Letzte Aktualisierung am 13. Februar 2015.

Quelle: Die Presse

Die Belastung von Lebensmitteln mit Umweltgift in Kärnten nimmt immer größere Ausmaße an. Das Krisenmanagement des Landes vermittelt bisher allerdings vor allem eines: Ratlosigkeit.

Politikern darf man nicht alles glauben, lautet ein Stehsatz, der sich regelmäßig in diversen Rankings manifestiert. Aber es gibt Situationen, da ist man geneigt, Politikern wirklich zu vertrauen, und zwar, wenn es um akute Gefahr, um ein Gesundheitsrisiko geht. Denn derlei – so denkt man – darf und kann kein Politiker auf die leichte Schulter nehmen. Oder doch?

Zusätzlich verdichtet sich der Verdacht, dass die Causa nur deshalb öffentlich wurde, weil die nun betroffene Molkerei freiwillig im Frühjahr ihre Milch auf Pestizidrückstände testete und Alarm schlug.

Wer wann was wusste und nichts sagte oder tat, all das wird man untersuchen müssen.

Vorerst aber muss man Klarheit über das Risiko schaffen. Der angerichtete Schaden ist bereits groß: Der Umgang mit der Causa bedient nämlich alle Vorurteile, die Generationen haben, die mit (globalen) Umweltskandalen aufgewachsen sind, über die oft schlecht und spät informiert wurde. Umfragen zeigen, dass sogar nicht gesundheitsschädliche Rückstände große Verunsicherung auslösen. Was richtet dann ein echtes Risiko in den Köpfen an? Nichts Gutes wohl. Denn in Kärnten ist zwar die Milch vergiftet, in ganz Österreich aber das Vertrauen.

Kommentar

Leider ein weiteres Beispiel dafür, dass unsere derzeitigen Risiko- und Krisenreaktionstrukturen/-kommunikation auf systemische Risiken/strategische Schockereignisse nicht ausreichend vorbereitet sind (siehe auch die „Kontrollierte Flutung“des Eferdinger Beckens 2013).  Auch wenn dieser „Lebensmittelskandal“ noch sehr begrenzte Auswirkungen hat, ist wohl nicht davon auszugehen, dass wir bei einem größeren Ereignis, wie etwa die EHEC-Epidemie 2011 in Deutschland, besser vorbereitet wären. Wobei das nicht nur das behördliche Krisenmanagement betrifft.

Im Wesentlichen handelt es sich hier wieder um eine „Kommunikationskrise“ (siehe auch bei Ebola). Denn die reale Gefahr durch die belastete Milch dürfte wohl eher gering sein, kann man doch davon ausgehen, dass die  pro Person konsumierte Menge nicht zuletzt aufgrund des überschaubaren Zeitraums eher gering sein dürfte.

Lernen könnte man aus diesem Vorfall viel:

  • Wir benötigen eine integrierte Sicherheitskommunikation/Unsicherheitsbewältigungsausbildung, die den Bürgern eine realistische Einschätzung von Risiken und Gefahren ermöglicht.
  • Medien tragen bei einem derartigen Ereignis eine sehr hohe Verantwortung (siehe auch bei der EHEC-Epidemie 2011 in Deutschland). Einerseits, damit es zu keinen „Vertuschungen“ kommt, aber auch mit einer sachlichen Berichterstattung. Denn eine Hysterie bringt zwar vielleicht kurzfristig eine höhere Auflagenzahl, aber schadet letztendlich allen – besonders dem Vertrauen.
  • Unser heutiges behördliches Krisenmanagement, speziell bei der Einbindung der Politik, erfolgt noch weitgehend nach alten Mustern, die nicht mehr den heutigen Realitäten entsprechen. Insbesondere fehlt eine integrierte Sicherheitskommunikation und die aktive Einbindung der Bevölkerung in die Krisenbewältigung. Der passive Selbstschutz alleine reicht bei weitem nicht mehr aus (siehe auch Die Netzwerkgesellschaft und Krisenmanagement 2.0).
  • Die kommunikativen Nachwirkungen eines möglichen Blackouts sind noch in keinster Weise abschätzbar. Sie werden wahrscheinlich unsere heutigen Vorstellungen bei weitem übertreffen. Die eskalierenden Wirkungen von Sozialen Medien werden dabei wohl völlig unterschätzt. Ganz abgesehen davon, dass die erwartbaren Schäden (inkl. Todesfolgen) unsere heutige Vorstellungskraft bei weitem übersteigen werden.