Letzte Aktualisierung am 23. Oktober 2015.

Gesamter Leitfaden „Meine Gemeinde auf ein Blackout vorbereiten“ als PDF.

Executive Summary

Die Folgen eines möglichen Blackouts – eines plötzlichen, überregionalen und länger andauernden Strom- und Infrastrukturausfalls – sind für viele Menschen kaum vorstellbar. Wir sind die vielen positiven Errungenschaften der technischen Vernetzung gewohnt und nutzen diese, ohne viel darüber nachzudenken. Ob das im beim Telefonieren, Fernsehen, beim Zahlen, Telekommunikationsbereich, im Geldverkehr, im Personen- und Warenverkehr, in der Wasserver- und Abwasserentsorgung, beim Waschen und Duschen, oder beim Heizen, Kochen oder Kühlen ist, überall gibt es wechselseitige Abhängigkeiten, insbesondere zur Stromversorgung. Durch die bisher sehr hohe Versorgungssicherheit bestand auch scheinbar keine Notwendigkeit, sich mit den Schattenseiten dieser Vernetzungen auseinanderzusetzen, wenngleich es im Nachhinein betrachtet nicht sehr vernünftig war, da es nirgends eine 100%ige Sicherheit gibt.

In den letzten Jahren gab es massive technische und organisatorische Veränderungen im europäischen Stromversorgungssystem. Die Nebenwirkungen führen zu zunehmenden Instabilitäten und die Gefahr von Blackouts ist deutlich angestiegen (siehe etwa Wenn betriebswirtschaftliche Optimierungen systemgefährdend werden)Daher ist es unverzichtbar, dass wir uns als Gesellschaft mit diesem Thema auseinandersetzen. Dabei geht es gar nicht nur um das Szenario „Blackout“ selbst. Denn mit dieser Auseinandersetzung und den erforderlichen Vorbereitungen können auch viele andere Szenarien leichter bewältigt werden, wie etwa regionale Extremwetterereignisse, eine Pandemie, Lebensmittelversorgungsengpässe in Folge von Missernten, ein Erdbeben oder was auch immer. Es geht daher um eine generelle Erhöhung der gesellschaftlichen Resilienz, um mit jeglichen Störungen und Unsicherheiten besser zu Recht zu kommen.

Zu Beginn der Bearbeitung der Herausforderung „Blackout“ stellt sich möglicherweise die Frage, ob man selbst über das erforderliche Know-how verfügt. Die Erfahrung von Gemeinden, die diesen Schritt bereits gesetzt haben zeigt, dass man hier durchaus selbstbewusst an die Sache herangehen kann. Es ist nicht zwingend externes Know-how erforderlich. Es geht vielmehr um eine offene und ehrliche Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Stakeholdern und um vernetztes Denken und Handeln. Und es gibt keine optimale oder beste Lösung, da jede Region unterschiedliche Lösungen und Ressourcen aufzubieten hat. Der einzige wirkliche Fehler, der dabei begangen werden kann ist, nichts zu tun und abzuwarten.

Bei dieser Problembearbeitung geht es auch darum, die eigenen Grenzen besser kennen zu lernen und falsche Erwartungshaltungen, insbesondere in der Bevölkerung („Die Behörden/Einsatzorganisationen werden das schon richten“), zu reduzieren. Dabei muss durchaus mehr Zeit eingeplant bzw. Geduld aufgebracht werden, da viele Akteure erst lernen müssen das tatsächliche Risiko zu akzeptieren und bei jenen Wissensstand abgeholt werden, weil hierzu ein breites öffentliches Bewusstsein noch fehlt. Hier würde eine klare Top-Down Aussage/Risikokommunikation der Behörden zu einer wesentlichen Unterstützung führen (siehe Offener Brief an die Sicherheitssprecher der Parteien)Zudem gilt es auch die eigenen Erwartungshaltungen zu verifizieren – denn nicht selten verbergen sich dahinter Scheinsicherheiten, wie etwa bei der Wasserversorgung oder beim erwartbaren Leistungsumfang der Einsatzorganisationen, die ja selbst zu Betroffenen werden.

Die Gemeinde ist die erste Anlaufstelle für die Bevölkerung und die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister ist zugleich der erste behördliche Einsatzleiter bei einer Katastrophe. Ein Großteil der Bewältigung wird bei einem Blackout auch auf dieser Ebene erfolgen müssen, da mit einer Hilfe von „außen“ nicht oder nur sehr eingeschränkt zu rechnen ist. Jede Gemeinde und Stadt muss autonom handlungsfähig bleiben. In der Vorbereitung ist jedoch eine Abstimmung mit den Nachbarregionen und der Bezirksverwaltung notwendig. Je mehr Überlegungen und Vorbereitungen in der Gemeinde bereits vor einem solchen Ereignis getroffen wurden, desto einfacher wird sich eine Bewältigung darstellen. Hinzu kommt, dass eine Aufforderung des Bürgermeisters an die Bevölkerung, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen bzw. konkrete Haushaltsbevorratungsmaßnahmen zu setzen, wohl am ehesten angenommen wird.

