Letzte Aktualisierung am 15. März 2016.

Quelle: www.tagesanzeiger.ch vom 02.12.15 – (Updates 23.12.15, 30.12.15, 12.01.16, 03.02.16, 04.03.16 – Entwarnung- Aber: Nach dem Winter ist vor dem Winter… )

Der Schweizer Übertragungsnetzbetreiber Swissgrid warnt vor einem Energie-Engpass in diesem Winter. Er ruft die Stromproduzenten dazu auf, weniger Strom zu exportieren.

Die Energiereserven sind aufgrund einer Verkettung besonderer Umstände knapp, heisst es bei der Swissgrid. Sie ist zuständig dafür, dass im Schweizer Stromnetz alles rundläuft. Mit besonderen Umständen meint sie insbesondere zwei Faktoren:

  • Die Trockenheit im Sommer und im Herbst führte dazu, dass die Flüsse weniger Wasser führen und deshalb weniger Strom daraus gewonnen werden kann. Die fehlenden Niederschläge führten auch dazu, dass die Stauseen unterdurchschnittlich gefüllt sind. Gemäss neusten Zahlen sind sie zu gut 65 Prozent gefüllt. In den letzten fünf Jahren kam ein solch tiefer Füllgrad nie vor. Er liegt 11 Prozent unter dem langjährigen Mittel. Kurz gesagt: Der Strom aus Speicherkraftwerken wird ebenfalls nicht üppig fliessen.
  • Weil die Atomkraftwerke Beznau 1 und 2 nicht laufen, fehlen zudem 720 Megawatt Strom.

Durch die zwei Faktoren fehlt es an Bandenergie, welche den Grundbedarf an Strom abdeckt, der während des ganzen Tages nachgefragt wird.

Diese Lücke mit Importstrom aus Deutschland oder Frankreich zu füllen, wie das bisher gemacht wird, scheint dieses Mal auch nicht so einfach. Dafür mangelt es an der erforderlichen Infrastruktur. Die Kapazitäten dieser Transformatoren sind limitiert.

In dieser angespannten Situation braucht es nur noch wenig, damit es zum Worstcase-Szenario Blackout kommt. Ein Ausfall eines Kraftwerks oder ein harter, lang andauernder Winter könnten das Fass zum Überlaufen bringen.

Swissgrid sah sich jedenfalls gezwungen, die Öffentlichkeit über die angespannte Situation zu aufzuklären. «Wir wollen keine Panik machen, sondern schlicht transparent über die Energieversorgungssituation informieren», sagt Fischbach. Die Elektrizitätskommission des Bundes, die Elcom, teilt die Meinung der Swissgrid über die angespannte Energiesituation.


Energie- und Netzsituation Schweiz im Winter 2015/2016

Quelle: www.swissgrid.ch

Für den Winter 2015/16 ist aber damit zu rechnen, dass die Netzkapazitäten im Übertragungsnetz, insbesondere bei der Transformierung 380/220 kV, vermutlich verstärkt an ihre Grenzen stossen.

Eine Kumulierung besonderer äusserer Umstände im 220-kV-Netz gestaltet die Ausgangslage für den Netzbetrieb im Winter 2015/16 im Vergleich mit Vorjahren besonders schwierig. Swissgrid schätzt die aktuelle Netzsituation und die Energieversorgung für den Winter 2015/16 als angespannt ein. Die Energiereserven sind aufgrund einer Verkettung besonderer Umstände knapp.

Swissgrid muss derzeit häufiger als üblich Redispatch-Massnahmen durchführen, um zu gewissen Zeiten die Transformatoren zu entlasten. Die Netzkapazitäten im Übertragungsnetz, insbesondere bei der Transformierung 380/220 kV, stossen im Winter 2015/16 vermutlich verstärkt an ihre Grenzen.

Swissgrid kann nicht ausschliessen, dass im Winter 15/16 die Situation im Übertragungsnetz in Kombination mit den erwähnten Rahmenbedingungen bei Kraftwerken zu erheblichen Herausforderungen bei der Energieversorgung der Endkunden durch die Versorgungsunternehmen führt.

