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Die Energiewende steht und fällt mit der Fähigkeit, wetterabhängige Stromerzeugung zuverlässig in das Energiesystem zu integrieren. Während Speichersysteme oft als Schlüssel zur Lösung dieses Problems dargestellt werden, wird die Komplexität ihrer systemischen Integration häufig unterschätzt. In der öffentlichen Debatte dominieren technischer Optimismus und Einzelmaßnahmen, doch die eigentlichen Herausforderungen liegen tiefer: Es fehlt ein Konzept, welches die technischen, wirtschaftlichen und regulatorischen Aspekte miteinander verzahnt und die Vielzahl an Akteuren koordiniert.

In diesem Beitrag werden einige Zusammenhänge aufgezeigt, die in der öffentlichen Diskussion kaum eine Rolle spielen. Damit sollen potenzielle und absehbare Nebenwirkungen bewusst gemacht werden, um Fehlentwicklungen und unnötige Kosten zu reduzieren. Denn ein System ist mehr als die Summe seiner Teile.

Das Speicher-Dilemma

Wetterabhängige Energiequellen aus Wind- und Solarenergie können naturbedingt nicht zu jedem Zeitpunkt die benötigten Energiemengen bereitstellen. In einem System, in dem permanent genauso viel produziert werden muss, wie gerade verbraucht wird, stehen wir daher vor einem fundamentalen Problem, das zu einem gravierenden Dilemma führt: Je höher der Anteil volatiler Erzeugung, desto komplexer werden die Anforderungen, das Gesamtsystem permanent stabil zu halten. In der alten Energiewelt war das relativ einfach, da die notwendige Energie jederzeit aus der in der Primärenergie gespeicherten Energie abgerufen werden konnte.

Im Jahr 2024 lag der Anteil nicht fossiler Energien an der deutschen Nettostromerzeugung bei über 60 Prozent. Durchschnittswerte verschleiern jedoch die Realität: Der Anteil erneuerbarer Energien schwankte zwischen 17 und 91 Prozent. In Phasen mit wenig Wind und Sonne, wie etwa an einzelnen Tagen im November 2024 oder Februar 2025, fehlten binnen weniger Stunden bis zu 1.000 Gigawattstunden Strom – fast das Zwanzigfache der aktuell theoretisch verfügbaren Speicherkapazität.

Unter Berücksichtigung der theoretisch verfügbaren Batteriespeicherkapazitäten in Elektroautos und unter der Annahme von aktuell 2 Millionen Elektrofahrzeugen mit einer sehr optimistischen, theoretisch verfügbaren Speicherkapazität von 50 kWh pro Fahrzeug läge die Gesamtkapazität bei rund 100 GWh. Das klingt schon deutlich besser. Allerdings kann man diese 100 GWh, wie auch die anderen Speicher, nur einmal entleeren. In diesen Engpasszeiten gibt es nämlich auch häufig kaum nennenswerte Überkapazitäten, um die Speicher wieder zeitnah laden zu können. Ganz zu schweigen von der technischen Komplexität, diese Kapazität wirklich nutzen zu können. Auch muss/möchte man selbst bei Dunkelflaute weiterhin mit seinem Auto fahren. Auf dem Papier klingt das alles einfach und plausibel, doch die Realität sieht häufig schwieriger aus. Es ist unerheblich, ob es sich in 99 Prozent der Fälle ausgeht. Es muss sich zu einhundert Prozent ausgehen.

Fehlende systemische Integration und Orchestrierung

Ein weiteres Problem ist die fehlende systemische Integration der vorhandenen Speicher. In Deutschland dominieren Heimspeicher, die oft unabhängig voneinander und ineffizient geladen werden. Es fehlt eine übergeordnete Orchestrierung, die sicherstellt oder zumindest anreizt, dass Speicher dann geladen werden, wenn Überschüsse vorhanden sind, und entladen werden, wenn das Netz es benötigt. Im Gegensatz dazu setzt Kalifornien auf zentral gesteuerte Großspeicher, die netzdienlich eingesetzt werden können. Hierzulande erschweren regulatorische Vorgaben, mangelnde Digitalisierung und fehlende Planung die optimale Nutzung der Speicher. Netzbetreiber sind auf den Netzbetrieb beschränkt und können Speicherprojekte nicht systemisch steuern oder platzieren. Hinzu kommen praktische Hürden wie Platzbedarf, Bauvorschriften und fehlende Netzanschlusskapazitäten, die eine rasche Skalierung verhindern.

