Bachelorarbeit von Philipp Lorenz, Fachhochschule Campus Wien/Integriertes Sicherheitsmanagement

Folgende Aussagen seien hier besonders hervorgehoben, da sie bisherige eigene Einschätzungen und Erfahrungen aus anderen Bereichen unterstreichen und gleichzeitig als besonders kritisch einzustufen sind:

Besonders alarmierend ist die Erkenntnis, dass auf operativer Ebene keinerlei Informationen zu Notfallszenarien existieren. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Intensivstation werden weder geschult, noch eingewiesen. Hier ist ein besonders hoher Handlungsbedarf gegeben, da sich eine durchgehende Unsicherheit zu diesem Thema abgezeichnet hat und die befragten Personen auch ausgesagt haben, gerne mehr über dieses Thema erfahren zu wollen und auch besser in ihrem Bereich darauf vorbereitet sein wollen. Der beste Notfallplan funktioniert nicht, wenn nur die strategische Führungsebene Kenntnis hat und nie mit dem Personal der operativen Ebene gesprochen oder gar geübt wurde.

Ein großes Problem im Falle eines Blackouts ist die Alarmierung weiterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Garantie, dass diese auch am Arbeitsplatz erscheinen.

Wenn jedoch ein Blackout eintritt und nicht einmal der leitende Oberarzt der Intensivstation weiß, wie vorzugehen ist, dann stellt dies doch ein markantes Risiko dar.

Kontext und Fragestellung

Steigende internationale terroristische Aktivitäten, die Häufung von Naturkatastrophen und die Möglichkeit des menschlichen Versagens in der Energieversorgungsbranche machen die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts, also eines großflächigen und länger andauernden Stromausfalls, größer.

Für kritische Infrastrukturen wie Wasserversorger, Gesundheitseinrichtungen und dergleichen gibt es selbstverständlich umfangreiche Vorgaben, welche vorbeugenden Maßnahmen für einen Stromausfall zu setzen sind. Diese beinhalten jedoch nur sehr grobe und allgemein gehaltene Maßnahmen und sind nicht auf die speziellen Gegebenheiten, zum Beispiel von einem Krankenhaus, zugeschnitten. Hier könnte sich im Falle eines Blackouts ein Problem auftun, da die primären Aufgaben und Tätigkeiten im Notfallplan implementiert sind, die sekundären Tätigkeiten wie die Körperwäsche von Patientinnen und Patienten, die Labortests, die Reinigung und vieles mehr jedoch nicht.

Hier soll diese Arbeit anknüpfen und aufzeigen, wie lange eine Intensivstation, das Hauptaugenmerk speziell auf die Versorgungsdienstleistungen gerichtet, im Falle eines Blackouts den Betrieb weiterhin aufrechterhalten kann.

Ziele der Arbeit

Ziel dieser Arbeit ist es, einen Überblick über die Versorgungsdienstleistungen einer Intensivstation zu verschaffen, einen Einblick in das Thema des Blackouts zu bekommen und zu klären, inwiefern die definierten Versorgungsdienstleistungen bei einem Blackout betroffen sind.

Dazu wird zuerst das Thema des Blackouts behandelt, um ein allgemeines Verständnis dafür zu bekommen. Danach werden die Intensivstation und ihre Versorgungsdienstleistungen in Augenschein genommen.

Um ein Ablauf- sowie Kaskadenmodell erstellen zu können, werden die Auswirkungen eines Blackouts auf die Versorgungsdienstleistungen der Intensivstation beschrieben und analysiert.

Anhand der gesammelten Informationen können die Modelle erstellt und Risikoindikatoren abgelesen werden.

In den Expertinnen- und Experteninterviews werden diese aufgestellten theoretischen Modelle anschließend vorgestellt, auf ihre Praxistauglichkeit überprüft und die gewonnenen Erkenntnisse bestätigt oder widerlegt.

Ergebnisse

In den Expertinnen- und Experteninterviews wurden beinahe alle Versorgungsdienstleistungen als relevant für ein Blackout-Szenario bezeichnet. Lediglich Mobilisation und Lagerung können vernachlässigt werden. Das Ablaufmodell mit seinen Risikoindikatoren wurde in vielen Punkten bestätigt. Eine Überarbeitung des Ablaufmodells ist in den Punkten des Labors, der Dokumentation sowie der Ausbreitung von Infektionskrankheiten notwendig. Außerdem muss die Rolle des Personals wesentlich mehr berücksichtigt werden. Die Forschungsfrage konnte vollständig beantwortet werden. Hypothese Eins [Wenn ein totales Blackout eintritt, dann ist nach 54 Stunden ein sicherer Betrieb einer Intensivstation aufgrund der ausgefallenen Versorgungsdienstleistungen nicht mehr möglich.] wurde insoweit widerlegt, als dass ein sicherer Betrieb der Intensivstation laut den Expertinnen und Experten sogar schon früher als angenommen nicht mehr möglich sei. Hypothese Zwei [Die aus der Literatur abgeleiteten Risikoindikatoren finden sich in der Praxis wieder.] konnte zum Großteil bestätigt werden.

