Quelle: www.risknet.de

Ein mangelhafter Umgang mit Unsicherheit zu Fehlschlüssen führen kann, mit dramatischen Auswirkungen bis hin zu vermeidbaren Todesfällen. Was ist also zu tun? Sollten wir Entscheidungen lieber von Menschen fernhalten und in Expertengremien verlagern, die dann – wohlmeinend paternalistisch – für uns die „richtigen“ Entscheidungen treffen? Unter keinen Umständen! Zum einen ist auf Expertenurteile keinesfalls immer Verlass, wie sich durch einen Abgleich zwischen eingetretener Wirklichkeit und Vorhersagen durch Politik, Wissenschaft, Finanzwelt und Medizin wiederholt beobachten lässt. Darüber hinaus teilen Experten oftmals nicht unsere Werte und Ziele. Nein, wir müssen unsere Entscheidungen schon selbst in die Hand nehmen – und können das auch.

Zur Selbstwirksamkeit siehe auch die hier propagierte integrierte Sicherheitskommunikation.

Für gute Entscheidungen unter Unsicherheit müssen wir uns zunächst von dem Leibniz’schen Traum verabschieden, dass es ein universelles Werkzeug für optimale Entscheidungen gibt. Vielmehr brauchen wir einen Werkzeugkasten mit verschiedenen Entscheidungsstrategien. Dieser sollte so unterschiedliche Dinge wie statistisches Denken und Bauchgefühl enthalten. Schließlich müssen wir noch wissen, mit was für einer Art von Unsicherheit wir es zu tun haben, um das passende Werkzeug auswählen zu können.

Siehe auch Das Unerwartete managen als auch das sowohl-als-auch-Denken.

Befinde ich mich in einer Situation, in der ich alle Optionen kenne und ungefähr weiß, mit welcher Wahrscheinlichkeit welches Ergebnis eintreten wird – wir nennen das Entscheiden unter Risiko –, dann brauche ich statistisches Denken. Das ist zum Beispiel bei vielen Entscheidungen in der Medizin der Fall, sei es, dass Sie überlegen, ein Medikament zu nehmen oder an Krebsfrüherkennung teilzunehmen. Basierend auf randomisierten, kontrollierten Studien an großen Stichproben lässt sich quantitativ ziemlich gut abschätzen, wie vielen Menschen eine medizinische Maßnahme nützt und wie vielen sie schadet – und in welchem Ausmaß. Hier lohnen sich statistisches Abwägen und auch komplexe Berechnungen beziehungsweise Modelle.

In den allermeisten Situationen kenne ich jedoch nicht einmal alle meine Optionen, geschweige denn die Wahrscheinlichkeiten verschiedener Ergebnisse. Wir nennen das Entscheiden unter Ungewissheit. Hier kommen wir mit statistischen Berechnungen nicht weiter, sondern benötigen Bauchgefühl und einfache Entscheidungsregeln („Heuristiken“): Wir müssen Informationen ignorieren, um Entscheidungen schneller, sparsamer und mit größerer Genauigkeit zu treffen. Der Punkt der größeren Genauigkeit mag überraschend sein, hören wir doch oft, dass komplexe Probleme auch komplexe Lösungen bräuchten. Das Gegenteil ist der Fall: Gerade komplexe Probleme unter Ungewissheit erfordern einfache Entscheidungsstrategien. Beispiel Finanzmarkt: Studien zeigen, dass vermeintliche Laienstrategien wie „Kaufe, was du kennst“ oder „Verteile dein Geld gleichmäßig auf n Optionen“ erfolgreicher sein können als Urteile von Experten und komplexe, nobelpreisgekrönte Anlagestrategien. In ähnlicher Weise sind bei erfahrenen Entscheidern oftmals schnelle Urteile besser als langsame, vermeintlich wohlüberlegte – sei es in der Medizin, im Sport oder auch bei Konsumenten.

Siehe auch zur Wahrscheinlichkeit eines Blackouts bzw. warum die Konsequenzen und nicht die Wahrscheinlichkeit für die Betrachtung entscheidend sind.

Unsere Welt wird immer eine unsichere bleiben. Wir sollten uns von der Illusion der umfassenden Berechen- und Kontrollierbarkeit verabschieden, ohne in Angststarre zu verfallen. Denn gute Entscheidungen sind dennoch möglich: Je berechenbarer die Situation ist („Risiko“), desto mehr brauchen wir statistisches Denken und komplexe Modelle; je unberechenbarer die Situation ist („Ungewissheit“), desto mehr brauchen wir einfache Heuristiken sowie Intuition (Abbildung 1).

Abbildung 1: Die Kunst eine gute Entscheidung zu treffen: welches Werkzeug brauche ich in welcher Siutation? (übernommen von Gigerenzer, G. (2014). Risk savvy: How to make good decisions. New York: Viking.)

Siehe auch Risiko – Wie man die richtigen Entscheidungen trifft bzw. Resilienz.

Die Kunst des guten Entscheidens besteht darin, zu wissen, wann ich mich in welcher Situation befinde, um das jeweils passende Entscheidungswerkzeug geschickt zum Einsatz zu bringen.

Ein sowohl-als-auch-Denken!

Und sie erfordert den Mut, Entscheidungen nicht zu vermeiden oder zu verschieben, sondern sie beherzt in die Hand zu nehmen und die Verantwortung dafür zu tragen.