Letzte Aktualisierung am 23. Oktober 2015.

Quelle: BLACKOUT-Workshop der BH Tulln am 10. April 2014

Siehe auch Zusammenfassung des Blackout-Workshop Tulln und Notversorgungsstellen im Bezirk Tulln

Die Gefahr eines ĂŒberregionalen, lĂ€nger andauernden Stromausfalles wird mittlerweile von vielen Seiten ernst genommen.

Um sich mit diesem Thema möglichst professionell auseinandersetzen zu können und es aus möglichst vielen verschiedenen Perspektiven zu betrachten, organisierte die Bezirkshauptmannschaft Tulln am 10. April 2014 einen groß angelegten Workshop unter Beiziehung zahlreicher Experten. Der Schwerpunkt lag dabei auf einer Betrachtung der konkreten Situation im Bezirk Tulln und der vorhandenen Ressourcen.

Hier werden einige wichtige Erkenntnisse aus den VortrÀgen wiedergegeben/zusammengefasst.

Gefahrengut im Blackout-Fall und Auswirkungen eines Blackouts auf chemische Anlagen

Vortrag

  • Beförderung einer Vielzahl gefĂ€hrlicher GĂŒter (Grundstoffe fĂŒr die chemische Industrie) verlangt nach lĂŒckenloser KĂŒhlung oder Heizung.
  • Der Ausfall von KĂŒhlsystemen kann zu heftigen Reaktionen der beförderten GĂŒter fĂŒhren.
  • Freisetzung von großen Mengen an gefĂ€hrlichen Stoffen
  • GefĂ€hrdung von Mensch, Tier und Umwelt
  • GefĂ€hrliche Reaktionen durch chemische Stoffe bei unsachgemĂ€ĂŸer Lagerung oder bei unkontrollierbaren AblĂ€ufen nach Ausfall der Überwachungssysteme
  • Ausarbeitung von Worst-Case-Szenarien mit allen Beteiligten

Dieses Thema wird selten genauer betrachtet, hat aber eine hohe Prisanz. Wie so oft ist uns der tatsÀchliche Umfang nicht bekannt/bewusst.

Auswirkungen eines Blackouts auf die landwirtschaftliche Nutztierhaltung

Vortrag

  • Hier ist relativ rasch mit massivem Tierleid und einer hohen Sterblichkeit der Tiere zu rechnen! – Kritische Zeitraum: wenige Stunden bis 1 Tag!
  • Stall-LĂŒftungssysteme (Ventilation) – Kritische Zeitraum: wenige Stunden!
  • Wasserversorgung (öffentliche und hofeigene) – Kritische Zeitraum: wenige Stunden!
  • Futterversorgung – Kritische Zeitraum: rd. 1 Tag!
  • Heizung/Klimatisierung bei Jungtieren wie KĂŒcken, Ferkel 
 – Kritische Zeitraum: rd. 1 Tag!
  • Beleuchtung – Kritische Zeitraum: rd. œ – max. 1 Tag!
  • Hohe AbhĂ€ngigkeit moderner Tierhaltungsbetriebe von elektrischer Energie
  • Ausfall der öffentlichen Stromversorgung kann zu enormen wirtschaftlichen SchĂ€den fĂŒhren.

Viele Betriebe verfĂŒgen bereits ĂŒber ein Notstromaggregat. Die Frage ist, wie lange ein Notbetrieb aufrecht erhalten werden kann. DarĂŒber hinaus muss dieses Thema in der europĂ€ischen Dimension gesehen werden. Die Lebensmittelversorgung könnte dadurch fĂŒr lĂ€ngere Zeit beeintrĂ€chtigt werden.