Stand der Forschung

Aufgrund der hohen Auswirkungen bei Eintritt eines Risikos, speziell aber für den Krankenhausbereich, hat die Landeskliniken Holding Niederösterreich eine interne Weisungsrichtlinie herausgegeben, die mit Absprache des niederösterreichischen Zivilschutzverbandes ausgearbeitet wurde. Darin werden die genauen Maßnahmen vor, während und nach dem Eintritt eines Blackouts beschrieben. Unter anderem ist hier festgelegt, wie lange das Notstromaggregat des Krankenhauses einen Notbetrieb aufrechthalten können muss (Buric et al., 2013, S. 10).

Blackout auf der Intensivstation

Die Intensivstation, mit ihrer Vielzahl an Geräten, Vorgängen und besonderen Anforderungen, ist im Falle eines Blackouts besonders betroffen.

Beatmungsgeräte, EKG-Monitore, Spritzenpumpen und andere Geräte werden nicht mehr mit Dauerstrom versorgt und laufen auf Akku-Betrieb, bis sie vom Notstromaggregat des Krankenhauses versorgt werden. Die Beleuchtung fällt aus und der tägliche Ablauf ist stark beeinträchtigt. Geräte zur Diagnostik funktionieren nicht mehr, nicht dringliche Operationen müssen aufgeschoben werden und nicht operative Eingriffe sind erschwert durchführbar.

Für diesen Fall existieren Notfall- und Ablaufpläne sowie in jedem Krankenhaus ein Notstromaggregat, welches wichtige Bereiche für mehrere Tage versorgen kann (Buric et al., 2013, S. 10).

Daher werden in dieser Arbeit auch nicht die primären Folgen des Blackouts für eine Intensivstation behandelt, sondern es wird auf die Thematik der Versorgungsdienstleistungen der Intensivstation während eines Blackouts eingegangen.

Die Intensivstation und ihre Versorgungsdienstleistungen.

Als Beispiel für die Arbeit wird ein Krankenhaus in Niederösterreich mit circa 300 Betten, davon sechs Intensivbetten, genommen.

Die Versorgungsdienstleistungen auf der Intensivstation können zusammenfassend in die Bereiche Ernährung, Medikamentenversorgung, Wäsche und Reinigung, Transport im Krankenhaus, Körperpflege, Mobilisation und Lagerung, Wundpflege, Abfall und Entsorgung sowie Labor und Dokumentation gegliedert werden.

Von den täglich in Krankenhäusern produzierten Mahlzeiten werden 76 % an Patientinnen und Patienten weitergegeben, 11 % an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 3 % an interne Cafeterien und 10 % an externe Abnehmerinnen und Abnehmer. Mehr als 90 % der Krankenhausküchen arbeiten nach dem System der Warmverpflegung. Das heißt, die Mahlzeit wird frisch am selben Tag zubereitet, im Gegensatz zu Cook & Chill oder Cook & Freeze Lösungen, bei denen die Mahlzeiten vorgekocht und danach erwärmt werden (Keßeler & Kohl, 2010, S. 633-640).

In diesem Fall ist es höchst unwahrscheinlich, dass besagte Firmen im Szenario eines Blackouts den Vertrag mit dem Krankenhaus noch einhalten können. Was die Reinigung des Krankenhauses und somit auch der Intensivstation betrifft, ist entscheidend, in welchem Intervall vor Eintreten des Blackouts gereinigt wurde (Salfeld, Hehner, & Wichels, 2008, S. 109-112).

Neben der Herausforderung, die gesetzlichen Anforderungen wie Wasserrecht, Gefahrgutrecht, ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und dergleichen zu erfüllen, steht die Intensivstation und selbstverständlich auch das gesamte Krankenhaus vor der Aufgabe, den anfallenden Abfall zu entsorgen oder zu lagern. 95 % des anfallenden Mülls sind unbedenklich und nicht schädlich. Die restlichen fünf Prozent setzen sich aus giftigen, infektiösen, brennbaren, ätzenden oder ähnlichen Stoffen zusammen. Für diese muss eine separate Lagerung und Entsorgung erfolgen (Romanski & Pieper, 2010, S. 603-611).

