Quelle: Frankfurter Neue Presse

Unfälle oder Angriffe mit biochemischen Giftstoffen können verheerende Auswirkungen haben – gerade in Ballungszentren wie dem Rhein-Main-Gebiet. Der Survival-Experte Detlev Hoppenrath hat ein Buch über solche Szenarien geschrieben.

Sind wir auf solche Gefahrenlagen vorbereitet?
Hoppenrath: Der Staat: ja. Die Bürger: nein.

Wie meinen Sie das?
Hoppenrath: Für den größten Teil der Zivilbevölkerung spielt der Katastrophenschutz heute keine Rolle mehr. Früher war das anders. Während des Kalten Krieges haben die Leute die Katastrophenprävention sehr ernst genommen. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat das abgenommen. Mittlerweile haben die meisten Leute nicht einmal genug Vorräte zuhause, um über zwei, drei Tage zu kommen.

Warum ist das so?
Hoppenrath: Weil die Nachkriegs-Generationen keine Katastrophen mehr erlebt haben. Früher hat praktisch jede Generation mindestens eine einschneidende Katastrophe erlebt. Allein im 20. Jahrhundert hat es in Europa zwei Weltkriege und Bürgerkriege gegeben. Hinzu kommen Pandemien …

… wie die spanische Grippe, die Anfang des Jahrhunderts weltweit fast 50 Millionen Menschen getötet hat.
Hoppenrath: Genau. Inzwischen lebt praktisch niemand mehr, der sich daran erinnern könnte. Aber die Staaten haben diesen Schock nicht vergessen. Das ist nämlich die andere, die positive Seite: Die staatlichen Institutionen sind besser denn je auf Katastrophen vorbereitet.

Was bedeutet es, dass die Bundesregierung diese Maßnahmen verstärkt?
Hoppenrath: Dass die Regierung der Auffassung ist, dass sich die Bedrohungslage wieder intensiviert hat, etwa durch Attentate auf die Infrastruktur, was ja auch gerade diskutiert wird. Oder durch terroristische Angriffe, auch das erleben wir zurzeit in verstärktem Maße.

Kann ich mich auf einen solchen Katastrophenfall vorbereiten?
Hoppenrath: Nur sehr grob. Sie sollten immer genug Wasser zuhause haben.  Außerdem Lebensmittel. Und Ihre wichtigsten Dokumente – Ausweis, Impfpass und so weiter. Zahlungsmittel, am besten Bargeld in kleinen Scheinen. Ein Kurbelradio, damit Sie sich informieren können. Ein über ein Solar-Panel aufladbarer Akku. Und schließlich kann es von entscheidender Bedeutung sein, mobil zu bleiben. Die beste Option ist ein Fahrrad. Mit einer solchen Grundausstattung kommen Sie über ein paar Tage.

Was, wenn ein Katastrophenfall länger andauert?
Hoppenrath: Fällt die öffentliche Infrastruktur für mehr als drei Tage aus, ist mit einem kompletten Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung zu rechnen. Dann kommt es zunächst zu Versorgungsengpässen – es fehlt an Lebensmitteln, Wasser, Energie und so weiter. Die Menschen brechen in Panik aus. Dann kommt es zu Gewaltausbrüchen, zu Plünderungen. Erst vereinzelt, dann massenhaft. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist die öffentliche Ordnung zerstört.

Ist das nicht sehr pessimistisch?
Hoppenrath: Nein. Schauen Sie sich Krisengebiete auf der Welt an – aktuell in  der Ukraine und in Syrien. Das ist keine Spekulation, das sind Erfahrungswerte.

Wie kann ich mich vor gewaltsamen Übergriffen schützen?
Hoppenrath: Von Selbstverteidigung rate ich ab – es sei denn, Sie haben es gelernt. Wer sich nicht verteidigen kann, der sollte es auch gar nicht erst versuchen. Das geht schief.

Was dann?
Hoppenrath: Flüchten Sie. Schnappen Sie sich Ihr Rad und fahren Sie an einen Ort, an dem Sie in Sicherheit sind. Zu Bekannten, zu Freunden – Hauptsache weg aus der Gefahrenzone.

Was, wenn die Krise zum Dauerzustand wird?
Hoppenrath: Wenn die Krise mehrere Wochen, vielleicht sogar Monate, anhält, gelangen wir an einen Punkt, an dem die meisten unserer zivilisatorischen Errungenschaften nicht mehr zur Verfügung stehen . Die Leute tun dann alles, um am Leben zu bleiben. Schauen Sie sich an, was in Deutschland gegen Ende des Krieges los war.   Es ist mit Gewalt und chaotischen Zuständen zu rechnen. Auf so etwas ist niemand vorbereitet.

Kommentar

Dem ist leider nicht viel hinzuzufügen. Wobei ich aus persönlicher Erfahrung die staatlichen Vorsorgen auch nicht überbewerten würde. Denn wenn es zu weitreichenden Infrastrukturausfällen kommt, dann helfen die Vorräte auch nicht wirklich, wenn ich sie nicht verarbeiten/verteilen kann. Auch andere Dinge sind ein einer solchen Dimension nicht bewältigbar, schon gar nicht, wenn der Vorsorge- und vorbereitungsstatus der Bevölkerung derartig mangelhaft ist, wie aktuell. Einmal mehr hier der Hinweis auf die Studie „Ernährungsvorsorge in Österreich“, welche in ähnlicher Weise auch in den anderen Ländern gilt.