Netzintegration

Zwar drängen immer mehr Anbieter auf den Markt, die ein aktives Energiemanagement für Speicherbetreiber anbieten (Home Energy Management System, HEMS) und somit zu einer Entlastung beitragen. Allerdings zählen mangels Vorgaben auch hier nur der Strompreis und bestenfalls noch das Wetter als Steuerungssignal. Bei einer entsprechenden Skalierung führt das aus Systemsicht dazu, dass der Speicherbetrieb auch kontraproduktiv erfolgen wird, wodurch sich die Probleme zu gewissen Zeiten sogar noch verschärfen, wenn viele Einheiten ähnlich handeln und dabei die lokale und überregionale Netzsituation außer Acht lassen. Auch hier fehlt die Orchestrierung bzw. die Einbeziehung der Netzsituation.

Hier wird gerne darauf verwiesen, dass dies erst geschehen wird, wenn es eine Incentivierung gibt. Das ist grundsätzlich nachvollziehbar, übersieht aber, dass die Systemverfügbarkeit bisher viel zu wenig wertgeschätzt wird. Alle wollen für ihre Leistungen entlohnt werden, die Nutzung des Systems soll jedoch nichts kosten. Das kann nicht funktionieren. Daher ist die Diskussion, dass auch Einspeiser für die Netznutzung aufkommen sollen, durchaus berechtigt, auch wenn eine Differenzierung erforderlich ist. Wer sich zum Zeitpunkt X systemdienlich verhält, soll belohnt werden; wer nicht, soll dafür aufkommen müssen. Das würde automatisch ein systemdienliches Verhalten anreizen.

Vernetztes Denken fehlt

Ein Teil des Problems besteht auch darin, dass die Netzbetreiber regulatorisch auf den Netzbetrieb beschränkt sind.  Für den notwendigen Umbau des Stromversorgungssystems wären jedoch mehr Systemintegratoren erforderlich, die die unterschiedlichen Ansprüche, Erwartungen und Planungen sektorübergreifend moderieren und den volkswirtschaftlich höchsten Nutzen suchen. Dies führt immer wieder zu unverständlichem Verhalten, etwa wenn PV und Speicher beim Netzanschluss separat betrachtet werden, anstatt als systemische Einheit. Es geht nicht darum, dass PV und Speicher theoretisch gleichzeitig rückspeisen könnten, sondern darum, eine Definition zu finden, die festlegt, was maximal über den Netzanschluss rückgespeist werden darf. Dafür wäre wiederum eine übergeordnete Orchestrierung erforderlich, da dies zu bestimmten Zeiten vielleicht sogar hilfreich sein könnte – und natürlich auch in die andere Richtung. Es braucht hier ein deutlich flexibleres Denken und Handeln. Wenn derzeitige Regulative dagegensprechen, ist das aufzuzeigen und nach Möglichkeit zu ändern.

Andererseits werden die Netzbetreiber durch eine Flut von Anfragen für Speicherprojekte lahmgelegt, da die Hürden für die Anfragen sehr niedrig sind. Auch hier fehlt eine systemische Planung: Eigentlich sollten die Netz- oder besser gesagt die Systembetreiber angeben, wo Speicher am wirkungsvollsten eingesetzt werden können, um Netzengpässe zu reduzieren. Speicher an anderen Stellen sollten entsprechende Netzverstärkungen oder Entgelte bezahlen müssen.

Zudem verhindern weitere Hürden eine rasche Umsetzung. Das betrifft etwa den notwendigen Platzbedarf, Bauvorschriften oder schlichtweg fehlende Netzanschlusskapazitäten, die erst durch umfassende Maßnahmen sichergestellt werden können, was aber Zeit erfordert. Auch hier fehlt offensichtlich eine vorausschauende Planung auf allen Seiten.

