Der erste Newsletter des heurigen Jahres wird sich wieder mit (Sicherheits-)Kommunikationsthemen befassen. Hierzu gab es in den vergangenen Wochen einige weitere Erkenntnisse und Vorfälle, die es Wert sind, hier kurz dargestellt zu werden.

Negativstrompreise

Die Weihnachtszeit ist relativ ruhig verlaufen, obwohl es wieder Spitzenwerte und eine hohe Volatilität bei der Windstromproduktion gab. 2013 und 2014 gab es an der europäischen Strombörse (EEX) jeweils 64 Stunden mit
Negativstrompreisen. Davon 24 Stunden im Zeitraum 19.-24. Dezember 2014. Anfang 2015 haben unter anderem die Winterstürme dazu geführt, dass es heuer bereits 27 Stunden mit Negativstrompreisen gab. Negativstrompreise sind ein möglicher Indikator für die Belastung der (Netz-)Infrastruktur.

DEU: Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2014

In der Unterrichtung durch die deutsche Bundesregierung – Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2014 – vom 23.12.2014, wird erstmals offiziell eine Zahl zu möglichen Todesfolgen im Zuge eines Blackouts angesprochen. Dabei wird ein Blackout aufgrund eines Wintersturms mit folgendem Szenario angenommen:

  • unmittelbar: mehr als 6 Mio. vom Stromausfall Betroffene,
  • nach 24 Stunden: mindestens 4,8 Mio. vom Stromausfall Betroffene,
  • nach 1 Woche: mindestens 3 Mio. vom Stromausfall Betroffene,
  • noch nach 3 Wochen: mindestens 600.000 vom Stromausfall Betroffene.

Ermittlung Schadensausmaß: Stromausfallbedingt: ca. 1.000 Tote

Die Risikoanalyse stuft das analysierte Ausgangsszenario Sturmflut als ’sehr unwahrscheinlich‘ ein. Man könnte hier auch von einem ‚Schwarzer Schwan‚ sprechen, insbesondere, wenn man die absehbaren Klimaveränderungen mitberücksichtigt. Nichtsdestotrotz sind die Aussagen zum angenommenen großräumigen und länger anhaltenden Stromausfall (‚Blackout‚) durchaus beachtenswert und wohl auch allgemeingültig. Hier wird erstmals offiziell eine Zahl für die erwartbaren Todesfälle genannt. Bisher gab es eine inoffizielle Zahl von rund 40-60.000 Toten bei einem bundesweiten Blackout über mehrere Stunden. Wobei diese Zahl natürlich wesentlich von der Dauer des Stromausfalls abhängig sein wird. Diese ist bei dem angenommenen Szenario durch die erheblichen Infrastrukturschäden doch deutlich länger anzusetzen. Wie man das Ganze auch sehen mag, Todesfolgen wurden im Zusammenhang mit einem Blackout bisher nicht thematisiert. Sie werden uns aber mit Sicherheit zusätzlich schockieren und entsprechende Nachwirkungen verursachen, insbesondere, wenn die Gesellschaft völlig unvorbereitet von einem solchen Ereignis getroffen wird.

Erwartungen ‚der‘ Bevölkerung

Das österreichische Gallup-Institut hat eine Studie ‚Erwartungen an Minister‘ erstellt. Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit stehen dabei an erster Stelle. Darüber hinaus wurde einmal mehr der Mythos Panik bestätigt:

‚Knapp 90 Prozent der Bevölkerung wünschen sich, dass Minister auch Probleme bzw. unangenehme Dinge klar an die Bevölkerung kommunizieren.
Man erwartet, dass die Bevölkerung zuerst über Probleme informiert wird und sich die Politiker daraufhin rasch um eine Lösungsfindung kümmern.
Die Menschen haben eine Sehnsucht nach Transparenz.

Das bestärkt mich in meiner Ansicht, dass man auch die Themen ‚Probleme im Stromversorgungssystem‘ und ‚Mögliche Gefahr eines Blackouts‘ ansprechen kann und muss. Die Bevölkerung wird nicht in Panik geraten, ganz im Gegenteil. Nur so wird ihr die Chance gegeben, sich auch sinnvoll mit diesem strategischen Schockereignis auseinanderzusetzen und sich darauf vorzubereiten. Die Unterlassung einer entsprechenden integrierten Sicherheitskommunikation erhöht den Schaden unnötig.

