Quelle: www.lvz.de

Im Falle eines Blackouts fährt die gesamte Dow-Anlage in Böhlen herunter, viele Dinge, für deren Herstellung hier die Grundstoffe hergestellt werden, können dann knapp werden. Ein Ab- und wieder Anschalten der Anlage würde außerdem geraume Zeit in Anspruch nehmen.

Die Vorbereitung auf ein solches Szenario fängt schon bei der Planung der Anlage an, und zwar im ganz Kleinen. Soll das Ventil im Falle eines Blackouts zubleiben oder sich öffnen? Das muss im Vorfeld. In der Technik spricht man dabei von einem inhärent sicheren System. Das heißt die Anlagen werden so konstruiert, dass sie auch nach dem Ausfall einer oder mehrerer Komponenten sicher arbeiten beziehungsweise sicher herunterfahren.

Im Werk Böhlen befindet sich das Herzstück der mitteldeutschen Dow-Standorte – der Cracker. Auf Basis von Rohbenzin werden hier chemische Grundstoffe wie Ethylen und Propylen hergestellt, die in Böhlen unter anderem zu Ausgangsstoffen für Hygieneartikel oder Produkte im Bauwesen sowie an den Standorten Schkopau und Leuna zu hochwertigen Kunststoffen weiterverarbeitet werden. So entstehe in Böhlen beispielsweise der Grundstoff für die Feuchtigkeit absorbierenden Kügelchen in Windeln.

Kommt es beispielsweise in Böhlen zu einem Stromausfall, werden automatisch alle Anlagen in einen sicheren Betriebszustand gebracht. „Für diesen Schritt ist kein Strom notwendig“, beschreibt Domogalla. Eine Notstromversorgung stehe aber beispielsweise „für das Prozessleitsystem zur Verfügung, um das automatische Herunterfahren in der zentralen Messwarte zu überwachen.“ Eine Fortsetzung der Produktion im Normalbetrieb sei aber keinesfalls möglich. Zwar könnten Flüssigkeiten wie Wasser und Benzin für eine bestimmte Zeit in den Leitungen verbleiben, allerdings müssen sämtliche chemische Reaktionen gestoppt werden.

Unmittelbar nach einem Stromausfall kommt der Krisenstab zusammen. Dessen erste Aufgaben: Sich einen Überblick über die Lage verschaffen, die Öffentlichkeit informieren und weitere Schritte einleiten.

Herausforderung ist die Wiederinbetriebnahme

All diese Abläufe werden dabei regelmäßig geübt – unangekündigt. „Dabei geht es nicht bei jeder Übung zwangsläufig um das Szenario des Stromausfalls. Auch Brände, Epidemien und Höhenrettungen werden trainiert“, unterstreicht Domogalla. Alle drei Jahre erfolge zudem an jedem der Dow-Standorte eine große Katastrophenschutzübung in Zusammenarbeit mit den zuständigen Landkreisen und örtlichen Feuerwehren.

Die besondere Herausforderung nach einem Blackout wäre laut Domogalla das Wiederanfahren der Anlage. „Dabei muss jedes Anlagenteil Stück für Stück und in einer bestimmten Reihenfolge in Betrieb gehen“, macht er deutlich. Beispielsweise könnten nicht die Pumpen und Kompressoren anlaufen, wenn noch gar keine Stoffe zum Transportieren da wären. Etwa eine Woche würde das Anfahren der Produktion dauern, erst dann sei der Normalbetrieb wieder gewährleistet.

Kommentar

Damit wird leider einmal mehr bestätigt, dass die Phase 2 nach einem Blackout eine völlig unterschätzte Herausforderung wird!

Besonders kritisch muss die Telekommunikationsversorgung eingeschätzt werden. Wie immer wieder lokale Ausfälle im Infrastruktursektor (24/7-Betrieb) zeigen, können hier folgenschwere Hardwareschäden auftreten. So wird regelmäßig von bis zu 30 Prozent schadhafter Netzteile berichtet. Bei einem derart hohen Gleichzeitigkeitsbedarf eine Horrorvorstellung. Daher sollte gerade in diesem Sektor mit einer zumindest mehrtägigen Wiederherstellungszeit gerechnet werden. Ganz abgesehen von den erwartbaren massiven Überlastungen beim Wiederhochfahren, wenn alle gleichzeitig wieder kommunizieren wollen.

Damit funktionieren weder Logistik noch die Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern. Das geht sogar so weit, dass etwa Tankwägen aufgrund elektronischer Diebstallsicherungen nicht entladen werden können. Ganz abgesehen davon von vielen anderen erwartbaren Zwischenfällen, wie die Erfahrung zeigt.