Die 36 Strategeme der Krise – Erfolg haben, wenn andere scheitern: Privat, Beruf und Börse (German Edition) von Christian Rieck. Hierzu empfehle ich auch seinen Youtube-Kanal.

Hier einige Auszüge aus dem Buch zum reinschmökern:

Einleitung

Ein Fuchs sah einen Eber seine Hauer an einem Eichstamme wetzen und fragte ihn, was er da mache, da er doch keine Not, keinen Feind vor sich sehe?  „Wohl wahr“, antwortete der Eber, „aber gerade deswegen rüste ich mich zum Streit ; denn wenn der Feind da ist, dann ist es Zeit zum Kampf, nicht mehr Zeit zum Zähnewetzen.“

Jedes Risiko ist immer auch eine Chance und umgekehrt. Wer das nicht versteht und jedes Risiko meidet, verspielt auch jede Chance. Zu oft starren wir voller Angst in den Abgrund, ohne den grandiosen Gipfel direkt dahinter zu sehen.

Krisen aktivieren nicht nur Selbstheilungskräfte, sondern schaffen Voraussetzungen, um neue Höhen zu erklimmen. Sie helfen, alte Pfade zu verlassen und den versteckten Weg zu finden, der auf den nächsten Gipfel führt. Krisen sind hart und ungerecht, und niemand wird sich freiwillig in eine begeben. Aber wenn sie denn einmal da sind, dann muss man sie reiten wie eine große Welle mit dem Surfbrett.

Wie Wellensurfen muss das Krisensurfen gelernt sein. Dafür ist es wichtig, ihre Gesetzmäßigkeiten zu verstehen.

Ich hatte allerdings schon lange nach den Gesetzen der Krise gesucht. Fündig wurde ich schließlich an völlig unerwarteter Stelle: bei den alten Militärstrategen. Ich habe begonnen, Krisen zu verstehen, als ich sie betrachtet habe wie einen listigen Gegner, der versucht, uns im Kampf auszutricksen. Das wirkt auf den ersten Blick absurd, ergibt bei genauerer Betrachtung aber sofort Sinn.

Jede gefährliche Entwicklung, gegen die wir rechtzeitig die geeigneten Maßnahmen ergreifen, ist nicht lange gefährlich. Eine Krise entsteht erst, wenn wir sie nicht bemerken, sie falsch deuten oder die falschen Maßnahmen ergreifen. Also dann, wenn wir uns so verhalten, als seien wir gerade überlistet worden.

Während eine Strategie ein vollständiger Verhaltensplan ist, versuchen Strategeme, einen Fehler auf der anderen Seite zu provozieren und auszunutzen.

Wichtig ist, dass es wiederkehrende Muster gibt, um die wir uns hier kümmern wollen. Muster, mit denen wir eine Krise schon dann erkennen, wenn sie sich erst am Horizont abzeichnet. Muster, mit denen wir sicher durch die Krise navigieren können, wo andere auf der nächsten Klippe zerschellen. Muster, mit denen wir schlussendlich sogar von der Krise profitieren werden, weil wir auch deren Ende schneller erkennen als andere und dann an der richtigen Stelle stehen, wenn es wieder bergauf geht.

1. Den Kaiser hintergehen, um das Meer zu überqueren

man kann etwas dadurch verheimlichen, dass man es zu offensichtlich macht oder indem man den Gegner durch Fehlalarme so lange abstumpft, bis er nicht mehr aufpasst.

Mit anderen Worten, wir haben uns daran gewöhnt, dass ständig irgendwer um unsere Aufmerksamkeit buhlt und uns mit übertriebenen Klickbait – Überschriften ködert, einen Aufreger für ein paar Jahre durchs Dorf treibt und dann die nächste Krise kommt, die bald verschwinden wird. Bis eines Tages eine echte Krise vor der Tür steht und es niemand merkt, weil die Warnrufe verhallen.