Falsche wirtschaftliche Anreize

Auch die wirtschaftlichen Anreize sind nicht nachhaltig gestaltet. Die ersten Speicherbetreiber können hohe Gewinne erzielen, weil sie an lukrativen Stunden teilnehmen. Sobald jedoch eine gewisse Sättigung eintritt und die Zahl der profitablen Stunden sinkt, bleibt die Versorgung in weniger attraktiven Zeiten ungesichert – dann muss wohl die Allgemeinheit einspringen.

Wir haben es hier mit einem klassischen Allgemeingut-Problem („Commons“) zu tun. Bei Allgemeingütern handelt es sich um Ressourcen, die allen zur Verfügung stehen und von denen niemand ausgeschlossen werden kann, wie etwa saubere Luft oder öffentliche Sicherheit. Da der Markt allein keine ausreichenden Anreize für den Schutz und die nachhaltige Nutzung dieser Güter bietet, bedarf es koordinierter Maßnahmen und Regulierungen, um eine Übernutzung oder Vernachlässigung zu verhindern. Im Kontext des Strommarktes bedeutet dies, dass eine gemeinsame, koordinierte Strategie notwendig ist, um die Stabilität und Nachhaltigkeit des Systems zu gewährleisten und gleichzeitig den individuellen Eigennutz mit dem Gemeinwohl in Einklang zu bringen.

Wenig beachtete Nebenwirkungen

Hinzu kommen noch wenig beachtete Nebenwirkungen. Jeder zusätzliche Wechselrichter, Speicher, jede Ladebox oder sonstige leistungselektronische Komponenten verändern die elektrischen Charakteristika des Netzes. Dadurch können bisher nicht bekannte Resonanzeffekte oder Stabilitätsprobleme auftreten, wie sie etwa beim Blackout auf der Iberischen Halbinsel Ende April 2025 bereits zu beobachten waren. Diese Wechselwirkungen sind komplex, schwer vorhersagbar und erfordern völlig neue Ansätze in der Systembetrachtung und -steuerung. Diese Probleme sind zwar grundsätzlich lösbar, erfordern jedoch Zeit, da viele der Effekte erst bei der Umsetzung im Netz auftreten und entsprechende Erfahrungswerte fehlen. Zudem lassen sich viele Maßnahmen nicht von heute auf morgen umsetzen.

Fehlende Differenzierung

Batteriespeicher werden zudem häufig als Universallösung dargestellt. Dabei werden die sehr unterschiedlichen Anwendungsfälle gerne ausgeblendet. Das beginnt damit, dass beim Speicherbedarf eine Zeitspanne von 12 Zehnerpotenzen – von „instantan“ in wenigen Millisekunden (Netzschutz, Netzstabilität) bis zu Jahrzehnten – zu betrachten ist. Das bringt völlig unterschiedliche Anforderungen für den Einsatz des jeweiligen Speichers mit sich.

Derartige differenzierte Betrachtungen sind derzeit kaum wahrnehmbar. Der Fokus liegt eindeutig auf den wirtschaftlich lukrativen Bereichen, etwa der Bereitstellung teurer Regelleistung oder von Speicherkapazitäten für wenige Stunden. Spätestens nach dem Blackout auf der Iberischen Halbinsel ist vielen bewusst geworden, wie wichtig die Momentanreserve ist und dass auch hierfür dringend ein Ersatz erforderlich ist. Während diese Leistung bei konventionellen Kraftwerken konstruktionsbedingt fixer Bestandteil und somit in den Kosten enthalten war, muss sie nun extra ausgeschrieben und extra abgegolten werden. Auch hier stellt sich wieder die Frage, wer dafür aufkommen muss.

Daher stellt sich immer dringlicher die Frage, wie die nach und nach hinzukommenden Kosten fair aufgeteilt und zugerechnet werden können. Durch die derzeitige Einzelteilbetrachtung und Förderung gerät der energiewirtschaftliche Aspekt der Leistbarkeit zunehmend unter Druck.

