Auszug aus dem Podcast bto #270 – der Ökonomie-Podcast von Dr. Daniel Stelter – Weniger Staat ist mehr – vom Sonntag, 24. November 2024 im Gespräch mit Professorin Dr. Veronika Grimm, eine der Weisen im Sachverständigenrat der Bundesregierung.
Der Podcast analysiert die Situation am deutschen Energiemarkt und beleuchtet die Problematik der einheitlichen Strompreise trotz regionaler Unterschiede in der Stromerzeugung. Es wird argumentiert, dass diese Preisgestaltung zu Ineffizienzen und Marktverzerrungen führt.
Zentrale Punkte des Podcasts
- Asymmetrische Stromerzeugung: Deutschland weist eine ungleichmäßige Verteilung der Stromerzeugung auf. Im Norden dominiert die Windkraft, während der Süden unter Kapazitätsengpässen leidet.
- Einheitliche Strompreise: Trotz dieser regionalen Unterschiede gilt in ganz Deutschland ein einheitlicher Strompreis. Dies führt zu kontraintuitiven Marktsignalen.
- Stromimporte trotz Überschuss: Der einheitliche Preis führt dazu, dass Deutschland Strom aus Skandinavien importiert, obwohl im Norden ein Windkraftüberschuss besteht.
- Stromexporte trotz Knappheit: Gleichzeitig wird Strom nach Frankreich exportiert, obwohl im Süden Deutschlands ein Mangel herrscht.
- Widerstand gegen Netzausbau: Europäische Partner sehen keinen Anreiz für den Ausbau von Stromleitungen nach Deutschland, da die Preissignale irreführend sind.
Die Zonierung als Lösung
Veronika Grimm schlägt die Zonierung des Strommarktes als Lösung vor. Durch die Einführung von Preiszonen würden die regionalen Knappheiten in den Preisen abgebildet und somit effizientere Anreize für den Betrieb und den Ausbau von Kraftwerken geschaffen.
Vorteile der Zonierung
- Effizientere Investitionen: Preiszonen würden Investitionen in Regionen mit Kapazitätsengpässen rentabler machen.
- Geringere Gesamtkosten: Ein effizienteres System würde zu niedrigeren Durchschnittsstrompreisen führen.
- Weniger staatliche Eingriffe: Die Zonierung würde den Bedarf an staatlichen Subventionen und Regulierungen reduzieren.
- Attraktivere Geschäftsmodelle: Preiszonen würden neue Geschäftsmodelle für verschiedene Akteure am Strommarkt ermöglichen.
Bedenken hinsichtlich der Zonierung
Ein Gesprächsteilnehmer äußert Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen der Zonierung auf die süddeutsche Industrie, die bereits mit hohen Strompreisen konfrontiert ist.
Gegenargumente zu den Bedenken
Der Experte argumentiert, dass die Zonierung zu einem insgesamt effizienteren System führen und die Durchschnittspreise senken würde. Außerdem würde die Zonierung den Bedarf an staatlichen Subventionen reduzieren, wodurch mehr Spielraum für andere politische Maßnahmen entstünde, wie z.B. die Unterstützung von Unternehmen, die Abwanderung erwägen.
Fazit
Der Podcast plädiert für eine Reform des deutschen Strommarktes durch die Einführung von Preiszonen. Die Zonierung würde die Ineffizienzen des derzeitigen Systems beseitigen, die Kosten senken und die Integration erneuerbarer Energien erleichtern.
Transkript (Veronika Grimm)
Und auf dem Energiemarkt zum Beispiel haben wir eine ganz skurrile Situation. Der Strompreis in Deutschland ist sehr gleichmäßig über das ganze Land verteilt, aber wir haben natürlich eine völlig asymmetrische Stromproduktion über das ganze Land verteilt, im Norden haben wir viel Windstrom, also da müsste eigentlich der Preis sehr niedrig sein, im Süden haben wir zu wenig Kap. Wenn da das Angebot sinkt, ist eigentlich Knappheit und der Preis müsste hoch sein. Ja, aber wir mitteln den Preis über ganz Deutschland und das führt zu ganz verrückten Effekten auf den Märkten. Deswegen importieren wir ja oft Strom. Der Markt hat uns dazu verleitet, Strom aus Skandinavien zu importieren. In den Stunden, in denen wir im Norden einen Überschuss an Windstrom haben. Ja, aber der Markt gibt sozusagen das Signal und die Skandinavier handeln auch so, aber das muss dann natürlich nach dem Handel von unseren Netzbetreibern wieder korrigiert werden, weil es überhaupt nicht funktioniert. Gleichzeitig exportieren wir marktgetrieben Strom nach Frankreich, weil unser Preis gemittelt durch den billigen Windstrom aus dem Norden sehr niedrig erscheint, also wird sozusagen marktgetrieben Strom nach Frankreich exportiert, der gar nicht da ist, weil wir im Süden einen Mangel haben. Auch das muss dann wieder vom Netzbetreiber korrigiert werden.