Die größte Herausforderung stellt die Kommunikation mit der Bevölkerung – vor, während, aber auch nach einem solchen Ereignis – dar. Im Wesentlichen stellt jede Krise/Katastrophe auch eine Kommunikationskrise dar, wo durch realistische bzw. falsche Kommunikation deeskalierend oder auch eskalierend gewirkt werden kann. Eine besondere Rolle spielen dabei immer mehr auch Soziale Medien, die in der österreichischen Krisenkommunikation bisher kaum eine Rolle spielen bzw. selten dazu verwendet wurden. Gerade bei einem Blackout kommt es zeitnah zum Ausfall der gewohnten technischen Kommunikationsmöglichkeiten. Nach dem unmittelbaren Ereignis ist daher mit einem umso höheren Kommunikationsbedarf zu rechnen – was gerade in Sozialen Medien zu unkalkulierbaren Aufschaukeleffekten führen kann. Dieses Feld sollte daher auf keinen Fall ignoriert bzw. anderen Akteuren überlassen werden. Dabei müssen auch viele unangenehme Fragen erwartet werden, wo es gar nicht so sehr darum geht, ob diese berechtigt sind oder überhaupt beantwortet werden können, sondern um das, was durch die Präsenz in der Öffentlichkeit (Medien, Soziale Medien) zur „Realität“ wird. Mögliche Fragen könnten sein :

  • Warum wurde die Bevölkerung nicht gewarnt, obwohl es zahlreiche Hinweise gab?

  • Warum wurden die Warnungen generell nicht ernst genommen, um ein solches Ereignis zu verhindern?

  • Warum waren die Behörden und Einsatzorganisationen unzureichend vorbereitet?

  • Wer ist Schuld? Wer trägt die Verantwortung für Todesfälle, Schäden, etc.?

  • Wer Haftet und muss zur Verantwortung gezogen werden?

  • Und viele mehr

Hier sollten bereits jetzt Antworten vorbereitet/vorgedacht werden. Nicht so sehr, um sie dann 1:1 zu verwenden, sondern weil dazu ohne Zeitdruck mehr Überlegungen möglich sind bzw. sich viele Dinge erst in einer breiten Diskussion ergeben.

Eine offene Risikokommunikation verringert zudem auch bei lokalen Ereignissen die Gefahr der Lähmung, da eine unvorbereitete Bevölkerung zu wenig rationalen Handlungen neigt, wie etwa die Blockade von noch funktionierenden Telekommunikationsverbindungen, wie jüngste Erfahrungen gezeigt haben (siehe etwa Stromausfall in Innsbruck: Notruf überlastet oder Nach Stromausfall – Notrufsystem vor Kollaps).

Ein wichtiger Punkt bei allen Überlegungen ist „Einfachheit“ und Selbstverständlichkeiten! Nur das Einfache hat Aussicht auf Erfolg, wenn nur eingeschränkte und unzuverlässige Ressourcen zur Verfügung stehen. Zum anderen muss damit gerechnet werden, dass auch einfache Anweisungen an die Bevölkerung – wie etwa „Bei ausgefallenen Ampeln gilt rechts vor links. Auch für Fahrradfahrer“ Oder „Öffnen Sie den Eiskasten so selten wie möglich“– notwendig sind (siehe unter Stromausfall in den Niederlanden: Technischer k.o. für eine Nation).

Planspiele und Übungen, aber auch lokale Ereignisse, zeigen am besten, ob die Vorbereitungen auch praxistauglich und umsetzbar sind. Verzichten Sie nicht auf dieses Erfahrungslernen!

Die Gemeindeder Bürgermeister, der Gemeinderat, die Einsatzorganisationen, die Vereine und sonstige Organisationen – tragen daher wesentlich zu Problemlösungsansätzen und zur Vorbereitung der Bevölkerung bei und entscheiden damit, wie hoch die jeweiligen Bewältigungskapazitäten sein werden, was sich wiederum direkte auf das behördliche Katastrophenmanagement auswirken wird. Dabei soll es nicht um die breite technische Absicherung gehen, was weder notwendig, sinnvoll noch leistbar ist, sondern vielmehr die Vorbereitung von organisatorischen Notfallmaßnahmen sowie die Mobilisierung der Bevölkerung zur Eigenvorsorge und Haushaltsbevorratung für zumindest ein bis zwei Wochen, was derzeit die Ausnahme darstellt. Es geht um eine definierte Rückfallebene, wenneinmal nicht alles wie gewohnt funktioniert.

Zusammenfassend lassen sich zwei wesentliche Aspekte ableiten:

  1. Wir benötigen JETZT eine offene und ehrliche Risikokommunikation, um eine breite Auseinandersetzung und Vorbereitung anzustoßen:

  • Ein solches Ereignis ist möglich.

  • Welche Folgen müssen erwartet werden.

  • Wo sind die Grenzen der organisierten Hilfe.

  • Daher muss jeder Einzelne, aber auch jede Organisation sich selbst darauf vorbereiten.

  1. Im Anlassfall muss es uns gelingen, möglichst rasch in einen vorbereiteten „gesellschaftlichen Notbetrieb“ überzugehen, um weitere Schäden zu verhindern.

Dieser Leitfaden ist auf Basis einer mehrjährigen Auseinandersetzung mit dem Thema Krisenmanagement bzw. mit dem Szenario „Blackout“ entstanden.  Zuvor wurde bereits der Leitfaden für die persönliche Vorbereitung „Blackout – Was kann ICH tun“ und der Leitfaden „Mein Unternehmen auf ein Blackout vorbereiten“ aufbereitet und zur Verfügung gestellt.

Gesamter Leitfaden „Meine Gemeinde auf ein Blackout vorbereiten“ als PDF.