In diesem Beitrag werden Überlegungen skizziert, wie mit einfachen Maßnahmen der Alltag der Bevölkerung und Infrastruktursysteme auf kommunaler Ebene robuster gestaltet werden können.  Dieser Beitrag ist auch in der Österreichischen Gemeindezeitung Nr. 11/2017 erschienen.

Handlungsfähigkeit der Bevölkerung

In letzter Zeit wurden mehrere Studienergebnisse veröffentlicht, die sich mit den infrastrukturellen Abhängigkeiten und damit mit unserer gesellschaftlichen Verwundbarkeit beschäftigen. Sie bestätigen die bisher getroffenen Aussagen und fordern besonders die aktive Einbindung der Bevölkerung in die Krisenvorsorge ein, was derzeit völlig unzureichend sei: Aufklärung kann dazu beitragen, dass die Bevölkerung durch ihr Verhalten mithilft, Verwundbarkeiten des Energiesystems zu mildern und auf widrige Ereignisse wie großräumige Stromausfälle angemessen zu reagieren. Bislang trifft die überwiegende Mehrheit der Menschen keinerlei Vorsorge, um mögliche längere Stromausfälle zu überbrücken.

Daher handelt es sich um eine klare Aufforderung, der Bevölkerung reinen Wein einzuschenken. Nicht, um sie zu verunsichern, sondern um ihr die Möglichkeit zu geben, sich bewusst mit den neuen Herausforderungen auseinanderzusetzen und die eigenen Handlungskompetenzen und damit die Selbstwirksamkeit zu stärken.

Eigenversorgungsfähigkeit

Vorrat für eine Person und zwei Wochen

Katastrophenschutzpläne, Krisenhandbücher, Stabsübungen, usw. sind wichtig. Sie werden jedoch bei einem weitreichenden Infrastrukturausfall nur dann funktionieren, wenn das eigene Personal bis zum letzten Mitglied und dessen Familie auf ein solches Szenario vorbereitet sind. Denn wenn sich die eigene Familie nicht mehr ausreichend selbst versorgen kann, fehlen die Ressourcen, um anderen helfen zu können. Und wenn zu viele Menschen auf Hilfe angewiesen sind, werden die Ressourcen auch nicht ausreichen. Ein Teufelskreis, vor dem keine Organisation oder Unternehmen gefeit ist. Die Selbstversorgungsfähigkeit der Bevölkerung für zumindest 1-2 Wochen ist daher die zwingend erforderliche Basis für alle anderen Überlegungen. Wenn diese nicht existiert, sind alle anderen Maßnahmen auf Sand gebaut.

Der Schlüssel für eine erfolgreiche Krisenbewältigungsfähigkeit liegt daher in der Kommunikation vor der Krise. Nutzen Sie die Ressourcen der Zivilschutzverbände bei der Information Ihrer BürgerInnen. Information alleine ist jedoch zu wenig! Nur durch die aktive Kommunikation von Angesicht zu Angesicht werden die Menschen auch wirklich erreicht werden können. Das Thema Vorsorge und Robustheit muss daher zum Gesprächsthema werden. Am besten, indem nicht die Krise, sondern die Selbstwirksamkeit im Vordergrund gestellt wird, damit man gelassen möglichen unerwarteten Ereignissen entgegenblicken kann.

Mögliche Maßnahmen zur Erhöhung der Robustheit

Das Personal der Einsatzorganisationen oder kommunalen Betrieben muss bereits vor einer derartigen Krise wissen, was zu tun ist, wenn keine Telekommunikation mehr funktioniert und daher keine Alarmierung erfolgen kann („Offline-Pläne“). Das bedeutet, dass eine dezentrale, autonome Handlungsfähigkeit sichergestellt sein muss.

Neben den organisatorischen und kommunikativen Maßnahmen gibt es auch eine Reihe von einfachen technischen Lösungen, die zur Erhöhung der Robustheit der regionalen Infrastrukturen und Strukturen beitragen können. Das beginnt mit notstromversorgten oder mit einem Einspeisepunkt ausgestatteten Betriebstankstellen, damit die Einsatzorganisationen und wichtige notstromversorgte Einrichtungen (Krisenstäbe, Krankenhäuser, etc.) im Krisenfall auch mit Treibstoff versorgt werden können. Nutzen Sie hier Synergiepotentiale, um den Aufwand und die finanzielle Belastung für alle so gering als möglich zu halten. Der Schlüssel liegt in der Kooperation. Es muss nicht jeder alles können und vorhalten.