Die meisten Prozesse funktionieren anfänglich noch einigermaßen, stagnieren jedoch allmählich mit Eintreten der ersten Ausfälle, bis es mehr und mehr zum totalen Stillstand des betroffenen Bereichs kommt. Der Stillstand des einen Bereichs kann dann wiederum auch Auswirkungen auf andere Prozesse haben. Diesen Effekt beschreibt das Kaskadenmodell eingehend. Der wasserfallartige Verlauf ist auf der Intensivstation gut vorstellbar. Durch die Minderversorgung mit Frischwasser kann die Hygiene der Patientinnen und Patienten nicht aufrechterhalten werden. Dadurch ergibt sich eine allgemein schlechte hygienische Situation auf der Intensivstation und Krankheiten können sich leichter ausbreiten. Die Ausbreitung von Krankheiten kann das Personal ebenfalls körperlich beeinträchtigen und schlussendlich ist die Intensivstation aufgrund des kaskadenartigen Fortschritts des Blackouts nicht mehr betriebsfähig. Bis es zu diesem Worst-Case-Szenario kommt und das besagte Blackout sowie der Kaskadeneffekt eintreten, müssen aber viele Schutzmechanismen im Sicherheits- und Risikomanagementbereich der Stromversorgungsunternehmen versagen. Hier kommt das Schweizer Käse beziehungsweise Reason Modell zu tragen.

Mehrere Fehler durchdringen Schutzschichten und führen zu einem großen Fehler oder in diesem Fall zum Blackout.

Die Auswirkungen eines Blackouts auf die Versorgungsdienstleistungen der Intensivstation

Die Medikamentenversorgung der Intensivstation wird durch die hausinterne Apotheke bewerkstelligt und unterliegt der Apothekenbetriebsordnung, welche einen Vorrat für mindestens 14 Tage vorschreibt. Da im Falle eines Blackouts mit vermehrtem Patientinnen- und Patientenaufkommen zu rechnen ist, könnte dieser Vorrat schon nach kurzer Zeit zur Neige gehen. Für drei Tage wird er aber in jedem Fall ausreichen. Das größere Problem im Bereich der Medikamente ist aber die Möglichkeit der Kühlung. So müssen einige der Notfallmedikamente ständig gekühlt werden. Wird diese Kühlung unterbrochen, beziehungsweise eine bestimmte Lagertemperatur überschritten, wirken die Medikamente nicht oder nur mehr vermindert. Genauso müssen Blutkonserven ständig gekühlt werden (Harrer, 2011, S. 213-216).

Die Reinigung der Wäsche sowie des Bettzeuges gestaltet sich hier schwierig. Hier ist bei den Angestellten spätestens nach einer Zwölf-Stunden-Schicht ein Wechsel notwendig, bei den Patientinnen und Patienten nach circa 48 Stunden.

Ablaufmodell

 

Empirischer Teil – Ergebnisse

Das Risiko des Blackouts im Krankenhaus wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der operativen Ebene wahrgenommen. Die oberste Leitung hat sich aufgrund eines von der Landeskliniken Holding vorgegeben Gefahrenkatalogs mit dem Thema befasst. In der Prävention sind einige Maßnahmen definiert. Darunter fallen zum Beispiel die Bevorratung von Medikamenten, Treibstoff für das Notstromaggregat, Funkgeräte, Material- sowie Nahrungsreserven. Die operative Ebene ist nicht gut auf den Eintritt eines Blackouts vorbereitet, auf strategischer Ebene gibt es umfangreiche Planungen. Übungen wurden in diesem Teilbereich der Gefahrenabwehr jedoch noch nicht durchgeführt und sind auch nicht in Planung.