Als es erste Gerüchte von einem neuen Erreger aus China gab, hat diese Behörde richtig losgelegt und einen Fragebogen an alle europäischen Mitgliedsstaaten verschickt, um herauszufinden, ob es dort Testlabore gibt. Wieso sie das nicht schon längst wusste, ist nicht ganz klar, aber besser spät als nie. Leider hat sie vergessen, auch nach Testkits zu fragen. Oder nach Schutzmasken.

Das ECDC kannte offenbar auch keine Exponentialfunktion, denn noch Ende Februar (also wenige Wochen vor dem einmaligen Ereignis des Shutdowns) sah sie noch ein allenfalls moderates Infektionsrisiko. Die Begründung lautete, dass man sich ja nun einmal an den vergangenen Erfahrungen habe ausrichten müssen und da sei schließlich nie etwas passiert.

Genau deshalb kommt es zu Krisen. Weil sie vorgehen, als wären sie römische Feldherren, die uns überlisten.

Wie erkennen wir, dass es dieses eine Mal wirklich ernst ist? Indem man auf die feinen Unterschiede achtet, und indem man ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit aufrechterhält.

Bei genauer Betrachtung sieht eine Armee, die wirklich den Fluss durchqueren will, anders aus als eine, die zurück ins eigene Lager gehen wird.

Wachsam bleiben Verteidigungsbereit bleiben

Das eine hilft nichts ohne das andere. Beides kostet in ruhigen Zeiten Kraft und Geld. Deshalb stumpfen wir ab und lassen in unseren Anstrengungen nach.

Es ist ein gradueller Übergang von einem harmlosen Schritt zum nächsten ; solange, bis es kein Zurück mehr gibt. Einer der vielen kleinen Schritte ist der Point of no Return. Tatsächlich ist dies ein Muster, nach dem viele Krisen beginnen, weil Personen in eine Situation hineingezogen werden, die sie so eigentlich gar nicht wollten.

Der Krug geht zum Brunnen, bis er bricht. Viele Entwicklungen sind hochgradig nichtlinear. Intuitiv denken wir von vorn nach hinten, also induktiv. Wenn etwas tausend Mal gut gegangen ist, dann halten wir es für harmlos. Oft werden wir dann nachlässig, aber selbst wenn wir weiterhin vorsichtig bleiben, kann es doch winzige Veränderungen oder Zufallsschwankungen geben. Dann ändert sich das System schlagartig und oft ohne Vorankündigung vollkommen. Der Krug bricht. Ein deduktives Modell des Krugs hätte uns gewarnt, denn es hätte vorhergesagt, dass das Material ermüdet und die lange fehlerfreie Nutzungsdauer des Krugs gegen ihn spricht, nicht für ihn.

Dammbruch:

  • Slippery – Slope – Argument (Argument der Schiefen Ebene).
  • Wehret den Anfängen!
  • Einen Präzedenzfall schaffen.
  • Die Büchse der Pandora öffnen.
  • Kipppunkt (tipping point).

Viele Krisen sind dadurch gekennzeichnet, dass ein Kipppunkt überschritten wird. Da sich an diesen Stellen das Verhalten des Gesamtsystems drastisch ändert, lassen sich die Endzustände oft nicht vorhersagen.

  • Überrumpelungseffekt.
  • Dominoeffekt.

Wie bereits erwähnt, ist Strategem 1 eines der wichtigsten Krisenstrategeme. Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich diese Liste immer wieder einmal anzusehen, um im entscheidenden Moment bereit zu sein, damit Sie keine Entwicklung übersehen.

2. Belagere Wei, um Zhao zu schützen Denke an die schwächste Stelle!

Man greift einen Feind nicht direkt an, sondern droht ihm etwas zu nehmen, was ihm wichtig ist. Man greift an einer schwachen Stelle an, nicht an einer starken. Ein koordinierter Angriff ist schlagkräftiger als zwei unabhängige Einzelangriffe.

Die IT-Sicherheitsstrukturen in Unternehmen sind mitunter unglaublich aufwendig. Aber sie haben lange Zeit ein sanftes Einfallstor übersehen: das Verhalten der eigenen Mitarbeiter. Deshalb ist Phishing bis heute immer wieder erfolgreich. Beim

Eine Kette ist nur so stark wie das schwächste Glied. Leider ist das schwächste Glied für einen Angreifer oft leichter zu erkennen als für den Verteidiger.