Hier würde sich auch eine inselbetriebsfähigen PV-Anlage („notversorgungsfähige Energiezelle“) anbieten. Das bedeutet, dass diese Anlage auch bei einem Netzausfall funktioniert, was derzeit nur sehr wenige können. Auch hier gilt eine sinnvolle Kombination, um etwa mit immer kostengünstiger werdenden Speicherlösungen die Eigenverbrauchsquote des selbstproduzierten Stroms zu erhöhen. Damit wird ein Mehrwert geschaffen und die Kosten reduziert.

Für notversorgungsfähige Energiezellen können auch andere Anlagen, wie Kleinwasserkraftwerke oder Biogasanlagen herangezogen werden. Gerade die derzeit sehr in Verruf geratenen Biogasanlagen könnten für die Gemeinde ein wichtiges Notstromaggregat darstellen, wenn man die entsprechenden Vorkehrungen in Absprache mit dem Netzbetreiber trifft. So könnten wichtige Einrichtungen wie Krisenstäbe, Tankstellen, Einsatzorganisationen oder Pflegeheime notstromversorgt werden. Auch Kläranlagen mit einem eigenen Blockheizkraftwerk (BHKW) werden betriebswirtschaftlich zunehmend interessanter und können einen Beitrag zur Notstromversorgung in der Gemeinde liefern. Solche wichtigen kommunalen Maßnahmen zur Erhöhung der Robustheit könnten auch mit Bürgerbeteiligungsmodellen durchgeführt werden. Damit würde man wiederum die Bevölkerung aktiv einbinden und das Bewusstsein heben.

Statt wie derzeit üblich, PV-Anlagen pauschal zu fördern, sollten nur mehr inselbetriebsfähige Anlagen bzw. notversorgungsfähige Energiezellen bei wichtigen Einrichtungen oder landwirtschaftlichen Betrieben gefördert werden. Wenn Sie diese Förderung mit einem kommunalen Selbsthilfe-Basis-Konzept kombinieren, erhöhen Sie automatisch die Robustheit eines ganzen Ortsteils oder Grätzels. Und Sie reduzieren damit die potentielle Anzahl von Menschen, die im Katastrophenfall auf externe Hilfe angewiesen sind.

Eine Verankerung in der Bauordnung schafft eine zusätzliche Nachhaltigkeit. Fixe Vorgaben bei größeren Wohnhausprojekten sollten selbstverständlich sein. Es geht dabei nicht um eine Voll-, sondern nur um eine Notversorgung. Beispielsweise, um temporär Heizungspumpen oder Kühlgeräte versorgen zu können, oder eine minimale Beleuchtung sicherzustellen, damit die Unfallgefahr reduziert wird. Weitergedacht, müssten auch Vorgaben für die Lagermöglichkeit von Vorräten einfließen. Allzu häufig wird als Ausrede für die mangelhafte Eigenvorsorge der fehlende Platz genannt, speziell was Trinkwasservorräte betrifft.

In Tourismusregionen sind zudem weitergehende Überlegungen erforderlich, welche Maßnahmen zur Versorgung einer Vielzahl von auf fremde Hilfe angewiesenen Menschen sinnvoll und notwendig sind und wie die Robustheit der Beherbergungsbetriebe erhöht werden kann. Dabei ist wiederum auf Einfachheit und Praxistauglichkeit zu achten. Die Dinge müssen sich in den Alltag integrieren lassen, sonst werden sie nicht angenommen.

Wie diese wenigen Überlegungen zeigen, kann mit relativ einfachen Maßnahmen die Verwundbarkeit unserer Gesellschaft rasch reduziert und die Robustheit der Gemeinde erhöht werden. Die Gemeinde hat einen gar nicht so kleinen Gestaltungsspielraum. Wir müssen diese Dinge in unser Denken integrieren und sie nicht nur rein kurzfristig betriebswirtschaftlich betrachten. Ganz abgesehen davon, dass wir durch vernetztes Denken und Handeln auch viele andere Herausforderungen besser lösen und einen wichtigen Beitrag zur regionalen Wertschöpfung leisten können. Packen wir es an!