Auswertung des Berichtes Verwundbarkeit und Resilienz der kritischen Infrastrukturen in Südtirol Blackout – Strategische Maßnahmen 

Dieser Bericht zeigt eine sehr holistische Herangehensweise an das Thema Blackout-Vorsorge in Südtirol. Zur Verdeutlichung werden hier einige Aspekte herausgehoben. Damit ist Südtirol wohl neben Österreich ein Vorreiter in Europa, was eine holistische Vorgehensweise betrifft. Nichtsdestotrotz muss aber doch relativiert werden: Zahlreiche Maßnahmen müssen erst noch umgesetzt werden. Aber jeder Schritt, jede Vorsorgemaßnahme, jede Überlegung mehr, als wir heute zur Verfügung hätten, ist bereits ein Gewinn! Aber das sollte uns trotzdem nicht in Scheinsicherheit wiegen. Eine kaskadierende Katastrophe wie ein Blackout kann nicht mit Einzelmaßnahmen bewältigt werden.

Zudem freut mich, dass hier zahlreiche Erkenntnisse bestätigt und verstärkt werden. 

Schlüsselaussagen

Der Lösungsansatz muss folglich in den potentiellen Fähigkeiten jedes/jeder Einzelnen und daraus resultierend in der Resilienz der Allgemeinheit liegen, und nicht bei der Gefahr selbst oder einem genau vorausgesehenen oder voraussehbaren Szenario starten.

Am komplexesten und wegen ihrer Vielseitigkeit oder ihrer starken Konzentration am schwersten in den Griff zu kriegen sind die Dominoeffekte, die durch die Elemente mit der schwächsten Resilienz verursacht werden. Die Häufung und gegenseitige Beeinflussung vieler geringfügiger Dominoeffekte kann insgesamt weitreichendere und schwerwiegendere Folgen haben als einige wenig relevante Auswirkungen, deshalb muss der Zivilschutz in Zusammenarbeit mit den öffentlichen und privaten Stakeholdern auf eine Stärkung der allgemeinen Resilienz, das heißt einer Resilienz auf allen Ebenen hinarbeiten und mit gezielten Maßnahmen ein sogenanntes Resilienznetz aufbauen, mit dem die Auswirkungen des Ereignisses abgefangen werden können. Ausschlaggebend für die Deckung des Resilienzbedarfs des „Systems Südtirol“ sind ein flächendeckendes Resilienznetz, das aus einzelnen Gebietsnetzen besteht, bei denen Beteiligte auf verschiedenen Ebenen einbezogen werden (man spricht hier von vertikaler Resilienz), und die Resilienz als Produkt einer verbesserten Fähigkeit aneinander angrenzender Gebiete zur Zusammenarbeit oder aber als Produkt einer verbesserten Fähigkeit der Institutionen zur grenzüberscheitenden Zusammenarbeit und Information (horizontale Resilienz).

Das Blackout-Risiko wird in Südtirol ganzheitlich angegangen, wobei alle hiesigen Akteure und Einrichtungen bereits aktiv in die Planung einbezogen werden. Die Ergebnisse der Workshops haben deutlich gezeigt, dass ein einzelner allumfassender Gesamtplan zur Resilienz und zur Krisenbewältigung ineffizient und nicht anwendbar wäre, weshalb man sich für ein differenziertes, auf verschiedenen Ebenen greifendes Konzept entschieden hat, das vorwiegend auf dem “Safe-fail” beruht, das heißt auf einem System, das auf Ausfallsicherheit der kritischen Infrastrukturen setzt, damit die Folgen einer Störung so gering wie möglich gehalten werden können, im Gegensatz zum “Fail-safe-System”, das einen Plan zur absoluten Sicherheit für den BlackoutFall vorsieht, bei einem Fehlschlag dieses Plans aber zu katastrophalen Folgen führen kann.

