Quelle: www.fr-online.de

Komfort hat einen hohen Preis – unser Alltag wird immer anfälliger für Störungen. Bestsellerautor Marc Elsberg spricht im Interview mit der Frankfurter Rundschau über unsere Abhängigkeit vom Strom und andere Gefahren in den modernen Gesellschaften.

In Ihrem Roman beschreiben Sie ein Horrorszenario, Hacker legen das gesamte europäische Stromnetz lahm – mit katastrophalen Folgen bis hin zum Super-GAU in einem AKW [siehe auch Was wir aus der Atomkatastrophe von Fukushima lernen sollten]. Wie viel Wahres ist da dran?
Bei einem längerfristigen Großausfall kann das Szenario so oder so ähnlich wie in „Blackout“ eintreten. Das bestätigen viele Fachleute, ebenso eine Studie im Auftrag des Deutschen Bundestags aus dem Jahr 2011. Interessant sind auch die Ergebnisse der Schweizer „Sicherheitsverbundsübung“ von 2014. Diese ging nur von einem zweitägigen Komplett-Blackout, aber von einem länger andauernden Strommangel aus. Es zeigte sich: Viele Prozesse in unserer eng verflochtenen Gesellschaft funktionieren nur mit einer durchgehenden hundertprozentigen Stromversorgung. Bei einer reduzierten Versorgung produziert zum Beispiel die Industrie nicht reduziert, sondern oft gar nicht. Schon eine drastische Mangellage wäre praktisch so schlimm wie ein Komplettausfall.

Mehr als Dreiviertel der Deutschen glauben laut einer Umfrage, sich auch bei einem zweiwöchigen Stromausfall noch selbst versorgen zu können. Die liegen falsch?
Komplett. Die Wasserversorgung bricht in den meisten Gebieten sofort zusammen. Lebensmittel hat der durchschnittliche deutsche Haushalt für vier Tage daheim. Natürlich haben manche die Tiefkühltruhen bis oben hin voll. Nützt leider in dem Fall auch nichts, weil das Zeug ohne Strom schnell vergammelt. Die Lieferketten für Nahrungsmittel brechen spätestens nach einem Tag weg, in den Supermärkten gibt es also auch nichts mehr. Abgesehen davon, dass die ohnehin geschlossen bleiben. Bargeld, Telefon, Fernsehen und Internet gibt es auch nicht mehr. Schlechte Voraussetzungen also, um Hilfe zu koordinieren oder zu bekommen.

Das Münsterländer Schneechaos von 2005 war dramatisch, obwohl damals „nur“ 250 000 Menschen wegen abgeknickter Hochspannungsmasten tagelang ohne Strom waren. Wie hoch wären die Schäden bei einem bundesweiten Blackout?
Das hängt vom Umfang und der Dauer ab. De facto kann man das aber nur bedingt berechnen. Es gibt verschiedene Studien, eine deutsche geht etwa von 600 Millionen Euro in der ersten Stunde aus. Danach sind die Kosten kaum mehr berechenbar.

Der Alltag wiegt uns in Sicherheit: Der Strom fließt, das Wasser auch, die Wärmeversorgung funktioniert. Das Katastrophenbewusstsein der Deutschen ist gering, anders als noch während des Kalten Kriegs, als man Angst vor Atombomben-Angriffen hatte und manche sich Bunker im Garten bauen ließen. Wo lauern die größten Gefahren? Terroranschlag? Naturkatastrophen? Ausbruch eines Supervirus?
Die Gefahren sind vielfältig, darunter die oben genannten. Für deutlich unterschätzt halte ich die Gefahren, die aus der Komplexität dieses Systems der Systeme, das unsere globale Gesellschaft geworden ist, an sich erwachsen. Je komplexer ein System ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für unerwartete Ereignisse. Während dieser Vernetzung haben wir nicht ausreichend für die Resilienz dieses Systems gesorgt. In den letzten Jahren gab es diverse Beispiele, wie vergleichsweise kleine Ereignisse zu Katastrophen hätten führen können – ohne böse Absicht von irgendjemandem. Etwa, wenn sich die Zählerabfrage eines deutschen Gasnetzes in das Steuerungssystem des österreichischen Hochspannungsnetzes verirrt, dort zu einer Überlastung und Notabschaltung der Steuerung führt, was zu einem Zusammenbruch des österreichischen Netzes hätte führen können, der in einem Dominoeffekt benachbarte Netze hätte mitreißen können. Bis jetzt haben wir Glück gehabt.

Kommentar

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