Auswirkungen eines Blackouts auf die Psyche von Menschen und auf Menschen mit besonderen BedĂŒrfnissen

Vortrag

  • Unsere gesamte lebens- und ĂŒberlebensnotwendige Infrastruktur ist von der VerfĂŒgbarkeit der Stromversorgung abhĂ€ngig. Ein Ausfall der bisher sehr zuverlĂ€ssigen Stromversorgung, wird innerhalb kĂŒrzester Zeit höchstwahrscheinlich schlimme Folgen in unserer Gemeinschaft nach sich ziehen.
  • Ein „Unfall“ dieser Rangordnung ist in den Köpfen unserer Gesellschaft weder vorstellbar, noch vorprogrammiert.
  • „Nichts fĂŒrchtet der Mensch mehr, als die BerĂŒhrung mit dem Unbekannten.“ (Elias Canetti)
  • Zuallererst, sicherlich nach einer Schrecksekunde, folgt die gewohnte Hoffnung auf sofortige Lösung des Ausfalls. Mit zunehmender Dauer des Ausfalls werden bestimmte Alltagsroutinen aufgrund der daraus resultierenden Mangelversorgung u. a. mit Trinkwasser, Nahrungsmitteln und WĂ€rme nicht mehr durchfĂŒhrbar sein. ZusĂ€tzlich wird die Schwierigkeit bzw. Unmöglichkeit, Informationen zu erhalten, mit der Zeit zu Angst und Verunsicherung der BĂŒrger fĂŒhren, da auch ein Großteil der Medien und Kommunikationsmittel sowie deren Betreiber von einem Stromausfall betroffen sind.
  • Je weiter die Beengtheit durch die erzwungene Not fortschreitet, gehen sichere, gewohnte und selbstverstĂ€ndliche GefĂŒhle unserer Gesellschaft verloren, vor allem die Gewissheit jederzeit auf schnelle Hilfe zurĂŒckgreifen zu können, da RettungskrĂ€fte und auch die Politik zuerst ihr eigenes Funktionieren sicherstellen mĂŒssen, um der steigenden Nachfrage von Seiten der Bevölkerung ĂŒberhaupt begegnen zu können
  • Eine unzureichende Versorgung, das Fehlen von Informationen hinsichtlich Ursache und Dauer sowie das UnverstĂ€ndnis dafĂŒr, keine Hilfe zu bekommen, fĂŒhren in der Folge zu Frustration, Hilflosigkeit und Wut gegenĂŒber den EntscheidungstrĂ€gern.
  • Dadurch könnten antisoziale und aggressive Verhaltensweisen der Menschen zu Tage treten. Bestehende rechtliche Normen werden durch andere, teilweise kriminelle Strategien der Zielerreichung ersetzt und Konflikte immer offener ausgetragen.

(Ohne das Rad neu erfinden zu wollen) Erlaube ich mir aus sozialarbeiterischer Sicht drei Hinweisen hervorzuheben, die eine Katastrophe mildern und zum Teil entkrampfen könnten:

  1. Die mögliche VerfĂŒgbarkeit von ungeschönten Informationen.
  2. Um dem Zustand einer Aussichtslosigkeit nicht schutzlos ausgeliefert zu sein und handlungsfĂ€hig zu bleiben, muss das Gemeinwesen fĂŒr das Eintreten einer solchen „Katastrophe des Alltags“ im Vorfeld sensibilisiert, entsprechende Handlungsanweisungen fĂŒr den einzelnen BĂŒrger festgelegt und der Ernstfall trainiert werden.
  3. Behörden, aber auch wir BĂŒrger als Teil der Gemeinschaft sollten sich wĂ€hrend eines Blackouts durch persönliche Hilfsangebote, unkonventionell und auch normabweichend, fĂŒr die „hilflosen“ Helfer aller Hilfsorganisationen verantwortlich fĂŒhlen:

Helferinnen und Helfer sind nicht nur im Dienst gegenĂŒber den Mitmenschen sorgepflichtig, sie sorgen primĂ€r auch fĂŒr die eigene Familie, Angehörige und fĂŒr sich selbst und sind daher dreifach und sicher nur begrenzt belastbar.

Auch hier immer wieder – eine offene und ehrliche Risikokommunikation ist eine wichtige Voraussetzung fĂŒr die BewĂ€ltigung eines solchen strategischen Schockereignisses.