Ein Vergleich von Äpfeln und Birnen

Aktuell wird in Deutschland heftig über die Notwendigkeit neuer Gaskraftwerke als Backup-Kraftwerke diskutiert. Die Vertreter der erneuerbaren Energien sind der Auffassung, dass Gaskraftwerke durch Batteriespeicher ersetzt werden könnten und nicht benötigt werden. Gerne werden dabei Kalifornien oder Texas als Beispiele genannt, wo mittlerweile tatsächlich große Mengen an Batteriespeichern zum Einsatz kommen. Dabei werden jedoch mehrere Faktoren außer Acht gelassen.

In beiden Ländern ist die Sonneneinstrahlung rund doppelt so hoch wie in Deutschland, wodurch ein deutlich höherer Erntefaktor erzielt werden kann. Auch die saisonalen Schwankungen sind in beiden Ländern deutlich geringer, sodass in der Regel über einen Zeitraum von 6 bis 9 Stunden eine konstante wetterabhängige Erzeugung sichergestellt werden kann. Die Erzeugungsleistung liegt dabei relativ konstant über das ganze Jahr zwischen 16 und 24 Gigawatt (GW). Somit lässt sich auch ein wesentlich effizienterer Speicherbetrieb realisieren, d. h., das Nachladen mit erneuerbarem Strom ist in der Regel sichergestellt. In Kalifornien stehen mittlerweile 16 GW mit 60 GWh Speicherkapazität bei einer gleichzeitigen Last zwischen 20 und 46 GW zur Verfügung. Beachtenswert ist, dass Heimspeicher in Kalifornien – anders als in Deutschland – aus gutem Grund eine untergeordnete Rolle spielen.

Die kalifornische Abendrampe wird aktuell jeweils zu rund 20–25 % aus Gaskraftwerken und Großbatteriespeichern sowie zu rund 10 % aus Wasserkraftwerken bereitgestellt. Die kalifornischen Großbatterien sind Großteils als 4-Stunden-Speicher ausgelegt, was für tägliche Lastverschiebung ausreicht. Auch wenn der Einsatz von Gaskraftwerken zurückgeht, spielen diese wie auch Importkapazitäten weiterhin eine wichtige Rolle. Entscheidend ist, dass sie verfügbar sind.

Ein weiteres Beispiel ist die Nennkapazität von Batteriespeichern. Die volle Kapazität eines Speichers steht nämlich praktisch nie zur Verfügung, da sich ein vollständiges Laden und Entladen negativ auf die Lebensdauer des Speichers auswirken. Zum anderen benötigen die Speicher eine gewisse „Atmungsfähigkeit“, um Überschüsse aufnehmen zu können. Das kann durch ein vorausschauendes Energiemanagement gesteuert und optimiert werden. Dennoch gibt es für die jeweilige tatsächliche Verfügbarkeit immer Unsicherheiten, was auch mit der räumlichen Verfügbarkeit der Speicher und möglichen infrastrukturellen Einschränkungen zusammenhängt. Wenn beispielsweise in Norddeutschland durch die Windstromproduktion zu große Überkapazitäten zur Verfügung stehen, nützen leere Speicher in Süddeutschland wenig. Umgekehrt gilt das Gleiche. Daher ist es entscheidend, wo Speicherkapazitäten aufgebaut werden und dass diese systemdienlich zum Einsatz kommen, was wiederum eine entsprechende Planung und Orchestrierung erfordert.

Es wird daher weder in Deutschland noch in Österreich ohne entsprechende Ersatzkraftwerke gehen. Denn im Winterhalbjahr sind weiterhin massive Deckungsprobleme aus wetterabhängigen Quellen zu erwarten.

Sowohl-als-auch

Daher geht es wie so oft nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch. In unseren Breiten werden auf jeden Fall beide Lösungen benötigt, um die sehr hohe Versorgungssicherheit auch zukünftig aufrechterhalten zu können. Je volatiler die Wettersituation ist, desto mehr Diversität in der Energiebereitstellung ist erforderlich. Es reicht nicht aus, dass im Durchschnitt ein gewisser Wert erreicht wird, er muss zu jedem Zeitpunkt erreicht werden können.

Gerade mit der Unsicherheit von längeren Phasen sehr geringer Erzeugung aus wetterabhängigen Quellen macht es umso mehr notwendig, entsprechend robuste Systeme bereitzuhalten, um die Systemsicherheit jederzeit aufrechterhalten zu können. Dies gilt umso mehr, da mit dem Klimawandel weitere Wetterextreme zu erwarten sind. Es wäre daher sehr blauäugig, sich hier rein auf die Vergangenheit zu verlassen.

