Letzte Aktualisierung am 12. Juni 2023.

Aufgrund doch einiger heftiger Reaktionen und Rückmeldungen wird dieser Beitrag überarbeitet und ergänzt, da er wohl nicht pauschal so stehen gelassen werden kann. Die Probleme scheinen deutlich umfassender und problematischer und die soziale Decke dünner zu sein, als uns lieb sein kann. Auch wenn die Wirklichkeit dem Wunsch nicht zu entsprechen scheint, ist das die zentrale Basis für eine krisenfitte (resiliente) Gesellschaft. Bauen wir hier nicht vor, erwartet uns wohl eine düstere Zukunft. 

 

Quelle: Ö1 Wissen aktuell vom 13.03.23hier noch abrufbar [der Beitrag ist eine Transkription der Sendung]

Messerangriffe in Zügen oder auch auf den Straßen in österreichischen Großstädten geben manchen Menschen das Gefühl, es gehe immer brutaler zu in unserer Gesellschaft. Wissenschaftler widersprechen dem und sie warnen vor einem Teufelskreis. Aus den USA weiß man es schon lange. Je mehr Waffen im Umlauf sind, desto mehr steigt auch die Waffengewalt.

Auch hierzulande kann man das Gefühl bekommen. Immer mehr Menschen sind zumindest mit Messern bewaffnet. Das trügt aber laut Sven Körner Trainer für Konfliktmanagement und Selbstverteidigung von der Deutschen Sporthochschule Köln. „Ich kann Ihnen nur für die deutsche Situation sagen. Da gibt es seit einigen Jahren auch die Diskussion, dass immer mehr Messer eingesetzt werden. Es liegen wissenschaftliche Untersuchungen dazu vor, die genau das Gegenteil zeigen, auch wenn wir öffentlich eine andere Auffassung haben.“

Sven Kölner forscht zur Gewalt und Aggression und berät und trainiert zum Beispiel Polizei und Ärztinnen zum richtigen Verhalten in Gewaltsituationen. Er sagt, die Annahme, dass sich mehr Leute bewaffnen, sei fatal und sie treibe immer mehr Menschen dazu, sich Waffen zuzulegen, ein Teufelskreis. „Und wir wissen aus der Gewaltforschung, dass das Tragen von solchen Waffen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit assoziiert ist, dass diese Waffen auch angewandt werden können, wo wir irgendwie das Gefühl haben, bedroht zu werden, wo wir provoziert werden. Und wenn ich dann eine Waffe an mir trage, gibt es einfach nur Wahrscheinlichkeit, dass ich die auch nutze. Gerade in emotional aufgeladenen Situationen greife man dann nämlich doch zum Klappmesser. Das wird also oft auch überschätzt, wie vernünftig wir noch in solchen Situationen handeln können. Aber eigentlich wissen wir das. Also, wenn sie mal an eine Streitigkeit denken, wo sie so ein bisschen emotional aufgebracht sind, dann tut man häufig Dinge, die man nachher vernunftmäßig bereut.“

Viele Menschen in Deutschland und Österreich glauben, sie leben in einer zunehmend gewalttätigeren Gesellschaft. Das widerspricht dem wissenschaftlichen Forschungsstand. Bewiesen sei allerdings, dass Menschen, die glauben, dass die Welt ein gewalttätiger Ort ist, häufiger dazu tendieren, selbst aggressiver zu reagieren. „Das ist letzten Endes so etwas wie eine selbsterfüllende Prophezeiung, also ich unterstelle meinen Mitmenschen Aggression, deswegen bin ich selber sehr sensibel, was die Aggression anbetrifft, reagiere oft selber heiß und aggressiv und dadurch eskaliert sozusagen dann auch in uneindeutigen Situationen häufig die Situation hin zu Aggressionen und Gewalt.“

Für Menschen, die sich unsicher fühlen, wäre ein Selbstverteidigungskurs sinnvoll, meint Sven Körner. Er macht allerdings auch darauf aufmerksam, gerade bei spontanen emotionalen Konflikten könne man auch viel mit nachgeben oder beschwichtigen lösen, sich vielleicht einfach mal entschuldigen und den Kontrahenten damit positiv überraschen.