Für das nächste und übernächste Winterhalbjahr sind Netzreserve-Kraftwerke mit einer Erzeugungskapazität von nur noch 6.600 Megawatt statt 10.400 Megawatt im vergangenen Winterhalbjahr nötig. Grund dafür sei vor allem das am 1. Oktober 2018 startende Engpassmanagement, mit dem Stromexporte von Deutschland nach Österreich auf den technisch möglichen Umfang reduziert würden. Aktuell seien die Exportspitzen nach Österreich noch ein Treiber für Netzengpässe, schreibt die Behörde.
„In der Vergangenheit haben sich beim Export von Deutschland nach Österreich Handelsspitzen von bis zu zehn Gigawatt ergeben“, sagt ein Sprecher der Bundesnetzagentur auf Nachfrage von pv magazine. „Durch das Engpassmanagementverfahren nach Österreich in Höhe von 4,9 Gigawatt werden die Handelsspitzen entsprechend begrenzt.“
Ein weiterer Grund für den niedrigeren Netzreservebedarf sei das Freileitungsmonitoring durch die Netzbetreiber. Anders als in den Vorjahren sei die Beschaffung zusätzlicher Netzreserveleistung aus ausländischen Kraftwerken nicht erforderlich.
Von einer Trendwende bei der vorzuhaltenden Leistung aus Netzreserve-Kraftwerken will die Netzbehörde jedoch nicht sprechen. „Es gibt nach wie vor einen Bedarf an Netzreserve, um das deutsche Stromnetz in kritischen Situationen stabil zu halten“, sagt Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur. Weitere Kraftwerksstilllegungen sowie die Forderungen des „Clean Energy Package“ der Europäischen Kommission nach mehr grenzüberschreitenden Handel können demnach den Bedarf wieder erhöhen. „Dies macht die Bedeutung eines zügigen Netzausbaus deutlich“, sagt Homann. Er fordert dabei auch grenzüberschreitende Redispatchmaßnahmen.
Die Netzreserve soll Überlastungen im Übertragungsnetz verhindern. Ist das Übertragungsnetz durch hohe Stromnachfrage im Süden und hohe Erzeugung aus Windenergieanlagen im Norden überlastet, müssen es die Netzbetreiber durch sogenannte Redispatchmaßnahmen wieder stabilisieren. Dabei vermindern sie Erzeugungsleistung vor dem Engpass und erhöhen gleichzeitig die Erzeugungsleistung hinter dem Engpass. Diesen Ausgleichsmechanismus führen der Bundesnetzagentur zufolge zunächst die am Markt agierenden Kraftwerke durch. In besonders kritischen Netzsituationen müssten jedoch zusätzlich Netzreservekraftwerke eingesetzt werden.
Die Netzreserve setzt sich aus Kraftwerken zusammen, die die Betreiber stilllegen wollen, es jedoch wegen ihrer Systemrelevanz nicht dürfen. Die Kraftwerksbetreiber dürfen die Anlagen aus der Netzreserve jedoch nicht parallel am Stromerzeugungsmarkt einsetzen, sondern ausschließlich für Redispatchmaßnahmen auf Anforderung der Netzbetreiber. Die Netzreservekraftwerke seien daher nur noch in relativ wenigen Stunden eines Jahres in Betrieb, schreibt die Bundesnetzagentur.
Dem Bericht der Übertragungsnetzbetreiber zufolge kamen die Netzreservekraftwerke für den Winter 2017/2018 an insgesamt 105 Tagen zum Einsatz. Die maximal angeforderte Kraftwerksleistung wurde dabei mit 2.163 Megawatt im November angefordert. Zum Jahreswechsel hatte der Übertragungsnetzbetreiber Tennet für das vergangene Jahr Rekordkosten bei Noteingriffen ins Stromnetz von rund einer Milliarde Euro gemeldet.
Dabei wird oft der wachsende Anteil an erneuerbaren Energien dafür verantwortlich gemacht. Im Gespräch mit pv magazine erklärte Energy-Brainpool-Experte Fabian Huneke, was aus seiner Sicht die Ursachen für diese wachsenden Redispatch-Kosten sind.