Neue Konzepte bei Gaskraftwerken

Auch in der Diskussion um den Bau neuer Gaskraftwerke wird kaum berücksichtigt, dass hier neue Konzepte erforderlich sind. In einem Umfeld mit hoher volatiler Erzeugung können kleinere, modulare Gasmotoren mit wenigen Megawatt Leistung wesentlich effizienter und effektiver als bisherige Gasturbinen mit mehreren hundert Megawatt Leistung eingesetzt werden. Denn diese können je nach Bedarf kurzfristig zu und weggeschaltet und damit sowohl hinsichtlich der Energieerzeugung als auch der Abgaswerte im optimalen Bereich betrieben werden. Es gibt bereits Anlagen, die mit wenig Mehraufwand Wasserstoff unterschiedlicher Qualität verwerten können.

Mit diesem modularen Ansatz können regionale Engpässe wesentlich besser bewältigt werden. Zudem sind sie wahrscheinlich schneller zu realisieren, solange die Produktion der Anlagen Schritt halten kann. Denn die Nachfrage steigt. In anderen Regionen werden auch immer mehr Rechenzentren damit ausgestattet. Dadurch können zum Teil auch die Notstromeinrichtungen eingespart werden, was sich in einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung als günstiger erweisen kann als bisherige Ansätze. Also günstiger Netzstrom, wenn er verfügbar ist. Eigenstromproduktion bei einem hoch belasteten Netz und hohen Preisen. Der Netzausbaubedarf kann damit womöglich auch reduziert werden.

Was ist zu tun?

Die entscheidende Frage ist daher, wie eine Umsetzung erfolgen müsste, um einen realistischen Ausbaupfad zu erreichen und die technische Beherrschbarkeit sicherzustellen. Wie der Autor immer wieder betont, braucht es systemische Konzepte, damit zumindest ein grober Ablaufplan verfolgt werden kann, an dem sich alle orientieren können. Es reicht nicht, irgendwelche fiktiven Ziele festzulegen, sondern es müssen auch die groben Schritte dorthin plausibel skizziert werden können.

Natürlich können nie alle Entwicklungen vorhergesehen werden. Daher ist auch eine laufende Anpassen der Pläne notwendig. Dies muss jedoch stets unter Berücksichtigung der absehbaren Nebenwirkungen erfolgen bzw. durch ein Frühwarnsystem überwacht werden, damit nicht bedachte oder unerwartete Nebenwirkungen rechtzeitig erkannt und ein Gegensteuern ermöglicht wird.

Auch wenn in diesem Beitrag nur einige wenige Aspekte betrachtet wurden, lassen sich daraus zwei wesentliche Vorgehensweisen mit höchstmöglichen Erfolgsaussichten ableiten:

Funktionale Einheiten

Ein sehr pragmatischer Ansatz als Ausgangsbasis für eine weitere Diskussion wäre: Alle Energiebereitsteller, die am Strommarkt teilnehmen möchten, müssen eine definierte Anzahl von Stunden im Jahr eine festgelegte Leistung liefern können, was auch mit gewissen Zu- und Abschlägen zu steuern ist. Das würde automatisch eine Kooperation erforderlich machen und das Ganze würde sich mehr oder weniger von selbst regeln. Derzeit wird in alle möglichen Einzelrichtungen gefördert, was die Probleme nur verschärft, da jeder seinen Eigennutz sieht und diesen (bestimmungsgemäß) verfolgt. Es sollten daher nur noch systemdienliche Strukturen gefördert werden.

Damit ließen sich so manche Planungsaufwände oder Netzanschlussprobleme reduzieren. Für das Netz ist es egal, ob die fixierte Energiemenge aus einer PV-Anlage, einem Speicher oder einer anderen Anlage stammt. Entscheidend ist, dass diese verlässlich und berechenbar ist. Es braucht daher funktionale Einheiten, die das sicherstellen und die bisherigen Kraftwerksleistungen und -verfügbarkeiten abbilden können.