Die Folge ist, dass unsere Partner im europäischen Verbund gar nicht so viele Kapazitäten zu uns haben wollen. Schweden hat vor Kurzem den Ausbau einer Stromleitung nach Mitteleuropa gestoppt, weil sie gesagt haben, das erhöht den Strompreis und dafür gibt es überhaupt keinen Grund, weil das physikalisch gar nicht möglich ist. Entwicklungen, die dort marktgetrieben suggeriert werden, weil einfach das Preissystem nicht richtig aufgestellt ist. Die Lösung ist, wir müssen eine Zonierung in Deutschland machen. Wir müssen den Strommarkt in Preiszonen einteilen, sodass genau diese Knappheiten, diese relativen Knappheiten in der Zone sich in den Preisen widerspiegeln und dann eben bessere Anreize für den Betrieb da sind, aber auch bessere Anreize für Investitionen, weil es sich dann rechnet, dort, wo die Kapazität fehlt, tatsächlich zu investieren, weil ich weiß, wenn ich da baue, dann verdiene ich was. Dann verdiene ich auch was.
Ja und was machen wir jetzt, weil wir uns eben den Schritt nicht trauen, auch politisch sehr, sehr schwieriges Thema, muss natürlich jetzt der Staat einspringen und Förderungen ausschreiben, dafür in den Regionen, wo Stromerzeugung knapp ist, Kraftwerke zu bauen, und muss. Aber auch überlegen. Die werden dann mit dem einheitlichen Strompreis in ganz Deutschland auch nicht ausgelastet, sozusagen, auch wenn sie da stehen. Finanziert durch Subventionen. Bietet der Markt nicht die richtigen Anreize, sie zu betreiben? Doch. Marktgesteuert würden immer zuerst die Kraftwerke im Norden zum Zuge kommen, weil sie billiger sind, und dann muss ich auch den Betrieb sozusagen staatlich herbeiführen und das führt dazu, dass das ganze System sehr, sehr ineffizient ist, sowohl von der Auslegung her, welche Kraftwerke wo stehen, als auch von der Art und Weise, wie sie betrieben werden. Wird, und das führt natürlich zu immensen Kosten, also auch da haben wir eben durch staatliche Entscheidungen bezüglich der Rahmenbedingungen und dann eben auch der Förderung eine Spirale eigentlich, die dazu führt, dass der Staat immer mehr Aufgaben hat und auch da ist es so, beim Strommarkt ist es nicht so klar, wie man das von oben nach unten dirigistisch betreibt, wenn man doch ein immer dezentraleres System haben will, wo sogar jeder Haushalt seine eigene Erzeugung hat und irgendwie mit dem Gesamtsystem als Anbieter und als Nachfrager agiert.
Die Zonierung würde ja nicht unbedingt bei gleichen Durchschnittspreisen wie heute nur die relativen Preise im Süden und im Norden verschieben, sondern die Zonierung hätte vor allem den Zweck, das Gesamtsystem, den Betrieb des Gesamtsystems effizienter zu machen, und zwar sowohl was die Investitionsanreize angeht, welche Kraftwerke baue ich wo, als auch was den Betrieb der Kraftwerke angeht. Das heißt nämlich, dass die Kraftwerke in den verschiedenen Zonen dann auch tatsächlich zum Einsatz kommen, vor allem eben im Süden Deutschlands. Und insgesamt wäre es so, dass eine Zonierung natürlich den Durchschnittspreis, den man in Deutschland bezahlt, deutlich senken würde. Jetzt gibt es verschiedene Szenarienberechnungen und ich würde vermuten, bevor man sich für eine Zonierung in Preiszonen, für eine Einteilung in Preiszonen entscheidet, wird man sicherlich noch verschiedene Szenarienberechnungen machen und zur Verfügung stellen. Wahrscheinlich wird dabei herauskommen, dass der Süden im Vergleich zur jetzigen Situation nicht sehr viel verliert.