3. Mit dem Messer eines anderen töten

Wer immer andere Kräfte für sich arbeiten lässt, geht einen Pakt mit dem Teufel ein und findet sich mitunter in der Lage des Zauberlehrlings wieder, der die Kraft des geliehenen Messers nicht mehr bändigen kann.

Die Flüchtlingskrise war ein großes Problem, aber eines, mit dem wir wirtschaftlich fertig werden konnten. Aber sie spaltete die Gesellschaft und machte einen Dialog zwischen den verschiedenen Seiten fast unmöglich. Diese Spaltung war die eigentliche Krise.

Es ist oft so, dass eine kleine Krise die Reaktionen eines Giganten auslöst. Die eigentliche Krise ist dann die Folge einer Sekundärreaktion.

4. Ausgeruht den erschöpften Feind erwarten

Sun Tzu: Wer zuerst da ist und den anderen erwartet, ist frisch für den Kampf ; wer als Zweiter kommt, muss sich beeilen und ist erschöpft.

Wir nehmen die Krise meist erst dann wahr, wenn sie akut ausgebrochen ist.

Eine Krise verändert vieles. Geschäfte, die vorher funktioniert haben, sind danach nichts mehr wert ; scheinbar unwirtschaftliche Bereiche werden plötzlich zum großen Hit.

In langen Phasen der Stabilität optimieren viele Unternehmen ihr Angebot, ihre Prozesse, ihre Beziehungen, ihre Kundenansprache und noch vieles mehr auf die Gegebenheiten dieser Zeit. Das aber macht sie besonders angreifbar in Zeiten der Krise.

Aber es kann gut sein, dass alte Werte mit dem Ende der Krise nicht mehr wichtig sind und durch andere ersetzt werden.

Das Strategem lehrt nicht nur, den Ort vorzugeben, sondern auch die Zeit. Manchmal ist es besser, nichts zu tun und auf einen guten Zeitpunkt zu warten. Wir haben – individuell und gesellschaftlich – einen Bias to Action, also einen Hang zum Aktionismus. Ausgeruht den erschöpften Feind erwarten heißt auch, dass abwarten manchmal der bessere Weg ist.

Krisen tauchen besonders dort auf, wo niemand mehr hinsieht.

5. Bei einem Feuer einen Raub begehen – Die Kreativität der Notsituation

Aus Sicht eines Aggressors ist eine Krise immer auch ein guter Zeitpunkt für einen Angriff.

Aasgeier – Strategem

Es gibt Kredithaie und Pfandhäuser, die nur auf die Notlage eines anderen warten, um sich dann daran zu bereichern.

Zweifellos ist dieses Strategem 5 auf einer Ebene auch genau so zu verstehen: als Warnung davor, dass jemand Notsituationen ausnutzen kann und wird. Und als Hinweis, dass man darauf vorbereitet sein sollte.

Große Krisen von staatsgefährdenden Ausmaßen haben meist eine der folgenden Ursachen: Hunger, Krankheit, Krieg. Eine dieser Ursachen ist eine große Krise ; zwei sind eine bedrohende Krise ; drei sind meist der Untergang. In der Regel bedingen zwei der Ursachen die dritte. Auch hierauf weist das Strategem hin, insbesondere auf die Gefahr des (Bürger -) Kriegs als Folge der anderen beiden Elemente.

Wer in den Zeiten der Krise kreativ ist und schneller auf neue Entwicklungen reagiert als die anderen, der kann unglaublichen Erfolg haben.

6. Im Osten lärmen, im Westen angreifen – Wo eine Krise ist, kann noch eine zweite sein

Wichtiger Ratschlag, bei jeder Krise sehr gründlich nach anderen Ereignissen Ausschau zu halten, die zeitgleich ablaufen. Manchmal werden Krisen aufgebauscht, genau um Burying zu betreiben. Dann gibt es gleich zwei Fallen auf einmal: Die vermeintliche Krise ist gar keine, und die eigentliche sieht man nicht. Aber es gibt auch den Fall, in dem die laute Krise echt ist, im Verborgenen aber noch eine zweite lauert, die viel gefährlicher ist.

