Quelle: Rechnungshof Österreich

Österreich gilt als Land mit hoher Ernährungssicherheit. Allerdings müssen Maßnahmen getroffen werden, um diese nachhaltig abzusichern.

Bereits im Jahr 2018 reichten die Bodenressourcen nicht für eine gänzliche Eigenversorgung Österreichs aus. Wasserverbrauch, Klima, die Entwicklung der Bevölkerung und der landwirtschaftlichen Betriebe sowie Ernährungsgewohnheiten zählen zu Faktoren, die die Lebensmittelproduktion und Lebensmittelverfügbarkeit beeinflussen. Die starke Abhängigkeit von Importen fossiler Brennstoffe ist ein Risiko. Die Prüferinnen und Prüfer des Rechnungshofes zeigen im heute veröffentlichten Bericht „Lebensmittel – Versorgungssicherheit“ auf, dass sich Österreich besser auf etwaige Krisen im Bereich Ernährungssicherheit vorbereiten müsste. Insgesamt fehlt dazu ein regelmäßiger und umfassender Überblick. Prüfzeitraum waren die Jahre 2015 bis zum Mai 2022.

Derzeit hohe Ernährungssicherheit in Österreich

Selbstversorgungsgrade geben Auskunft, inwieweit die heimisch produzierten Erzeugnisse den inländischen Bedarf für Mensch, Tier und Industrie abdecken können. Österreich kann sich bei den wesentlichen landwirtschaftlichen Produkten grundsätzlich selbst versorgen. Bei tierischen Produkten liegt die Selbstversorgung teilweise deutlich über dem Eigenverbrauch. Bei Obst und Gemüse ist die Selbstversorgung vor allem bei Äpfeln, Zwiebeln, Karotten und Kartoffeln sehr gut, auch bei Getreide insgesamt liegt ein hoher Selbstversorgungsgrad vor. Allerdings: Die inländische landwirtschaftliche Produktion sowie die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln ist von vielfältigen Faktoren aus unterschiedlichen Themen- und Politikbereichen beeinflusst, die komplex zusammenwirken.

Veränderungen bei einem oder bei mehreren Faktoren können zu Risiken für die Ernährungssicherheit werden. Der Rechnungshof bemängelt, dass es in Österreich keine umfassende Berichterstattung mit einer Abschätzung über künftige Entwicklungen zur Ernährungssicherheit gibt, wie das etwa in der Schweiz der Fall ist.

Grundwasserressourcen schwinden

Wasservorkommen sind eine wesentliche Grundlage, etwa für die Trinkwasserversorgung, die Landwirtschaft und die Energiegewinnung. Der jährliche Wasserverbrauch liegt in Österreich bei rund 753 Millionen Kubikmeter Wasser. Dieser könnte sich bis 2050 auf bis zu 850 Millionen Kubikmeter erhöhen. Die verfügbaren Grundwasserressourcen drohen von derzeit 5,1 Milliarden auf 3,9 Milliarden Kubikmeter zu schwinden.

In diesem Zusammenhang weist der Rechnungshof darauf hin, dass es für den Sektor Landwirtschaft keine ausreichenden Daten über Wasserentnahmen gibt, unter anderem weil Wasserzähler bei landwirtschaftlichen Bewässerungsanlagen mitunter fehlen. Es liegen hier nur unvollständige Informationen über den tatsächlichen Wasserbedarf vor. Im Jahr 2018 wurde der Bewilligungszeitraum für Wasserentnahmen für die Bewässerung von maximal zwölf auf maximal 25 Jahre mehr als verdoppelt. Dies trägt dem absehbaren Anstieg des Wasserverbrauchs nicht Rechnung. Der Bewilligungszeitraum sollte neu bewertet und gegebenenfalls verkürzt werden. Der Rechnungshof gibt auch zu bedenken, dass allfällige Ressourcenkonflikte über einen derart langen Zeitraum nicht vorhersehbar sind. Eine Befristung sollte eine bedarfsgerechte Verteilung sicherstellen.