Zusammenfassung und Interpretation

Fazit

Als Ausgangslage fungierte der Eintritt eines Blackouts, also ein länger andauernder, großflächiger Stromausfall. Der Gedanke dahinter war, dass die lebenserhaltenden Gerätschaften und das Monitoring ohne größere Probleme weiterhin funktionieren werden, da sie am Notstromaggregat hängen. Probleme jedoch werden bei den Abläufen um die Kerndienstleistungen einer Intensivstation entstehen. Diese wurden unter dem Begriff der Versorgungsdienstleistungen zusammengefasst. Das Problem besteht hier in der Abhängigkeit von externen Dienstleistungsunternehmen und von benötigten Lagerkapazitäten, die möglicherweise nicht vorhanden sind. Die Auswirkungen konnten in vielen Bereichen bestätigt werden, manche wurden widerlegt und als nichtig eingestuft. Die auftretenden Probleme, welche in der Arbeit als Risikoindikatoren bezeichnet werden, finden sich durchaus in der Praxis wieder und konnten ebenfalls zur Mehrheit bestätigt werden. Daraus lässt sich schließen, dass die Problemstellung der Arbeit ihre Berechtigung hat. Lösungsansätze wurden bereits in den Interviews durch neue, bis dato unbekannte, Informationen ans Licht gebracht. Somit konnten Problembereiche nach Expertinnen- und Expertenmeinung aus dem Ablaufmodell entfernt werden. So stellt zum Beispiel die Hygiene der Patientinnen und Patienten nicht das primäre Problem dar, denn es gibt Fertigprodukte zur Körperpflege. Vielmehr ist das Personal betroffen, welches sich nicht mehr duschen und auch keine WC-Anlagen mehr benutzen kann. Der Punkt der Laboruntersuchungen und Infektionen konnte gestrichen werden. Die Forschungsziele konnten in vollem Umfang erreicht werden. Es wurden die Bereiche des Blackouts im Allgemeinen, die Auswirkungen des Blackouts auf die Versorgungsdienstleistungen der Intensivstation, die Risikoindikatoren im Praxismodell und die theoretischen Überlegungen dazu behandelt.

Ausblick und künftiger Forschungsbedarf

Die Mehrzahl der definierten Risikoindikatoren ist in der Praxis relevant und wird vom Personal auch so wahrgenommen.

Hier könnte ein Szenario-Training mithilfe des erstellten Ablaufmodells durchgeführt werden, um genaue Daten an Medikamentenverbrauch, Wasserbedarf und so weiter ermitteln zu können. Anhand dieser Daten kann das Ablaufmodell weiter der Realität angepasst werden und es können weitere Vorbereitungen für die Versorgung während eines Blackouts getroffen werden. Ein großes Problem im Falle eines Blackouts ist die Alarmierung weiterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Garantie, dass diese auch am Arbeitsplatz erscheinen. Zurzeit gibt es keine ausfallsichere Notfallkommunikation außerhalb des Krankenhauses. Es wird über Mobiltelefon und Festnetzanschluss kommuniziert. Bei Eintritt eines Blackouts fallen diese Kommunikationsmittel nach kurzer Zeit aus. Sollte trotzdem die Möglichkeit bestehen, eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter zu erreichen, ist es nicht geregelt, ob diese oder dieser im Katastrophenfall auch zusagen muss und den Dienst im Krankenhaus antritt. Besonders alarmierend ist die Erkenntnis, dass auf operativer Ebene keinerlei Informationen zu Notfallszenarien existieren. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Intensivstation werden weder geschult, noch eingewiesen. Das einzige Szenario, in welches sie unterwiesen werden, ist ein Brandausbruch. Hier ist ein besonders hoher Handlungsbedarf gegeben, da sich eine durchgehende Unsicherheit zu diesem Thema abgezeichnet hat und die befragten Personen auch ausgesagt haben, gerne mehr über dieses Thema erfahren zu wollen und auch besser in ihrem Bereich darauf vorbereitet sein wollen. Der beste Notfallplan funktioniert nicht, wenn nur die strategische Führungsebene Kenntnis hat und nie mit dem Personal der operativen Ebene gesprochen oder gar geübt wurde. Für weitere Forschungsvorhaben würden sich die höheren Managementebenen der Krankenhäuser beziehungsweise der Landeskliniken Holding Niederösterreich anbieten. Hier werden die Vorgaben für das Gefahrenabwehrhandbuch gemacht und auch die Entscheidungen getroffen, warum es keine Übungen in diesem Bereich gibt und warum das Personal keinerlei Informationen über die Abläufe besitzt. Besonders im Krankenhausbereich, wo kleinste Fehler katastrophale Folgen haben können, wäre es doch ratsam, außergewöhnliche Szenarien und Abläufe zu trainieren und zu verbessern. Das tägliche Geschäft in den OP-Sälen und auf den Stationen läuft routinemäßig ab. Wenn jedoch ein Blackout eintritt und nicht einmal der leitende Oberarzt der Intensivstation weiß, wie vorzugehen ist, dann stellt dies doch ein markantes Risiko dar. Bereits die ersten Minuten können ausschlaggebend sein, wie sich ein solches Szenario weiterentwickeln wird und ob die Bewältigung gelingen oder im schlimmsten Fall fatal enden wird.