Zusammenfassung der Ergebnisse der Workshops 2013-2017

Vorrangiges Ziel bei diesem Vorgehen war, dass alle Beteiligten durch Gegenüberstellung ihrer Sichtweise des Problems, die der anderen kennenlernen und dafür sensibilisiert werden und dadurch verantwortungsbewusst von sich aus und nicht gezwungen Vorsorgemaßnahmen in Zusammenarbeit mit den anderen treffen. Zu diesem Zweck wurden verschiedene Komponenten der Eigenverantwortung von Behörden, Organisationen, Einsatzstellen und Betreibern auf allen Ebenen, aber auch des/der Einzelnen, sei es im Privaten sei es bei der Arbeit, entwickelt. Grundlagen für eine nachhaltige Resilienz sind die Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und Privaten und das Verhältnis zwischen den Privaten untereinander; dies kann erreicht werden durch:

  • die Stärkung des Risikobewusstseins in der Bevölkerung, bei den zuständigen Behörden und bei den Betreibern kritischer Infrastrukturen und die daraus folgende Stärkung der Resilienz und der Eigenverantwortung in der Gesellschaft allgemein,
  • die Verbesserung der Zusammenarbeit der verschiedenen Institutionen (horizontale Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen den Institutionen im jeweiligen Gebiet),
  • die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Verwaltungsebenen (vertikale Zusammenarbeit zwischen Staat, Land, Gemeinde, Betreiber und Einsatzstellen im jeweiligen Gebiet),
  • die Verbesserung der Interaktion, der Kommunikation und der Zusammenarbeit zwischen Institutionen, Bevölkerung und Einsatzkräften (Freiwillige, Fachleute, Universität, Betreiber usw.).

In den Workshops konnten zahlreiche, teils sehr einfache, teils sehr komplexe strategische Maßnahmen erarbeitet werden. Daraus ergab sich eine Reihe von nachhaltigen Maßnahmen, die von den meisten Beteiligten

Durch die Veranstaltung der Workshops konnten die Teilnehmenden die Vorbereitung der verschiedenen Einrichtungen und Organisationen auf den konkreten Problemfall kennenlernen, vergleichen und verstehen lernen und vor allem konnte einvernehmlich die Grundlage für gemeinsame Vorsorgemaßnahmen geschaffen werden, was wichtig ist, weil Eigenverantwortung stärker empfunden wird, wenn man aktiv zur Lösung beiträgt und nicht dazu gezwungen wird.

Wichtig ist, dass Behörden und Betreiber auf den verschiedenen Ebenen, aber auch der einzelne Bürger/die einzelne Bürgerin sei es im Privatleben sei es am Arbeitsplatz Verantwortung übernehmen: Die Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Bereich und ihr Verhältnis zueinander sind der Schlüssel zu einer nachhaltigen Resilienzentwicklung. Am komplexesten und wegen ihrer Vielseitigkeit oder ihrer starken Konzentration am schwersten in den Griff zu kriegen sind die Dominoeffekte, die durch die Elemente mit der schwächsten Resilienz verursacht werden: Die Häufung und gegenseitige Beeinflussung vieler geringfügiger Dominoeffekte kann insgesamt weitreichendere und schwerwiegendere Folgen haben als wenige relevante Auswirkungen. Aus diesen Überlegungen ergeben sich folgende Risikoschwerpunkte, die im Laufe der Workshops erarbeitet wurden:

  • Relevante Blackouts sind selten und die Reaktion darauf schwer einzuplanen, weshalb der Wissensaustausch und die konkrete Praxis wie bei allen seltenen Notfällen kritisch sind, oft auch wegen Wechsel der Führungskräfte der beteiligten Organisationen und Einrichtungen.
  • Vorbeugende Maßnahmen, die von der Agentur für Bevölkerungsschutz im Alleingang geplant werden, sind nicht nachhaltig, vielmehr muss eine Resilienz und Eigenverantwortung entwickelt werden, die von allen mitgetragen wird. Nur so kann der allgemeinen Verwundbarkeit, die sich durch ein Blackout zwangsweise ergibt (im Gegensatz zu anderen Situationen, bei denen die Gefahrenquelle klar definierbar ist), entgegengewirkt werden.
  • Information und Schulung der Bevölkerung müssen je nach Zielgruppe (Schule, Familie, Wirtschaft, Institutionen) über verschiedene Kanäle und mit unterschiedlichen Methoden und Inhalten erfolgen.
  • Es sind auch die indirekten Auswirkungen und Verwundbarkeiten zu berücksichtigen, nichts darf als selbstverständlich hingenommen werden.
  • Umfangreiche strukturelle Lösungen bringen nichts, weil zu viel gegenseitige Abhängigkeit entsteht.
  • Es braucht eine klare Planung der Autonomie und der Eigenversorgung mit Brennstoff bei einem Blackout. Leicht zugänglicher Brennstoffvorrat ist für das Rettungs- und Zivilschutzsystem unverzichtbar.
  • In manchen Situationen ist nur eine beschränkte Versorgung möglich, deshalb müssen bereits im Vorfeld die Einrichtungen bestimmt werden, die nach Möglichkeit vorrangig zu versorgen sind.