Dringender Handlungsbedarf, landwirtschaftliche Nutzfläche zu erhalten

Bereits 2002 setzte sich die damalige Bundesregierung das Ziel, Raum als knappes, absolut nicht vermehrbares Gut zu schützen und das Ausmaß des Bodenverbrauchs zu vermindern. Der Zuwachs dauerhaft versiegelter Flächen sollte bis zum Jahr 2010 auf 2,5 Hektar pro Tag, also 9,13 Quadratkilometer pro Jahr, reduziert werden. Laut Regierungsprogramm 2020–2024 soll dieses Ziel nun bis 2030 erreicht werden. Tatsächlich wurden im Jahr 2020 noch 42 Quadratkilometer an Fläche verbraucht.
Das Forschungsprojekt „Bodenbedarf für die Ernährungssicherung in Österreich“, beauftragt vom Landwirtschaftsministerium, kam schon 2018 zum Schluss, dass die Bodenressourcen in Österreich nicht für die gänzliche Selbstversorgung ausreichen. Das zeigt den dringenden Handlungsbedarf, landwirtschaftlich nutzbare Fläche zu erhalten. Der fortschreitende Bodenverbrauch hat sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich negative Folgen.

Um eine österreichweit einheitliche Vorgangsweise beim Schutz der wichtigsten landwirtschaftlichen Produktionsflächen sicherzustellen, wäre eine Rahmenkompetenz des Bundes zur Raumordnung zweckmäßig. Der Rechnungshof empfiehlt dem Landwirtschaftsministerium, eine sachgerechte verfassungsrechtliche Grundlage für eine Raumordnungsrahmenkompetenz des Bundes zu erarbeiten und voranzutreiben. Voranzutreiben wäre auch eine österreichweit harmonisierte Datenbasis und ein bundesweit einheitliches Monitoringsystem zur Bestimmung der Flächeninanspruchnahme und -versiegelung.

Verbesserungsbedarf beim vorausschauenden Krisenmanagement

Ein Blackout, der Ausfall der Versorgung mit fossilen Brennstoffen oder ein überregionaler Ernteausfall zählen zu den Szenarien, die weitreichende Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit in Österreich haben könnten. Doch Österreich ist nicht ausreichend auf überregionale und plötzlich auftretende Schadensereignisse vorbereitet: Eine aktuelle Risikoanalyse und konkrete Notfallpläne für unterschiedliche Krisenszenarien fehlten. Zudem greift die rechtliche Grundlage für die Lebensmittelversorgung im Krisenfall erst, wenn eine Krise vorliegt.
Der Rechnungshof empfiehlt: Maßnahmen zur Vorbereitung auf Krisenfälle wären vorzusehen. Dazu gehört etwa die Möglichkeit, Daten entlang der gesamten Lebensmittelkette für Zwecke der Krisenvorsorge zu erheben und zu verarbeiten. Das Landwirtschaftsministerium sollte einen ausreichenden Überblick über den Markt und die Lebensmittelversorgung – in Normalzeiten, bei drohenden Marktstörungen und in Krisen – haben.

Abstimmung zuständiger Ministerien sollte verpflichtend sein

Im Krisenfall wären für die Bereiche Lebensmittel, Wirtschaftsgüter und Energie drei unterschiedliche Ministerien für Lenkungsmaßnahmen zuständig: das Landwirtschaftsministerium, das Wirtschaftsministerium und das Klimaschutzministerium. Es fehlen verbindliche Vorgaben für eine ressortübergreifende Abstimmung, um Zielkonflikte von Maßnahmen zu vermeiden. Der Rechnungshof hält bei krisenbedingten Lenkungsmaßnahmen eine verbindliche Abstimmung zwischen den handelnden Ressorts für wichtig.