7. Etwas aus dem Nichts schaffen – Manche Krise ist gar keine

Irgendwer kommt mit einer Story heraus, die viel Anklang findet. Daraufhin fürchten die anderen, den Anschluss zu verpassen, und bringen eine ähnliche Story. Um sie zu erstellen, gehen die beauftragten Journalisten nur noch selektiv durch die Welt und suchen nach dem Prototyp, der der Story entspricht. Egal, wie selten die Exemplare sind, sie werden gefunden und als Beispiel in der Story verarbeitet.

Wenn dieser Ausnahmefall eine Krise ist, dann sprechen alle über eine Krise, die es gar nicht gibt.

Aber seien Sie vorsichtig. Nicht immer ist das Wissen um eine erfundene Krise hilfreich. Denn oft springt die Krise aus der Welt der Einbildung in die Welt des echten Lebens.

Eine aufgebauschte Gewalt kann echte Gewalttäter anziehen.

Dass Krisen aus dem Nichts geschaffen werden können, heißt nicht, dass es keine Krisen gibt. Es heißt nur, dass nicht jede Panik auch eine echte Krise als Ursache hat. Es ist deshalb wichtig, bei sich abzeichnenden Krisen die Argumente beider Seiten sehr genau anzusehen. Denken Sie daran, dass sich auch Experten gegenseitig beeinflussen.

8. Öffentlich den Weg ausbauen, heimlich nach Chencang marschieren – Die Gefahr kommt von dort, wohin niemand sieht

Krisen haben eine Tendenz, sich genauso zu entwickeln. Sie bestehen aus einem offensichtlichen und einem verborgenen Teil. Der offensichtliche bindet unsere Aufmerksamkeit, wogegen der verborgene einen Weg nimmt, der scheinbar nicht möglich ist.

9. Das Feuer am gegenüberliegenden Ufer beobachten – Das Strategem des sich freuenden Dritten

Krisen entstehen oft deshalb, weil eine eigentlich unangreifbar starke Macht sich seiner Stärke so sicher ist, dass sie sich in internen Streitigkeiten schwächt.

10. Hinter einem Lächeln den Dolch verbergen – Die Krise kennt viele falsche Freunde

In der Krise wird alles so stark durchmischt, dass wir unkooperatives Verhalten nicht mehr ohne weiteres bestrafen können.

Krisen werden sogar dadurch verstärkt, dass die normalen Methoden der Kooperation schlagartig nicht mehr funktionieren. Dessen ungeachtet sind Krisen allerdings zugleich Zeiten, in den Kooperation an unerwarteten Stellen und in unerwartetem Maße auftritt.

11. Den Pflaumenbaum an Stelle des Pfirsichbaums vertrocknen lassen – Die strategische Unschärferelation

Krisen kommen plötzlich, aber meist nicht unerwartet. Sie zeichnen sich lange ab, wirken aber fast ebenso lange nicht bedrohlich.

Gehen Sie bei der Krisenbekämpfung nicht von der Situation aus, in der Sie sind, sondern von der, in der Sie sein werden. Wenn Sie das Löschwasser für den Brand planen, den Sie gerade sehen, wird Ihr Wasser nie reichen. Und wenn Sie sehen, dass die Regierung gerade mit einem zu kleinen Schläuchlein löscht, dann stellen Sie sich auf einen großen Brand ein.

Lassen Sie deshalb auch immer im Hinterkopf die Frage mitlaufen, ob nicht jemand die Krise nur vortäuscht oder – wenn sie echt ist – absichtlich am Leben erhält, um von den damit verbundenen Änderungen zu profitieren.

Aber machen Sie nie den Fehler zu denken, eine reale Krise sei gar nicht da, nur weil jemand anders davon profitiert.

