetreiber sind verpflichtet, ab dem 01.04.2018 nur noch solche Verträge abzuschließen, die diesem Beschluss entsprechen.

Musterbeispiel aus einem Netzanschlussvertrag:

„Spannung und Frequenz (etwa 50 Hz) werden möglichst gleichbleibend gehalten. Stellt der Kunde eine höhere Anforderung an die Spannungsqualität, so obliegt es ihm selbst, Vorkehrungen zum störungsfreien Betrieb seiner Geräte und Anlagen zu treffen!“

Neu im Bereich der Spannungsschwankungen ist aber seit Ende 2022: „Die Betreiber von Verteilnetzen für Strom haften für Schäden, die bei Ihren Kunden durch Spannungsschwankungen verursacht werden.“ Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

https://www.energie-und-management.de/nachrichten/alle/detail/verteilnetzbetreiber-haften-fuer-spannungsschaeden-169334

Letztendlich entscheiden die Gerichte in Bezug auf Produkthaftungsgesetz.

✅ Kommentar zum BGH-Urteil von 2014 über Spannungsüberschreitung: https://www.bbh-blog.de/alle-themen/energie/wann-zahlt-der-netzbetreiber-fuer-fehlerhafte-elektrizitaet-bgh-fuehrt-zum-prodhaftg-aus/

𝐅𝐚𝐳𝐢𝐭: 𝐃𝐞𝐫 𝐭𝐲𝐩𝐢𝐬𝐜𝐡𝐞 𝐍𝐞𝐭𝐳𝐤𝐮𝐧𝐝𝐞 𝐤𝐚𝐧𝐧 𝐚𝐛𝐞𝐫 𝐨𝐡𝐧𝐞 𝐭𝐞𝐜𝐡𝐧𝐢𝐬𝐜𝐡𝐞 𝐮𝐧𝐝 𝐣𝐮𝐫𝐢𝐬𝐭𝐢𝐬𝐜𝐡𝐞 𝐁𝐞𝐫𝐚𝐭𝐞𝐫 𝐤𝐞𝐢𝐧𝐞 𝐕𝐞𝐫𝐡𝐚𝐧𝐝𝐥𝐮𝐧𝐠𝐞𝐧 mit Netzmonopolisten 𝐚𝐮𝐟 Augenhöhe 𝐯𝐨𝐫𝐧𝐞𝐡𝐦𝐞𝐧!

✅ Mein Linkedin-Beitrag hierzu: https://www.linkedin.com/posts/mustafa-sahin-495994aa_%3F%3F%3F%3F-%3F%3F%3F%3F%3F%3F%3F-%3F%3F-%3F%3F%3F%3F%3F%3F-activity-7193984063647473666-nGh8