Im schlimmsten Fall muss dennoch mit einem totalen Versorgungsausfall in grossen Teilen der Schweiz gerechnet werden.

Wie lange kann ein Versorgungsunterbruch dauern?  Im allgemeinen Fall (ohne Schäden bei Netzanlagen) sprechen wir von mehreren Stunden.


Update 23.12.15 – So hält uns die Strombranche zum Narren

Quelle: www.infosperber.ch

Halbvolle Stauseen schon im Frühwinter: Stromwirtschaft verpulverte den wertvollen Spitzenstrom

Die Stromwirtschaft hat in den letzten drei Monaten die Stauseen halbgeleert und jetzt schreckt sie uns mit dem «Blackout».

Mitte September 2015 waren die Schweizer Stauseen so voll wie schon lange nicht mehr: 87,3 Prozent betrug der Füllungsgrad. Anfang Oktober titelten die Medien euphorisch: «Stauseen trotz Rekordsommer überdurchschnittlich gefüllt». Mitte Dezember, nur zwei Monate später, waren die Speicherkraftwerke mit einem Füllungsgrad von 50,7 Prozent halbleer. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren die Stauseen zu diesem Zeitpunkt zu 67 Prozent gefüllt.

Ein Blick in die Entwicklung der Strompreise an der Börse liefert den Grund für diese Entwicklung: Im Sommer lagen die Strompreise laut dem Schweizer Strompreis-Index Swissix im Keller und die Strombranche hielt das Wasser in den Speicherkraftwerken zurück. Ab September stiegen die Strompreise an und die Stromwirtschaft begann auf Teufel komm raus mit der Produktion von Speicherstrom. Die Kassen der Strombarone klingelten und die Speicherseen leerten sich.

Ein Blick in die Entwicklung der Strompreise an der Börse liefert den Grund für diese Entwicklung: Im Sommer lagen die Strompreise laut dem Schweizer Strompreis-Index Swissix im Keller und die Strombranche hielt das Wasser in den Speicherkraftwerken zurück. Ab September stiegen die Strompreise an und die Stromwirtschaft begann auf Teufel komm raus mit der Produktion von Speicherstrom. Die Kassen der Strombarone klingelten und die Speicherseen leerten sich.

Die Warnsignale der Swissgrid von Anfang Dezember lassen die Produzenten von Speicherstrom offenbar kalt. Statt die Speicherseen endlich zu schonen, senkten sie den Inhalt der Stauseen in den beiden ersten Dezember-Wochen weiter ab, nämlich von rund 60 auf 50 Prozent. Dabei profitierten sie von den hohen Inlandpreisen.


Update 30.12.15 – Beim Strom auch an das Wetter denken

Quelle: www.nzz.ch

Das Risiko eines Strommangels erscheint überraschend und wirft Fragen auf. Doch das Problem war den Fachleuten schon bekannt.

Das Risiko eines Strommangels ist rasch zu einem Zankapfel geworden. Inwieweit die Lage ernst ist oder ob sie es jemals war, darüber ist sich die Branche selber uneins.

Die wichtigste Lehre aus diesen Monaten lautet denn, dass durch den Klimawandel auch im Stromnetz vermehrt mit Aussergewöhnlichem gerechnet werden muss.


Update 12.01.16 – Aktuelle Netzsituation weiter angespannt – Jänner

Quelle: www.finanzen.ch

Anfang Dezember hatte Swissgrid die Energie- und Netzsituation für den Winter als angespannt bezeichnet. Durch den damaligen Ausfall der Axpo-Kernkraftwerke Beznau I (Wiederstart nicht vor Ende Juli 2016 erwartet) und II, musste fehlende Bandenergie hauptsächlich durch Strom aus Schweizer Speicherseen ersetzt werden. Wegen der begrenzten Transformatorenkapazität aus dem 380 Kilovolt-Netz auf die tieferen Netzebenen können auch Importe nicht vollständig zur Kompensation genutzt werden, obwohl genügend Energiereserven im Ausland und ausreichende Importkapazität an den Grenzen zur Verfügung stehen würden.