Wenn Sie Investor sind, dann bedenken Sie weiterhin, dass das Schlechte meist viel schneller ist als das Gute. Es gibt an der Börse viele Beispiele für Kurstürze, aber nur wenig für Kurssprünge nach oben. Und zudem sind Kurssprünge nach oben meist nicht dauerhaft.

12. Mit leichter Hand ein Schaf wegführen – Wenn wir nicht wissen, was wir nicht wissen

Hüten Sie sich vor Unternehmen oder Gesellschaften, die den Realitätsbezug verloren haben. Ein untrügliches Anzeichen dafür ist es, alternative Theorien nicht mehr zuzulassen, sondern an eine unumstößliche Wahrheit zu glauben.

13. Auf das Gras schlagen, um die Schlange aufzuschrecken – Manche Panzerung ist nur ein Spiegel

Einen Leichnam ausleihen Bilder von Leichen überzeugen mehr als mathematische Formeln

Wieso benutzen wir die alte Maschine nicht immer? Weil sie in einer ruhigen Welt weniger kann als die andere. Aber die alte Maschine ist robuster. Nach einer Krise erinnern wir uns, wie wichtig Robustheit ist. Gehen Sie davon aus, dass auf einmal alte Techniken und alte Prinzipien wiederbelebt werden. Gehen Sie davon aus, dass wir wieder mehr Zwischenlager haben werden, mehr Redundanzen, weniger vernetzte Abhängigkeiten, mehr Überdimensionierungen, robustere Bilanzen. Das alles wird das Leben im Alltag verteuern. Aber wir werden lernen, dass die alten Leichen doch nicht so tot waren, wie wir dachten. Denn sie helfen uns, widerstandsfähiger zu sein. Wenn etwas nicht mehr funktioniert, weil die Krise die Gegebenheiten geändert hat, dann erinnern Sie sich daran, wie Sie es früher gemacht haben. Das könnte die einfache Lösung sein.

[Dazu empfehle ich auch 045 –Mit »Reboot« oder Rebellion aus der Krise? – die einfache Rückkehr zu früheren Stufen ist doch nicht so trivial!]

15. Den Tiger vom Berg in die Ebene locken – Die Verlockung ist kurz, aber die Reue ist lang

Erfolgreiche Gesellschaften haben ihren Erfolg meist nicht zufällig, sondern weil sie etwas richtig gemacht haben. Eine Krise wirbelt vieles durcheinander. Und auf einmal wirken gerade diejenigen Prinzipien wie Hemmschuhe, die zu vergangenem Erfolg geführt haben.

16. Will man etwas fangen, muss man es loslassen – Nicht das Chaos beherrschen, sondern mit ihm leben

Es gibt zwei grundsätzlich unterschiedliche Vorgehensweisen, um auf eine Krisensituation zu reagieren: die Kontrolle erhöhen oder auf die Selbstheilungskräfte des Systems zu vertrauen.

Wer mitten in dem Chaos einer Krise steckt, neigt zum Aktionismus. Aber eine Krise zu bekämpfen, kann seltsamerweise das Gegenteil bewirken.

17. Einen Backstein werfen, um Jade zu erlangen – Wenn Sie Ihre eigene Hand abschneiden müssen, dann tun Sie es schnell

Manchmal muss man etwas Wertloses opfern, um etwas Wertvolles zu bekommen.

Bauernopfer: Man soll auf etwas Wertloseres verzichten, um etwas Wertvolleres zu schützen.

Das Bauernopfer kann in einen Sündenbock übergehen, indem ein Verbündeter zum einzigen Schuldigen erklärt wird, um ihn zu opfern.

18. Den Anführer einer Räuberbande ausschalten

Starke Führer sind ein Zeichen für schwache Teams

Bei einer widerstandsfähigen Staatsstruktur nützt es nicht viel, den Anführer auszuschalten. Er könnte einfach durch Vertreter oder Nachfolger ersetzt werden.

Wenn die gesamte Organisation nur auf eine Person ausgerichtet ist, dann ist diese ein „Single Point of Failure“. Die ganze Organisation lässt sich dann lahmlegen, wenn man den Kopf abschlägt, wie von einem Drachen in den Märchen.