Wenn wir die einheitlichen Strompreise beibehalten, dann ist es eigentlich so, dass wir immer mehr in ein de facto voll reguliertes System hineinlaufen, weil diese Eingriffe, die dann von Seiten der Netzbetreiber notwendig werden und auch die Subventionen, die von Seiten des Staates notwendig werden, die werden immer größer werden, weil man einfach dieses Koordinationsproblem zwischen Angebot und Nachfrage in jeder Stunde zwischen den vielen, vielen Akteuren hat. Haben ja viel mehr Akteure auch. Das wird man in diesem Marktdesign gar nicht leisten können. Und deswegen ist die Wahrscheinlichkeit, dass man im Süden nicht viel verliert, sondern durchaus durch diese Strompreise, die dann die Knappheitssituation in jeder Stunde auch besser abbilden, hat man viel mehr attraktive Geschäftsmodelle für ganz viele Akteure und muss das nicht provozieren.
Haben wir eine Situation, in der wir auch von Seiten der Bundesnetzagentur erreichen wollen, dass Industriebetriebe flexibel auf das Stromangebot reagieren. Hiebe flexibel auf das Stromangebot reagieren, obwohl wir gar nicht so genau wissen, ob die Effizienzverluste, die dadurch in der Industrie entstehen, in einem angemessenen Verhältnis zu den Effizienzgewinnen stehen, die dadurch für den Strommarkt erzielt werden können. Also wir haben sehr, sehr viele Markteingriffe, die wir vermeiden könnten, und insofern, glaube ich, ist die Situation im Süden so, dass man nicht so viel verlieren würde, wie es immer an die Wand gemalt wird. Man hätte insgesamt in Deutschland. Ein effizienteres Stromsystem, das haben Sie richtig gesagt. Die Unternehmen, die darüber nachdenken, aus Deutschland abzuwandern, die nicht darüber nachdenken, vom Süden in den Norden abzuwandern, selbst wenn wir den Preis hätten, würden sie es nicht tun, die Unternehmen, die darüber nachdenken abzuwandern, die darüber nachdenken, aus Süddeutschland in Gebiete außerhalb der EU abzuwandern. Ich glaube, diese Frage stellt sich unabhängig davon, ob wir jetzt Preiszonen machen oder nicht. Aber wenn wir Preiszonen machen, haben wir eben dadurch, dass wir dann sehr, sehr viele Subventionen nicht mehr zahlen müssen und das Stromsystem insgesamt günstiger machen, auch mehr Spielraum, um dann andere Entscheidungen zu treffen, zum Beispiel zu überlegen, lohnt es sich vielleicht, auch durch staatliche Eingriffe dazu beizutragen, dass man diese Abwanderung verhindert. Wobei man natürlich auch wieder die Frage stellen muss, machen wir uns da etwas vor? Ist es sinnvoll durch staatliche Förderung oder andere Maßnahmen. Im Land zu halten. Aber ich glaube nicht, dass diese Preiszonenentscheidung diese Frage in irgendeiner Weise negativ beeinflusst. Im Gegenteil, man hätte dann mehr Spielraum von staatlicher Seite, man hätte große Effizienzgewinne im Betrieb und man hätte klare Anreize für die vielen Akteure, die zur Effizienz des Strommarktes beitragen können. Also insofern wäre ich da schon sehr skeptisch, ob man das macht.
Und ich habe. Ja, in einer zweiten Stellungnahme von mir im Gutachten auch deutlich gemacht, diese Reformen, wenn man die wirklich angeht. Es gibt erst mal Gewinner und es gibt Unsicherheiten, es gibt Härten, die dann auf Süddeutschland zukommen könnten. Genau für solche Übergänge, wenn man sagt, man reformiert die Institutionen so, dass man das Ende des Tunnels nicht sieht und am Ende in einem wirklich effizienteren, besseren System mit besseren Anreizen für die vielen Marktteilnehmer landet. Für diesen Übergang könnte man natürlich auch Geld in die Hand nehmen, um die Härten für die Verlierer oder für die temporären Verlierer der Transformation abzufedern. Also da würde ich sogar denken, wenn wir jetzt sagen, wir haben Spielräume und wir können noch eine zusätzliche Verschuldung in Kauf nehmen, dass wir dafür Reformen möglich machen, die am Ende dazu führen, dass wir besser dastehen und wir wirklich strukturell in die richtige Richtung gehen und die Anreize wieder so zurechtrücken, dass dann eben Wachstum und Innovationskraft gefördert wird.