Die optimale Nutzung der verfügbaren Netto-Importkapazität und die Schonung der Speicherinhalte sei wegen der gennannten Gründe weiterhin eine Voraussetzung für eine sichere Energie- und Netzsituation im Winter 2015/2016, sagte Zumwald am Dienstag. Die Nagelprobe stehe erst noch bevor, und Swissgrid beobachte die Situation genau.

Update 03.02.16 – Energie- und Netzsituation Schweiz im Winter 2015/2016 – Februar

Quelle: Swissgrid

Die über die Feiertage beobachtete leichte Entspannung der Energie- und Netzsituation hat sich im Januar fortgesetzt. Die Netzsituation konnte mithilfe der umgesetzten Massnahmen verbessert werden. Die Entwicklung der Energie- und Netzsituation in den Monaten Februar bis April 2016 bleibt ungewiss. Eine länger andauernde Kälteperiode oder der Ausfall eines kritischen Betriebsmittels könnte erneut zu einer Verschärfung der Situation führen.

Update 04.03.16 – Energie- und Netzsituation Schweiz im Winter 2015/2016 – März

Quelle: SwissGrid

  • Der aktuelle Füllstand der Speicherseen hat die Minimum-Füllstandskurve der letzten zwanzig Jahre wieder erreicht und nähert sich kontinuierlich dem langjährigen Median an
  • Positive Faktoren: technische und marktseitige Massnahmen, günstiges Wetter (milde Temperaturen, überdurchschnittliche Niederschläge), sowie Wiederinbetriebnahme von Beznau 2
  • Die Prognose für die weitere Entwicklung der Energie- und Netzsituation bis April 2016 ist günstig
  • Vorteilhafte Wetter- und Temperaturprognosen bis Mitte März
  • Verbleibende Risiken: Ausfall eines kritischen Betriebsmittels oder eine unerwartete, länger andauernde Kälteperiode
  • Aber: Nach dem Winter ist vor dem Winter…

Kommentar

Wenn ein Übertragungsnetzbetreiber (Swissgrid) diesen Schritt an die Öffentlichkeit setzt, dann sollte das aufhorchen lassen! Die Schweiz hat aufgrund des geringen Wasserstandes im Rhein aktuell auch ein Erdöllieferproblem (siehe Die Schweiz zapft schon ihre Notfallreserven an).

Normalerweise bekommt die Schweiz einen Teil ihrer Treibstoffe als Rohöl per Pipeline. Doch die einzige Schweizer Raffinerie ist gerade defekt. Der eingeschränkte Transport über den Rhein kann das nicht ausgleichen. Zum ersten Mal seit dem 2. Weltkrieg hat die Schweizer Regierung deshalb ihre Notreserven freigegeben. In den Tanklagern, wie hier im Kanton Aargau, müssen normalerweise immer einige Millionen Liter Reserve bleiben – für den Krisenfall. Doch jetzt geht ein Teil dieser Reserve an die Schweizer Tankstellen. Quelle: www.swr.de

Hier kumulieren ebenfalls mehrere Dinge. Belgien nimmt gerade die vor einem Jahr aus Sicherheitsgründen vom Netz genommen Atomreaktoren wieder ans Netz. Letztes Jahr gab es auch umfangreiche Warnungen und Vorbereitungen auf Stromabschaltungen. Nichtsdestotrotz kann wohl niemand als die Schweiz besser einschätzen, wie gefährlich sich eine Strommangellage entwickeln könnte, wurde dieses Szenario doch letztes Jahr im Rahmen der Sicherheitsverbundsübung 2014 beübt. Und der Schweizer Risikobericht 2015 kommt etwa zum Schluss:

Als grösstes Risiko wurde eine Stromunterversorgung von 30 Prozent während mehrerer Wintermonate identifiziert. Laut dem Bericht würde ein derartiges Szenario „zu grossen Personenschäden“ und darüber hinaus „zu immensen ökonomischen und immateriellen Schäden für die Wirtschaft und für die Gesellschaft“ führen. Insgesamt sei mit einem Schaden von über hundert Milliarden Franken zu rechnen.

