Das neue Buch von Nassim Taleb, Das Risiko und sein Preis: Skin in the Game, bietet wieder interessant Gedanken zum Umgang mit systemischen Risiken. Hier einige Auszüge daraus:

Panikmache hinsichtlich gewisser Ereignis-Klassen ist Panikmache; hinsichtlich gewisser anderer Ereignis- Klassen nicht. Risiko ist nicht dasselbe wie Ruin. S. 315

Gerde diese Aussage gilt ganz besonders für das Szenario eines europaweiten Strom- und Infrastrukturausfalls („Blackout“).

… man sollte sich nicht auf eine Aktion mit einer gewaltigen Schattenseite einlassen, wenn man keine Vorstellung von den Resultaten hat. S. 23

Wir waren immer schon verrückt, aber wir waren nicht schlau genug, um die Welt zu zerstören. Jetzt können wir es. S. 25

Dezentralisation beruht auf der simplen Formel, dass es leichter ist, Makrobullshit zu produzieren als Mikrobullshit. Dezentralisation reduziert große strukturelle Asymmetrien. Aber wir müssen uns darum nicht unbedingt selber kümmern – wenn wir es nicht in die Hand nehmen, wird es von allein passieren, auf die harte Tour: Ein System, in dem es den Mechanismus von Skin in the Game nicht gibt, wird irgendwann in die Luft fliegen und sich auf diese Weise selbst reparieren. Wenn es überlebt. S. 27

Sie werden nie jemanden vollständig davon überzeugen können, dass er sich irrt, das schafft nur die Realität. S. 29

Was schlecht ist, wissen wir sehr viel genauer, als was gut ist. S. 36

…, dass via negativa (Handeln durch Entfernen) effektiver und weniger fehleranfällig ist als via positiva (Handeln durch Hinzufügen). S. 36

Wir erinnern uns, dass dies die Grundvoraussetzung der Evolution ist: dass Systeme durch Eliminierung klüger werden. Und da ist noch ein weiterer Punkt: Wir wissen im Voraus möglicherweise nicht, ob eine Handlung töricht ist – die Realität hingegen weiß es ganz genau. S. 42

Es ist für uns schwieriger, etwas zurückzubauen, als etwas zu bauen; S. 44

Per definitionem kann etwas, das funktioniert, nicht irrational sein; S. 45

Dinge, die von Menschen ohne Skin in the Game entworfen werden, nehmen tendenziell an Komplexität zu (bevor sie schließlich in sich zusammenbrechen). S. 50

Und natürlich werden Regelungen, wenn sie einmal eingeführt sind, auch eingeführt bleiben; selbst wenn sie sich als absurd erwiesen haben, scheuen Politiker – unter dem Druck derjenigen, die davon profitieren – davor zurück, sie aufzuheben. Da solche Regelungen also die Tendenz haben, sich nur immer weiter zu vermehren, ersticken sie Wirtschaftsbetriebe. Sie ersticken auch Leben. S. 53

Eine intolerante Minderheit kann die Demokratie unter ihre Kontrolle bringen und zerstören. S. 125

»Zweifle nie daran, dass eine kleine Gruppe intelligenter engagierter Menschen die Welt verändern kann. In der Tat ist es nie jemand anderes gewesen«, schrieb Margaret Mead. S. 127

Willkommen in der Jetztzeit. In einer Welt, in der Produkte zunehmend von zunehmend spezialisierten Subunternehmern hergestellt werden, sind Angestellte für einige spezifische, heikle Aufgaben notwendiger als je zuvor. Wenn auch nur ein Schritt innerhalb eines Prozesses ausfällt, kann das dazu führen, dass der gesamte Betrieb zusammenbricht – das erklärt, warum man heute, in einer vermeintlich effizienteren Welt mit niedrigeren Lagerbeständen und zahlreicheren Subunternehmern, zwar den Eindruck bekommt, dass alles runder und effizienter läuft. Dafür sind aber die Irrtümer auch kostspieliger, und Verspätungen fallen entschieden länger aus als früher. Eine einzige Verzögerung in der Kette kann den gesamten Prozess unterbrechen. S. 143

Regulierer haben ein Interesse daran, Regeln so komplex wie möglich zu gestalten, damit sie ihr Expertenwissen dann später zu einem höheren Preis anbieten können. S. 194

Wenn wir etwas, das Auswirkungen auf das Gesamtsystem hat, nicht verstehen, dann sollten wir es vermeiden. Modelle sind irrtumsanfällig, eine Tatsache, die mir aus dem Finanzsektor durchaus vertraut war; die meisten Risiken tauchten erst in den Analysen auf, die erstellt wurden, nachdem der Schaden angerichtet war. S. 247

Selbst in den empirischen Wissenschaften erhalten positive Resultate (»das funktioniert«) tendenziell mehr Aufmerksamkeit als negative (»das funktioniert nicht«), es muss uns also nicht überraschen, dass Historiker und Spezialisten für Internationale Beziehungen in dieselbe Falle gehen. S. 268

Das zentrale Problem besteht darin, dass, wenn die Möglichkeit eines Ruins existiert, keine Kosten-Nutzen- Analysen mehr möglich sind. S. 306

Eine einzige Zigarette zu rauchen ist absolut harmlos, eine Kosten-Nutzen- Analyse würde es also als irrational bezeichnen, so viel Vergnügen wegen eines so geringen Risikos aufzugeben! Aber bei einer bestimmten Anzahl von Packungen pro Jahr oder Zehntausenden Zigaretten ist Rauchen tödlich – wenn man sich also dem Risiko wiederholt, seriell aussetzt. S. 308

Minderheiten-Regel: Eine Asymmetrie, in der das Verhalten der Gesamtheit von den Präferenzen einer Minderheit diktiert wird. Raucher können sich in rauchfreien Zonen aufhalten, Nichtraucher aber nicht in Raucherbereichen, daher werden die Nichtraucher siegen – nicht weil sie ursprünglich in der Mehrheit waren, sondern weil sie asymmetrisch sind. S. 325