Quelle: www.hr-online.de TV-Dokumentation

Grundsätzlich eine anschauliche Dokumentation, wenn auch mit einigen zweifelhaften, fachlichen Aussagen („Virenschutz für Smart Meter„, kursiv hervorgehoben). Eine Familie mit 24 Stunden ohne Strom ist nicht mit Zig- oder Hundert-Millionen Menschen ohne Strom vergleichbar und daher irreführend. Und es gibt nicht nur Hackerangriffe, auch wenn dieses Ereignis mittlerweile Realität geworden ist.

24 Stunden ohne Strom

Video ab 07:40

Täglich brauchen wir Strom. Was ist eigentlich, wenn der Strom ausfällt – und das 24 Stunden lang? Fiele der Strom komplett aus, würden sämtliche elektrischen Geräte nicht mehr funktionieren. Ob Fernseher, Radio, Tablet oder Kaffeemaschine – nichts ginge mehr.

Aber die Einschränkungen gehen noch weiter: Ohne elektrische Pumpe funktioniert die Heizung nicht. Und da auch die elektrischen Pumpen der Wasserversorger bei einem längeren Stromausfall nicht mehr funktionieren würden, gibt es auch kein Wasser mehr, weder in der Küche, im Bad noch in der Toilette!

HACKER-ANGRIFF AUF UNSER STROMNETZ – REALE GEFAHR?

Video ab 12:50
Es ist ein unglaubliches Szenario: Hacker haben es auf unser Stromnetz abgesehen [siehe etwa Die Hackerdämmerung – Smart Meter – eine Gefahr für die SystemsicherheitHacker haben Teile des US-Stromnetzes infiltriert]: Über das Internet dringen sie in unser Energieversorgungssystem ein [siehe auch Österreichische Leittechnikstörun 2013]. Ein paar Mausklicks, ein paar gekonnte Befehle auf der Tastatur – und schon ist es passiert: In ganz Deutschland bricht die Stromversorgung zusammen.

Wie realistisch ist dieses Szenario? Völlig unmöglich wäre ein Hacker-Angriff nicht [siehe First known hacker-caused power outage signals troubling escalation]. Denn es gibt eine Schwachstelle in unserem Stromnetz: Smart Meter, intelligente Stromzähler. Es sind kleine Computer, die bereits in zehntausenden deutschen Kellern laufen. Die Europäische Union möchte, dass sie flächendeckend in allen EU-Staaten eingebaut werden, weil sie Strom sparen helfen.

Doch ihr Funktionsprinzip ist umstritten. Mehrmals stündlich schicken Smart Meter die Verbrauchsdaten eines Haushaltes an den jeweiligen Energieversorger – über Funk oder Internet. Damit sind sie ein neuer Baustein in unserem Stromnetz – ein Stromnetz, dessen Steuerung immer mehr über drahtlose Verbindungen funktioniert.

Bereits jetzt hängt unser Stromnetz an tausenden Computern und Netzwerken. Kraftwerke, Stromtrassen oder Steuerungszentralen – sie alle werden vom Computer aus gesteuert. Und es sollen noch Millionen Smart Meter hinzukommen – weitere kleine Computer, die verwundbar sind. Die Computerexperten der Zeitschrift c‘t magazin halten Smartmeter für eine Schwachstelle: Ihnen ist es bereits gelungen, Heizungen in fremden Kellern abzustellen – über das Internet. Und auch das Hacken eines Smart Meters war für sie ein Kinderspiel.

Ebenso einfach wäre es für professionelle Hacker. Sie könnten theoretisch über die Internetverbindungen der Smart Meter in die Konzerne der Energieversorger eindringen und dort den Befehl geben: Alle Kraftwerke auf Volldampf hochfahren! Ein fataler Impuls: Die Systeme würden nur wenige Sekunden auf Hochtouren laufen – dann würden sie kollabieren. Die Folge: weiträumiger Stromausfall.