Das Strategem gibt somit einen klaren Rat dazu, wie man ein System organisieren sollte, um nicht durch einen gezielten Schuss ausgeschaltet werden zu können: mit verteilten Strukturen, mit Redundanzen und gegenseitigen Kontrollen. Das System muss auch nach einem direkten Angriff auf die Steuerung funktionsfähig bleiben.

[Siehe hierzu lebensfähiges Systemdesign]

19. Das Feuer unter dem Kessel stehlen – Die Quelle der Kraft ist nicht dort, wo sie wirkt

Seit Jahren empfehlen uns die verschiedensten, auch offiziellen Stellen, einen Notvorrat anzulegen, damit wir wenigstens ein paar Tage ohne externe Versorgung auskommen. Dass das wichtig werden kann, vergessen wir in unserer übersicheren Welt gern. Deshalb kommt es direkt vor einem aufziehenden Sturm zu Hamsterkäufen, die eigentlich nichts anderes sind als ein verspätetes Auffüllen der Notlager.

Oft gibt es Schwachstellen dort, wo es am Wichtigsten ist – weil diese Versorgung so natürlich erscheint.

20. Das Wasser trüben, um die Fische zu fangen – Die Warnung vor Lügen kann selbst eine Lüge sein

Ein Virus ist deshalb so heimtückisch, weil es ehemals verbündete Menschen zu Feinden macht, aber, ohne dass man diese von den Freunden unterscheiden kann. Weil keiner keinem mehr trauen kann, verliert die menschliche Gemeinschaft ganz erheblich an Stärke, da diese normalerweise aus der Gemeinschaft heraus entsteht. Gedanken und Informationen verhalten sich vom Prinzip her ähnlich wie Viren. Bei Nachrichten sind wir auf vertrauenswürdige Quellen angewiesen, weil es ausgeschlossen ist, alles selbst nachzuprüfen. Aber in Zeiten von Krisen können auch die zuverlässigen Quellen weniger gut nachprüfen und machen daher mehr Fehler als sonst. Das untergräbt ihre Glaubwürdigkeit.

Und dann gibt es noch diejenigen, die das Chaos bewusst nutzen, um eine ganz andere Agenda durchzudrücken. Wer die Grenzen schon immer schließen wollte, hat nun ein besonders gutes Argument dafür.

Und dann gibt es die, die selbst gar nichts Böses im Schilde führen, aber denken, dass die andern es tun.

Wir können davon ausgehen, dass beide Seiten gutgläubig waren, aber der jeweils anderen Seite böse Absichten unterstellt haben.

Zudem haben sich offizielle Stellen angewöhnt, keinen reinen Wein einzuschenken, vorgeblich um die „ Bevölkerung nicht zu verunsichern “. Das ist natürlich das Dümmste, was sie tun können, aber die Verlockung des Augenblicks ist groß.

Wir müssen uns daran gewöhnen, dass wir in einer Krise alle im Blindflug fliegen. Die fehlende Sicht schafft eine Kakophonie, in der man die sinnvollen Melodien nicht mehr heraushört.

21. Die Haut der Zikade abwerfen – Die Gefahr, die nur in unserem Kopf lebt

Wenn unsere Gedanken im Krisenmodus sind, dann sehen wir sie in jedem Ereignis, selbst wenn ihre Ursache schon seit Tagen oder gar Wochen verschwunden ist.

Ruhige Zeiten sind dadurch gekennzeichnet, dass sich wenig ändert. Eine der Folgen davon ist, dass alte Zöpfe lange bestehen bleiben, selbst wenn man sie seit längerem besser hätte abschneiden sollen. Das liegt daran, dass auch in ruhigen Zeiten Änderungen der Rahmenbedingungen auftreten, aber so langsam, dass man sie kaum bemerkt. Deshalb haben die Beteiligten selten das Gefühl, dass althergebrachte Vorgehensweisen überkommen sind und geändert werden sollten.