Quelle: www.pv-magazine.de
Für Huneke lassen sich deshalb die hohe Zahl der Netzeingriffe Anfang 2017 in erster Linie auf ein Ereignis jenseits der deutschen Grenze zurückführen. Demnach konnten in Frankreich im vergangenen Winter bei hoher Stromnachfrage bis zu zwölf Kernkraftwerke wegen Sicherheitschecks keinen Strom einspeisen. Den nötigen Strom hat das Land auch aus Deutschland bezogen. In dieser Phase einer angespannten Netzsituation und hoher Strompreise bei wenig Wind- und Solarstrom fuhren die Netzbetreiber und Energieversorger vielerorts in Europa ihre Reservekraftwerke hoch, sagt Experte Huneke mit Blick auf die hohen Kosten im ersten Quartal.
Wegen der Herbststürme haben im vierten Quartal die Windkraftanlagen viel Strom produziert. „Ausgerechnet in dieser Zeit hielten sich die Netzbetreiber mit Redispatch-Maßnahmen zurück“, sagt Huneke.
Der Experte teilt daher in diesem Punkt die Meinung mancher Kritiker wie dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Oliver Krischer. „Insbesondere in Nord- und Ostdeutschland verstopft Strom aus konventionellen Kraftwerken die Stromnetze in Richtung Süden“, sagt der Experte von Energy Brainpool. In der Theorie müssten die Kohlekraftwerke bei hoher Einspeisung aus Photovoltaik- und Windkraftanlagen soweit wie technisch möglich in solchen Situationen heruntergefahren werden. Dennoch blieben nördlich des Engpasses starre fossile Erzeugungsbänder erhalten, die das Netz belasteten. „Ohne sie würde weniger Redispatch stattfinden“, so Huneke.
Quelle: www.pv-magazine.de
Der Übertragungsnetzbetreiber Tennet musste im vergangenen Jahr für eine Milliarde Euro stabilisierend in den Netzbetrieb eingreifen. 2015 musste Tennet für 710 Millionen Euro stabilisierend in den Netzbetrieb eingreifen, im windschwachen Jahr 2016 für 660 Millionen Euro. In der Tennet-Regelzone fällt der höchste Anteil an Kosten für netzstabilisierende Maßnahmen an. Bei starkem Wind fehlen bisher die Kapazitäten, um den überschüssigen Strom im Norden in den Süden zu transportieren.
Nach Prognosen der Bundesnetzagentur könnten die Netzeingriffskosten nach der Abschaltung der letzten Atomkraftwerke 2022 auf jährlich bis zu vier Milliarden Euro bundesweit steigen.
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Kommentar

Spannend zu lesen. In den letzten Wintern wurden immer wieder aus Deutschland große Mengen Strom bezogen, um die Engpässe in der Schweiz, Frankreich und Belgien zu beherrschen. Für Frankreich werden auch in den kommenden Wintern größere Versorgungsprobleme erwartet. Wir werden ja sehen, ob die Reserven auch in Zukunft ausreichen, wenn alle ihre Kraftwerksleistungen zurückfahren. Spannend auch, mit welch polemischen Meldungen wie „konventionelle Kraftwerke verstopfen die Stromnetze“ argumentiert wird. Ohne konventionelle Kraftwerke bräuchten wir wahrlich kein Redispatching, denn dann wären wir im Schwarzfall (= Blackout), da die für den sicheren Systembetrieb unverzichtbaren Momentanreserven fehlen würden. Physik ist egal, ob fossil oder erneuerbar. Es geht nur um beinharte technische Grenzen, die nicht schön geredet werden können. Wie die Systemsicherheit mit immer weniger rotierenden Massen im derzeitigen System kurzfristig beherrschbar bleiben soll, bleibt ein Rätsel. Aber noch funktioniert ja alles.
Die Netzengpässe im aktuellen Marktdesign entstehen nicht, weil Österreich nicht genug Strom selbst produzieren könnte, sondern weil es wesentlich billiger ist, den deutschen Überschussstrom an der Börse zu kaufen. Da rechnet sich nicht einmal mehr die Wasserstromproduktion! Zum anderen fehlen die Leitungskapazitäten, um den Überschussstrom aus Norddeutschland in die Bedarfsregionen in Süddeutschland zu transportieren. Damit tritt wieder die Physik auf den Plan und der Strom fließt über Polen, Tschechien, Österreich in den süddeutschen Raum. Eigentlich ein innerdeutsches Problem.
Siehe dazu auch die weiterführenden Gedanken in Verantwortlich für die Versorgungssicherheit – jetzt und künftig