Zentrale Erkenntnis

Dezentrale KWK-Anlagen könnten einen erheblichen Teil der Regel- und Wärmelast abdecken, werden aber politisch wie regulatorisch stiefmütterlich behandelt. Statt einer integrierten Gesamtarchitektur entstehen neue Großkraftwerks- und Wärmenetzstrategien in isolierten „Silos“. Dieser Systemfehler gefährdet Tempo, Wirtschaftlichkeit und Resilienz der Energiewende.

Kernaussagen des Gesprächs

Thema Status quo Mögliches Potenzial Lücke / Problem
Biogas-KWK-Leistung in Deutschland ca. 6 GW installiert +3 GW durch Biomasse-Paket (≈ +50%) bis 2026 Genehmigungen & Netzzusagen bremsen Ausbau
KWK-Beitrag zur Stromreserve < 10% der nötigen Residuallast gedeckt ≥ 30% realistisch Fokus der Kraftwerksstrategie auf 20 GW zentrale Gaskraftwerke statt dezentraler KWK
Bauzeit KWK-Module: wenige Monate Großkraftwerke: 5–8 Jahre Zeitkritischer Kapazitätsbedarf wird ignoriert
Wirtschaftlichkeit ROI ~ 6–7 Jahre bei 50 WE; Stromgestehungskosten 4–9 ct/kWh Höher bei größerer Anlagenleistung Förderung & Marktanreize unkoordiniert
Wasserstofftauglichkeit bis 40% H₂ ohne Umbau, 100% mit Multipoint-Injection 30+ demonstrierte H₂-BHKW weltweit Elektrolyseure großtechnisch noch unreif, Off-take unsicher
Resilienz KWK black-start-fähig, Grid-Codes 4110/4120 zertifiziert Einsatz für militärische & kommunale Schwarzstart-Cluster Sicherheit bislang kein Beschaffungs­ kriterium

Die größten Problemstellungen

  1. Politische Parallelwelten
    Kraftwerksstrategie, EEG, KWKG und kommunale Wärmeplanung werden getrennt entwickelt. Eine verbindende Systemarchitektur fehlt, weshalb Strom-, Wärme- und Gasstrategien aneinander vorbeilaufen.
  2. Zentralismus statt Dezentralität
    Der geplante Bau großdimensionierter Gaskraftwerke bindet Kapital und Zeit, obwohl KWK-Hersteller kurzfristig bis zu 6 GW pro Jahr liefern könnten.
  3. Unzureichende Wärmenutzung
    Rund 30 % der 10.000 Biogasanlagen drohen ohne tragfähiges Wärmekonzept vom Netz zu gehen; weitere 30 % flexibilisieren nur minimal. Wertvolle regelbare Leistung ginge verloren.
  4. Elektrolyse-Flaschenhals
    Gigawatt-fähige Elektrolyseure existieren kaum als Referenz; Wasserstoffimporte sind technisch und wirtschaftlich unsicher. Damit fehlt der grüne Brennstoff, den KWK bereits heute verarbeiten könnte.
  5. Kommunale Wärmeplanung als Papiertiger
    Viele Gutachten bleiben bei simplen Daumenregeln („mehr Dächer = Fernwärme, mehr Vorgärten = Einzelversorgung“) stehen. Konkrete Durchführungspläne, Finanzierung und Betreiberstrukturen fehlen.
  6. Digitalisierung unterschätzt
    Moderne Leitsysteme können dezentrale Anlagen millisekundengenau steuern. Dennoch wird die Steuerbarkeit kleiner PV- und KWK-Einheiten im Netzdiskurs häufig bezweifelt.

Hinweise auf fehlende systemische Umsetzung

  • KWK ist technisch bereit für Hybridkonzepte (PV + Wärmepumpe + KWK) und erfüllt alle neuen Netzcodes, wird aber in Förderkulissen nicht als gleichwertiges Standbein behandelt.
  • Ein saisonaler Speichermix wird politisch postuliert, doch konkrete Zeitpläne für Elektrolyse- und Wasserstoffnetze bleiben vage. Ohne grünen Wasserstoff wird das volle KWK-Potenzial verschenkt.
  • Stadtwerke könnten dezentrale Energiezellen genossenschaftlich betreiben, zögern jedoch wegen regulatorischer Unsicherheit und fehlender Standardprozesse.
  • Resilienz-Argumente (Schwarzstart, Aufrechterhaltung kritischer Infrastruktur) tauchen in Vergabekriterien kaum auf, obwohl Technologien und Zertifizierungen vorhanden sind.

Fazit

Die Podcast-Diskussion legt offen, dass Technik und Geschäftsmodelle für eine dezentrale, resiliente und klimaneutrale Strom- und Wärmeversorgung längst verfügbar sind. Was fehlt, ist eine systemische, sektorenübergreifende Umsetzung: klare Anreize für KWK-Flexibilität, abgestimmte Planungs- und Förderinstrumente sowie ein stringenter Fahrplan für grünen Wasserstoff. Ohne diese Klammer riskiert Deutschland hohe Kosten, Zeitverluste und eine verwundbare Energieinfrastruktur.