Das Problem: Nur wenige Gebäude in Deutschland verfügen über Diesel-Notstromaggregate: Krankenhäuser etwa oder Wasserwerke. Doch auch ihr Stromvorrat hält nicht ewig. Denn die meisten Dieselaggregate sind maximal auf 48 Stunden ausgelegt. Danach müssen sie wieder betankt werden. Aber wie? Auch die Tankstellen sind weg vom Stromnetz und können den Treibstoff nicht mehr aus ihren unterirdischen Tanks pumpen. Zwar gibt es in Deutschland Tankstellen mit Notstromversorgung. Doch davon existierten gerade einmal 16! Das sind viel zu wenige.

Zu diesem Schluss kommt der Risikoforscher Thomas Petermann. Er hat im Auftrag des Deutschen Bundestags untersucht, was solch ein Blackout für unsere Gesellschaft bedeuten würde. Petermann warnt: „Die Versorgung der Notstromaggregate mit Diesel ist in der Tat die Achillesferse im Versorgungssystem. Wenn diese Achillesferse getroffen ist, dann ist auch die Gesellschaft ins Mark getroffen und wird ins Koma fallen.“

Immer mehr Sicherheitsexperten sagen, dass von der zunehmenden Vernetzung unserer Stromversorgung eine Gefahr ausgeht. Nur die Energiekonzerne können diese neue Technologie besser absichern, etwa mit einem zuverlässigen Virenschutz.

SICHERE GASVERSORGUNG?

Video ab 17:38

Und wie steht es ums Gas? Millionen deutsche Haushalte sind tagtäglich darauf angewiesen. Fakt ist: Nur 10 Prozent des benötigten Erdgases kommt aus Deutschland. Außerdem gehen Experten davon aus, dass unsere Gasvorkommen nicht mehr viel länger als 10 Jahre reichen werden. Und schon jetzt ist unsere Abhängigkeit von Importen groß. Über ein Drittel unseres Erdgases kommt aus Russland. Seit dem Beginn des Ukraine-Konflikts ist nicht jedem Wohl dabei. [siehe auch Wie sicher ist unsere Erdgasversorgung wirklich?]

Alles nur Panikmache oder eine reale Gefahr? Wir fragen die Energieökonomin Claudia Kemfert. Wie real die Gefahr ist, dass Russland seine Gaslieferungen einstellt, kann auch sie nicht sagen. Aber sie stellt fest: „Die Abhängigkeit von Russland beim Gas hat sich in den letzten Jahren noch erhöht, weil wir eine direkte Pipeline nach Russland gebaut haben und so zwar einerseits die Versorgungssicherheit erhöht haben, aber andererseits im Krisenfall dann auch anfälliger sind als andere Staaten.“

Gibt es Alternativen, um in Zukunft diese Abhängigkeit zu reduzieren? Etwa andere Lieferanten, von denen wir einfach mehr Gas kaufen? Neben russischem Erdgas importieren wir Gas aus europäischen Nachbarländern – vor allem aus Norwegen und den Niederlanden. Mehr von dort zu beziehen, hätte den Vorteil, dass es bereits bestehende Pipelines gibt. Doch die dortigen Gasvorkommen sind auch begrenzt und es gibt langfristige Verträge mit anderen Abnehmern.

Anders ist das bei Biogas. Mittlerweile ersetzen Deutschlands Biogas-Anlagen mehr als zwei Atomkraftwerke und versorgen mehrere Millionen Haushalte mit Strom. In solchen Anlagen wird unter anderem Mais vergoren und so Gas gewonnen. Doch geht dadurch nicht wertvolle Nahrung verloren? Claudia Kemfert: „Wichtig ist die Nachhaltigkeit, dass man nicht in Konkurrenz kommt zur Lebensmittelindustrie. Man kann aber ausreichend Abfallstoffe nutzen, sowohl im pflanzlichen Bereich, im Lebensmittelbereich als auch im konventionellen Müllbereich. Und all das kann zu Biogas umgewandelt werden – und da gibt es große Potenziale, die man auch nutzen sollte.“

Biogas ist also durchaus eine Idee, um in Zukunft Gas ökologisch gewinnen zu können. Doch den enormen Bedarf kann das nicht abdecken. Deshalb ist die beste Strategie, die erneuerbaren Energien weiter auszubauen. Und da hat Deutschland ein durchaus ehrgeiziges Ziel…