Das Verhalten der Bevölkerung in Katastrophen und Notlagen

Das Schweizer Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) hat eine Literaturstudie zum Verhalten der Bevölkerung in Katastrophen und Notlagen beauftragt. Auch hier wird der Mythos Panik bestätigt:

  • Da das Verhalten von vielen Rahmenbedingungen abhängt, ist es schwer vorhersagbar und steuerbar. Es erscheint demnach sinnvoll, eine Stärkung der Eigenkompetenzen bzw. Förderung adäquaten Bewältigungsverhaltens anzustreben – in Ergänzung zur eher hierarchischen Führung und Information durch Behörden und Einsatzkräfte.
  • Bisherige Verhaltensannahmen, auf welchen sowohl die Öffentlichkeit als auch der Bevölkerungsschutz aufbaut, sind teilweise verzerrt und verleiten zu Fehlschlüssen. Massenpaniken, Gewalt und Plünderungen sind weitaus seltener als angenommen. Menschen zeigen sich in Katastrophensituationen überwiegend ruhig, rational und vor allem sehr hilfsbereit, falls sie nicht unmittelbar an Leib und Leben gefährdet sind. Verzerrten Annahmen gilt es zu berichtigen und im Katastrophenmanagement zu integrieren.
  • Mehr unter ‚Das Verhalten der Bevölkerung in Katastrophen und Notlagen‚.

Diese Studie belegt einmal mehr die unverzichtbare Rolle einer aktiven Sicherheitskommunikation und die Notwendigkeit einer aktiven Einbindung der Bevölkerung in die Krisenvorbereitung und -bewältigung. Dazu reicht es nicht aus, sie nur passiv zu informieren. Ziel muss die Erhöhung der gesamtgesellschaftlichen Resilienz sein, um mit den zunehmenden Unsicherheiten und Ungewissheiten in den absehbaren turbulenteren Zeiten (Transformation) besser umgehen zu können. Was viele Fachkräfte bereits wissen, muss auch noch den Entscheidungsträgern und der Politik vermittelt werden. Gerade beim Thema ‚Blackout‘ ist eine gesamtstaatliche Risikokommunikation unverzichtbar.

Aktuelle Sicherheitslage und Diskussion

Die tragischen Ereignisse von Paris haben uns einmal mehr vor Augen geführt, dass wir schlecht auf strategische Schockereignisse vorbereitet sind. Dabei kann man durchaus von Glück sprechen, so lange ’nur‘ Einzelpersonen zum Ziel werden. Ich möchte hierzu den deutschen Islamwissenschaftler und Islamismus-Experten Michael Lüders aus dem Ö1 Morgenjournal vom 16. Jänner zitieren:

‚Es hat sicherlich mit einer großen Entfremdung von eingewanderten Muslimen in Frankreich und in Belgien zu tun, die den sozialen Anschluss nicht gefunden haben und es ist klar, dass in dem Moment, in dem sie einmal in Syrien waren oder im Irak gekämpft haben, sie auch bereit sind, hier in Europa Anschläge zu begehen und man muss sagen, die enorme Emotionalität der Terroranschläge der letzten Woche in Paris hat auch dazu geführt, dass auch radikale Islamisten in Europa und im Nahen Osten erkannt haben, wie leicht Europa aus der seelischen Balance zu bringen ist. Das war eine Vorlage für radikale Islamisten, die mit Sicherheit daran gehen werden, in den nächsten Wochen und Monaten weitere Anschläge zu begehen, weil sie nun wissen, wie leicht es ist, unsere Gesellschaften zu verunsichern, sodass ein geregelter Alltag für viele verängstige Menschen immer schwieriger wird.‘

Dazu passend Ortwin Renn auf orf.at:

Unsere Ressourcen wie Zeit, Geld, Engagement und Aufmerksamkeit sind nur begrenzt. Häufig betreiben wir für Risiken, deren Ausmaß aus gesamtgesellschaftlicher Sicht sehr klein sind, großen Aufwand. Dadurch bleibt zu wenig für jene Risiken, die uns wirklich bedrohen. Es ist wichtig, nicht nur über die Gefahren an sich aufzuklären, sondern auch darüber, wie intensiv wir uns der Minimierung mancher Risiken widmen. Natürlich können wir uns dabei auch manchmal irren, letztendlich haben wir aber in den letzten Jahrzehnten viel Erfahrung gesammelt, sodass wir nun sagen können, wo wirklich große Bedrohungen liegen.

Wir werden nicht alle weiteren Anschläge verhindern können. Daher ist es umso wichtiger, den Menschen auch die Wahrheit zu sagen und Bewusst zu machen, wie Terrorismus wirkt. Denn der Hauptschaden geht nicht von einem Terroranschlag aus, sondern von dem, was wir in Folge als Gesellschaft mit uns selber machen. Die kommenden Monate werden wohl auch zu einer hohen Belastungsprobe für die europäischen Werte. Es macht daher Sinn, sich bereits jetzt darüber Gedanken zu machen, wie wir im Anlassfall reagieren wollen/können, damit wir im Anlassfall nicht durch den auftretenden ‚Tunnelblick‘ durch Aktionismus in völligen Sackgassen landen. Auch hier spielt wieder eine integrierte Sicherheitskommunikation eine ganz wesentliche Rolle.