Zum Abschluss wurden noch ein paar Widersprüche besprochen, die sich bei der Bewältigung eines Blackouts ergeben: Der Ausbau und die Verknüpfung verschiedener Netze und die Zusammenarbeit stärken zwar die Resilienz, müssen aber mit Bedacht erfolgen, da sie Mehrkosten, zusätzliche Fehlerquellen und komplexere Zusammenhänge zur Folge haben. Wichtig ist nicht nur, dass die Zuverlässigkeit der Redundanzen geprüft wird, sondern auch, dass alles Überflüssige (z.B. das Backup vom Backup des Backups) weggelassen wird, denn je mehr Komponenten vorhanden sind, desto höher steigt das Fehlerrisiko [Einfachheit!]. Das ganze System wird auch dadurch geschwächt, dass man sich allgemein zu sehr auf die Technik verlässt, was im Notfall verfänglich werden kann (z. B. wenn ein Techniker, der Bereitschaftsdienst hat, sein Auto nicht aus der Garage bringt, weil sich das automatische Tor nicht händisch öffnen lässt).

Ein weiterer Widerspruch ergibt sich oft bei der Wahl der vorrangigen Maßnahmen. Manchmal wäre es besser, alle Kräfte darauf zu konzentrieren, ein Kraftwerk wieder in Gang zu bringen, als die Notstromversorgung für ein einzelnes Krankenhaus zu organisieren. Die Auswirkungen einer möglichen Kettenreaktion eines Blackouts auf verschiedene Infrastrukturen muss genau geprüft werden, damit Prioritäten festgelegt werden können. Im Laufe der Jahre hat sich die Technik immer mehr verfeinert, die Computer werden immer „menschlicher“, sie haben gelernt zu lernen und zu denken, fast wie der Mensch. Gleichzeitig verhält sich der Mensch leider immer mehr wie eine Maschine, er denkt in Algorithmen, was nicht mal mehr ein Computer macht (dieser verwendet neuronale Netze). Auch dieser Widerspruch sollte bei der Planung berücksichtigt werden.

Paradox ist auch, dass viele sich nicht bewusst sind, wie vielfältig die gegenseitige Abhängigkeit ist. Diese zeigt sich oft erst so richtig in Stresssituationen, also sobald der Notstand ausgerufen wird. Mit diesem Problem muss man zwangsläufig rechnen, es ist aber schwer einschätzbar, weshalb auch der „worst case“ nur begrenzt definiert werden kann.

In der Materialkunde besteht der Unterschied zwischen einem zerbrechlichen und einem bruchfesten oder widerstandsfähigen Material darin, wie weit sich ein Sprung ausbreitet und neue verursacht. Bezogen auf die Resilienz der Gebietssysteme heißt das, dass jedes System sich so entwickeln muss, dass es eine Anomalie wegstecken kann, bevor alles zerstört wird. Man muss sich aber auch bewusst sein, dass kein System so konzipiert werden kann, dass es alle möglichen Schläge ohne Schaden übersteht. Die Planung muss deshalb vom “Fail-Safe” zum “Safe-Fail” übergehen.