Ganz abgesehen davon, dass durch eine Strommangellage die Instabilität des Stromnetzes und die Blackout-Gefahr steigt. In Zeiten wie wir sie gerade erlebt haben, könnte das für ganz Europa fatal enden. Daher geht es immer wieder nur um die eine Frage: Wären wir darauf vorbereitet, welche mit einem ganz klarem NEIN zu beantworten ist.

Update 23.12.15 und 12.01.16 – So hält uns die Strombranche zum Narren

Diese Sichtweise ist sehr interessant und ruft Erinnerung an die Situation im Februar 2012 wach, wo es auch zu einer massiven Unterdeckung der Reserven kam. Einmal mehr das Problem, dass der Markt mehr als die Physik und Systemsicherheit zählt. Zumindest so lange alles noch irgendwie gut geht. Aber der Krug geht bekanntlich so lange zum Brunnen …

Die Meldung vom 12.01.16 auf www.finanzen.ch relativiert die Aussgagen vom 23.12.15. Aber es geht nicht um die Schuldfrage, sondern wie gut wir auf Störungen vorbereitet wären.

Update 30.12.15 – Beim Strom auch an das Wetter denken

Dass das Wetter/der Klimawandel die europäische Stromversorgung beeinträchtigen wird, ist bekannt – siehe etwa auch Österreichischer Sachstandsbericht – Klimawandel 2014 oder Wassermangel setzt Kraftwerken zu. Dennoch  tun wir weiterhin so, als würde daraus keine Gefahr resultieren, was aber etwa im Sachstandsbericht hervorgehoben wurde:

Sehr wahrscheinlich ist hingegen eine zusätzliche Herausforderung für die Energieinfrastruktur durch vermehrt auftretende Hitzewellen bzw. Dürren. Gleichzeitig erhöhte Nachfrage (vor allem für Kühlungszwecke), stockende Bereitstellung (Niedrigwasser bzw. Kühlwassermangel) und Gefahren für das Verteilernetz (Gewitter, oftmals am Ende sommerlicher Hitze- Dürreperioden, wenn die Nachfrage hoch ist – Gefahr von Überschlagsspannung) gefährden die Versorgungssicherheit mit Elektrizität und erhöhen die Gefahr von Black-Outs. S. 643.

Daher geht es längst nicht nur um die konkrete Gefahr, die möglicherweise von einem Einzelereignis ausgeht – wozu es natürlich immer sehr widersprüchliche Aussagen und Interessen geben wird – sondern um die generelle Frage: Wären wir darauf vorbereitet? 

Ein Blackout wird selten durch ein Einzelereignis ausgelöst. Meist kommt es zu einer Verkettung von an und für sich beherrschbaren Einzelereignissen. Und wie gerade diese Weihnachten gezeigt haben, kann es auch durchaus ganz anders kommen, als aufgrund der vorjährigen Erfahrungen zu erwarten gewesen wäre. Aber das ist gleichzeitig kein Beweis dafür, dass es keine Probleme gibt, oder wie Nassim Taleb in Antifragilität das ausgedrückt hat:

Man kann an der Truthan-Geschichte auch die Urform aller fatalen Fehlschlüsse ablesen: das Verwechseln der Abwesenheit eines Beweises (für eine Gefahr) mit dem Beweis für die Abwesenheit, das heißt die Nichtexistenz (dieser Gefahr).

Und wenn böse Überraschungen eintreten, kann das auch der berühmte Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt, wie etwa folgende Beispiel zeigt:

Stabilisierungsmassnahmen Mast Nr. 3