Integrierte Sicherheitskommunikation

Kommunikation ist das zentrale Steuerungsinstrument, um das öffentliche Leben bei Krisen in geordneten Bahnen zu halten. Und wie schon der bekannte Österreicher Paul  Watzlawick zum Ausdruck brachte, kann man nicht nicht kommunizieren. Daher erscheint es mehr als angebracht, dass hier eine aktivere Kommunikation begonnen wird. Viele Menschen erwarten sich das und das zukünftige Vertrauen in die staatlichen Organisationen wird auch wesentlich davon abhängen, wie gut es gelingt, hier eine ehrliche und offene Kommunikation zu starten.

So manche bisherige Aussage scheint dazu nicht geeignet zu sein, etwa, dass jeder Bürgermeister darauf vertrauen kann, dass ihm in der Krise Soldaten zur Verfügung stehen werden, da das bei rund 2.300 Gemeinden schlichtweg nicht realistisch ist. Oder etwa ‚Von Seiten der Behörden und der Einsatzorganisationen ist in Österreich alles gut vorbereitet. Österreich verfügt über ein gut ausgebautes System des vorbeugenden und abwehrenden Katastrophenschutzes.‘ erweckt bei der Bevölkerung wohl nicht den Eindruck, dass sie selbst für sich vorsorgen muss. Auch wenn Einsatzorganisationen gut vorbereitet sind, werden sie bei einer derart umfangreichen Betroffenheit dennoch nur punktuell Hilfe leisten können. Ganz zu schweigen von der eigenen Betroffenheit.

Hier empfiehlt sich wohl ein Ansatz, wie ihn Baden-Württemberg (Muster-Notfallplan für flächendeckenden Stromausfall) gewählt hat:

‚Bei einem flächendeckenden Stromausfall muss davon ausgegangen werden, dass eine Hilfe aus Nachbarbereichen nicht stattfinden kann, da alle verfügbaren Ressourcen im jeweiligen Bereich benötigt werden. Dies bedeutet, dass Behörden, Betriebe und Kommunen mit den eigenen Mitteln auskommen müssen.‘

Uns muss bewusst sein, dass falsche Sicherheitsversprechen im Anlassfall zu einem weitreichenden Vertrauensbruch führen. Daher ist eine ehrlich Sicherheitskommunikation erforderlich, die auch die eigenen Grenzen aufzeigt.

Gefahr durch stärkere Vernetzung

Der österreichische Regulator ist offensichtlich bereits dabei, seine Sicherheitskommunikation zu ändern. So wurde Walter Boltz, Vorstand der E-Control, im Standard mit durchaus überraschenden Aussagen zitiert:

  • Vor einem breiten Cyber-Angriff wären österreichische Stromnetze nicht sicher.
  • Das Risiko, dass es in Zukunft zu gezielten Attacken auf das Stromnetz kommt, hält Boltz für sehr groß. Damit müsse man rechnen. Im schlimmsten Fall könne es zu einem Ausfall, einem totalen Blackout, kommen.

Nachdem es vermehrt Hinweise aus der E-Wirtschaft auf mögliche zukünftige ‚Probleme‘ im Stromversorgungssystem gibt, sind nun auch alle anderen gefragt, sich damit auseinanderzusetzen und sich darauf vorzubereiten. Dabei ist einmal mehr der sehr hohe österreichische Standard hervorzuheben. Aber in einem vernetzten System ist es egal, wo der Dominostein umfällt, er würde auch vor Österreich nicht halt machen. Und das muss uns immer Bewusst sein.

Was kann ICH tun?

Habe ich Sie eigentlich schon mal gefragt, wie Ihre persönliche Vorbereitung auf ein mögliches Blackout aussieht? Auch wenn man zum Thema schon recht gut sensibilisiert ist, kann dieser Schritt durchaus noch notwendig sein, wie ich fallweise feststelle. Ich habe dazu eine kurze Zusammenfassung (auch zum Weiterverteilen!) ‚
Was kann ICH tun?‚ erstellt.

Verschiedene Meldungen und Berichte

Situation im europäischen Stromversorgungssystem

Die angeführten Beispiele stammen rein aus öffentlich verfügbaren Quellen. Sie zeigen die aktuellen Herausforderungen auf und sollten uns an die Truthahn-Illusion erinnern.