Energiezellensystem

Hierfür bieten sich zusätzliche, dezentrale Funktionseinheiten mit einem sektorübergreifenden Energiemanagement („Energiezellensystem“) an. Die Probleme müssen dort gelöst und ausgeglichen werden, wo sie auftreten, also möglichst dezentral. In diesen Zellen können auch verschiedene Lösungswege ausprobiert werden, ohne gleich das Gesamtsystem zu gefährden. So kann auch die überlebensnotwendige Diversität geschaffen werden. Mit dem zellularen Ansatz lassen sich auch viele Genehmigungsverfahren vereinfachen und standardisieren. Man muss das Rad nicht immer neu erfinden. Selbstverständlich ist auch weiterhin eine übergeordnete Orchestrierung erforderlich, damit das Gesamtsystem stabil bleibt.

Systemische Vorgehensweise

Allein mit diesen beiden Ansätzen könnten viele aktuelle Probleme deutlich reduziert werden. Sogar das Marktsystem würde damit wesentlich robuster, da auch bei der Merit-Order ein Vergleich von Äpfeln und Birnen erfolgt, wodurch unredliche Preise entstehen. Derzeit wird jedoch eher versucht, die Komplexität zu erhöhen, wodurch das Potenzial für ein Scheitern zunimmt.

Daher ist Einfachheit die Königsdisziplin, auch wenn dahinter, insbesondere für das Energiemanagement, dringend eine Digitalisierung und komplexere Lösungen und die übergeordnete Orchestrierung der Zellen benötigt werden. Auch hier geht es um ein Sowohl-als-auch: Beides ist notwendig. Derzeit wird an zu vielen Stellen versucht, etwas zu ändern, ohne das Gesamtsystem oder potenzielle Nebenwirkungen zu berücksichtigen. Das kann eine Zeit lang gutgehen. Aus systemischer Perspektive gibt es jedoch keine Beispiele, bei denen das über einen längeren Zeitraum gelingt. Der Kollaps komplexer Systeme ist nämlich kein Fehler, sondern ein Grundprinzip. Dies ermöglicht eine Erneuerung. Das Risiko, das wir mit diesem Vorgehen in unserer wichtigsten Lebensader eingehen, könnte sich jedoch als evolutionärer Irrtum herausstellen.

Schlussfolgerungen und systemische Handlungsempfehlungen

Eine kritische Analyse der Energiespeicher-Thematik offenbart eine erhebliche Diskrepanz zwischen technologischem Optimismus und systemischer Realität. Die verfügbaren Speichertechnologien sind technisch ausgereift und bieten vielversprechende Eigenschaften, jedoch unterschätzen vereinfachende Darstellungen systematisch die Komplexität der Integration in bestehende Strukturen.

Die fundamentalen Herausforderungen liegen nicht primär in der Technologie selbst, sondern in den systemischen Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Komponenten eines zunehmend komplexen Energiesystems. Moderne Stromnetze mit hohen Anteilen leistungselektronischer Komponenten entwickeln neue Verhaltensweisen, die mit konventionellen Planungsansätzen nicht erfassbar sind.

Anstatt isolierter Speicherlösungen benötigt die Energiewende einen systemischen Umbau, der die physikalischen Gesetze der Elektrotechnik respektiert und kaskadierende Risiken minimiert. Dies erfordert eine fundamental andere Herangehensweise als die derzeit praktizierte schrittweise Ergänzung bestehender Strukturen. Der Aufbau robuster, dezentraler Energiezellen mit sektorübergreifendem Energiemanagement könnte einen Ausweg aus der aktuellen Komplexitätsfalle bieten.

Die gesellschaftliche Debatte über Energiespeicher muss ehrlicher werden und die tatsächlichen Herausforderungen anerkennen, anstatt mit technologischen Wunschvorstellungen zu operieren. Nur durch eine realistische Einschätzung der systemischen Komplexität können nachhaltige Lösungen entwickelt werden, die sowohl technisch funktionsfähig als auch gesellschaftlich umsetzbar sind. Die Realität lässt sich nicht dauerhaft ignorieren – und die Folgen einer ignorierten Realität sind teuer und riskant.

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