Quelle: RiskNet, RATINGaktuell, 02/2005 (!)

Frühwarnsysteme im Bereich des Katastrophenschutzes basieren auf einer Sammlung von Umweltdaten (etwa Temperatur oder Schwingungen), die über viele Sensoren erfasst werden. Die Messwerte der Sensoren werden fortlaufend auf Unregelmäßigkeiten überprüft.

Auf der einen Seite sind heute immer mehr risikorelevante Frühwarninformationen verfügbar, während auf der anderen Seite Risiken sich immer häufiger einer objektiven Bewertung entziehen. Vielmehr können Risiken und Frühwarnindikatoren nur mit sehr spezifischem Fachwissen beurteilt werden und können nur noch von wenigen Experten bewertet werden. Daher geht es bei der Risiko-Bewertung immer weniger um die Frage, was zu glauben sei, als vielmehr darum: wem. Des weiteren werden Risiken nicht selten von der öffentlichen Meinung bestimmt und haben einen direkten Einfluss auf die Risiko-Landschaft der Unternehmen.

Ob etwas als Gefahr betrachtet wird, entscheiden erst die individuellen und gesellschaftlichen Bewertungen. Da sich die Risiko-Wahrnehmung stetig wandelt, ist auch die Risiko-Landkarte einer permanenten und immer schnelleren Veränderung unterworfen. Insbesondere Phantomrisiken resultieren aus gesellschaftlicher Ungewissheit und individueller Risiko-Wahrnehmung. Was für den Einen ein Risiko ist, braucht für den Anderen noch lange keines zu sein. Hierbei kann ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Ereignis und Schaden nicht nachgewiesen werden, vielmehr basieren Phantomrisiken auf Vermutungen. Gleichzeitig wird das Gefährdungspotenzial auf Grund der unterschiedlichen Betroffenheit und der ungleichen Verteilung der Verluste divergierend wahrgenommen. Daher ist eine kritische Auseinandersetzung über Risiken in Form eines Dialogs zwischen Öffentlichkeit, Wissenschaft und Politik erforderlich, um Risiken bewusst und kontrolliert eingehen zu können. Chancen und Risiken, Vor- und Nachteile müssen in diesem Risiko-Dialog sowohl auf individueller als auch kollektiver Ebene gegeneinander abgewogen werden. Effiziente Frühwarnsysteme verstärken Signale nicht durch Extrapolation von – möglicherweise irrelevanten – Einzelinformationen, sondern durch die Aggregation vieler, interdisziplinärer Informationen zu einem Gesamtbild. Kommunikation heißt vor allem auch, sich in sein Gegenüber hinein zu versetzen und über den eigenen Tellerrand zu schauen. Dann werden manche Gespenster zu Hirngespinsten – und manche zu realen Risiken. 

Kommentar

Ein spannender Artikel, der bereits 11 Jahre alt ist und nach wie vor volle Gültigkeit hat. Man könnte einerseits davon ableiten, eh alle Aufregung umsonst, es ist auch so gut gegangen, wie man sieht (Rückspiegeleffekt oder Truthahn-Illusion), oder auch, es fehlt nicht am Wissen, sondern an der Umsetzung und an der Lernfähigkeit. Unsere Frühwarnsysteme decken weiterhin Szenarien ab, die wir schon kennen, mögliche Schwarze Schwäne und systemische Risiken sind jedoch kaum am Radar.

Daher währe gerade im Umgang mit Komplexität Achtsamkeit gefragt.