Angestoßene Maßnahmenpakete 

Blackout-Vorsorge Südtirol – Übersicht der strategischen Maßnahmen – S39

Planungsfaktoren

Blackout-Vorsorge Südtirol – Planungsfaktoren – S40

Maßnahmen für Rückfallebenen

Zum Beispiel könnte bei Tunnels die Versorgung der verschiedenen vorgesehenen Systeme (Beleuchtung, Lüftung, Fernkontrolle usw.) sorgfältig so geplant werden, dass eine Mindestzeit an autonomem Betrieb gewährleistet ist und sie nicht sofort geschlossen werden müssen oder wenigstens eine beschränkte Durchfahrt erlaubt wird.

Die wichtigsten Beförderungs- und Einsatzdienste müssen über bestimmte Versorgungsstellen verfügen, während die nicht strategischen Dienste unterbrochen und vorübergehend stillgelegt werden müssen, um zu vermeiden, dass Einsatzkräfte, die nicht dringend gebraucht werden, unnötig Ressourcen verbrauchen, die für die strategisch wichtigeren bestimmt sind. Zu diesem Zweck müssen die Grundversorgungseinrichtungen, -infrastrukturen und -dienste (Lebensmittellieferung, Krankenhäuser, Trinkwasser, Brennstoffe usw.) festgelegt und klassifiziert werden. Es muss ein nach Prioritäten gestaffelter Plan zur Notbeheizung und Notstromversorgung ausgearbeitet werden, um den Betrieb der Notunterkünfte zu gewährleisten. Wenn möglich, soll eine Versorgung im Inselbetrieb vorgesehen werden. Es müssen strategische resiliente Versorgungsstellen für den Brennstoffnachschub bestimmt werden.

Die öffentliche Hand sollte die Erlangung der betrieblichen Kontinuitätsbescheinigung (BCM) fördern, weil dadurch die Resilienz der Anbieter von Grundversorgungs- und der gemeinnützigen Diensten gestärkt wird, die oft von Privaten getragen werden.

Im Sinne einer Risikokultur sollte sich die Information vorwiegend an die Jüngsten in den Schulen richten, denn sie sind die Zukunft. Zu diesem Zweck sollten mit den Schulen eigene Programme und Inhalte zum Thema Selbstschutz vor Katastrophen erarbeitet werden.

Die Schließung oder Unterbrechung von Diensten, die nicht Grundversorgungsdienste sind (z.B. Schulen, um unnötigen Verkehr zu vermeiden) muss mit klaren Anweisungen und Verfahren erfolgen, damit das Ganze nicht unkoordiniert und lückenhaft verläuft. Hier nehmen die zentralen Stellen eine wichtige Rolle ein, vor allem in der vorbeugenden Planung. Für jeden dieser Dienste sollte ein „Auslösemoment“ festgelegt werden, damit sie in kritischen Situationen wissen, wann ihre Tätigkeit heruntergefahren werden muss.

Jede Gemeinde sollte einen Business-Continuity-Plan haben, in dem die kritischen Dienste (Buchhaltung, Meldeamt, Abfallentsorgung, örtliche Dienste) aufgelistet und die Standards für die zur Wiederherstellung erforderlichen Zeiten festgelegt werden.

Die Business-Continuity muss auf allen Ebenen vorangetrieben werden. Auf jeden Fall müssen die Nutzer/Nutzerinnen genau informiert werden.

Manche Dienste scheinen im ersten Moment wenig kritisch, können aber, wenn sie ausfallen, eine Kettenreaktion auslösen, zum Beispiel das Essen auf Rädern oder Therapien für Pflegebedürftige.

Kürzere Reaktionszeiten können dadurch erreicht werden, dass bereits im Vorhinein klare Anweisungen gegeben und festgeschrieben werden, nach denen der Verwaltungsapparat und die öffentlichen Dienste bei einem Blackout entweder gezielt reduziert und unterbrochen werden oder aber weiterarbeiten und nur die Zahlungsdienste unterbrochen werden.

Gefährdete Gruppen und Bereiche

Blackout-Vorsorge Südtirol – Gefährdete Gruppen und Bereiche – S41
Blackout-Vorsorge Südtirol – Gefährdete Gruppen und Bereiche – S42
Blackout-Vorsorge Südtirol – Gefährdete Gruppen und Bereiche – S43