Oft fällt erst in einer Krise auf, wie teuer solche ineffizienten Verhaltensweisen sind. Erst dann wird der Leidensdruck so groß, dass es besser ist, das Risiko der Änderung auf sich zu nehmen. Die Krise ist der Zeitpunkt, Dinge zu ändern, die schon lange fällig waren.

22. Die Türe schließen, um den Dieb zu fangen – Je mehr du ziehst, desto enger wird die Schlinge

Eine aufkommende Krise gibt uns im Anfangsstadium gern das Gefühl, glimpflich davonkommen zu können.

Die Vorgehensweise der EZB des „Whatever it takes“ um den Euro zu retten, war ebenfalls ein Weg, der zukünftige Krisen geradezu vorprogrammiert hat.

Wenn Sie sich um die Zukunft Ihres Unternehmens sorgen, dann denken Sie daran, dass der nächste offensichtliche Schritt meist der ist, an den alle denken. Damit entsteht ein fast unausweichlicher Weg in den Abgrund, weil ein Fluchtweg, den alle zugleich nutzen wollen, keiner ist.

Dieses Strategem lehrt uns, dass viele Krisen verschlimmert werden, indem wir ihr versuchen auszuweichen.

Daher ist es wichtig, flexibel zu bleiben und sich immer mehrere Wege offenzuhalten.

Vielen kommt der Gedanke abwegig vor, aktiv zu steuern, wo die Krise wütet. Dabei kann besonders das die Wirkung der Krise stark mindern ; man muss nur den Mut haben, auch unliebsame Entscheidungen zu treffen und durchzuhalten.

23. Mit dem fernen Feind verbünden, um den nahen Feind anzugreifen – Der Pakt mit dem Teufel

Auf einem geliehenen Weg Quo angreifen – Kein Bündnis ist von Dauer

Ein Bündnis hält nur so lange, wie es von beiderseitigem Vorteil ist.

Indem er seinen wahren Bündnispartner Quo opfert, opfert er sich auch selbst. Dieser einfache Zusammenhang wird leicht übersehen. Ein Bündnis hat zwar theoretisch den Anspruch ewig zu halten, aber tatsächlich hält es nur, bis das gemeinsame Ziel erreicht ist.

Währungskrisen werden gern auf diese Weise ausgelöst. Eine Notenbank denkt, große Reserven zu haben, aber es gibt einen Angriff von Spekulanten auf die Währung. Eigentlich kann der Angriff keinen Erfolg haben, aber es gibt einen unheilvollen Prozess. Wenn einige Unbeteiligte glauben, dass andere glauben werden, dass die Spekulanten gewinnen, dann wechseln sie lieber schnell die Seiten. Und schon bricht das Gesamtsystem zusammen, weil niemand der letzte sein will.

25. Die Tragbalken gegen morsche Stützen austauschen – Morsche Balken stehen noch lange, bevor sie brechen

Oft besteht die List einer Kriegspartei darin, die andere zum Austausch der fähigen Personen zu bewegen.

Wenn die besten Spieler eine Mannschaft verlassen, dann ist sie verloren. Es lohnt sich, darauf zu achten, denn die Probleme kommen erst mit einiger Zeitverzögerung.

Erstaunlicherweise hat eine Krise in dieser Beziehung eine bereinigende Wirkung. Oft werden besonders zu Anfang einer Krise nur die Dinge sichtbar, die schon vorher falsch gelaufen sind.

26. Den Kaiser kritisieren, aber auf die Minister zeigen – Auch ein Warnschuss kann treffen

Die Corona-Krise begann als seltsame Ereignisse im fernen China, die allenfalls Auswirkungen am Rande auf das eigenen Land zu haben schienen. Danach machte fast ohne Ausnahme jedes Land die gleiche Entwicklung durch. Jedes Land hielt die Krise für etwas, was nur die anderen betrifft. Dabei hätte jedes Land die Einschläge bei den anderen als Warnschüsse erkennen und sich vorbereiten können.

Es ist besonders schwierig, Warnschüsse von Fehlalarmen (die kennen wir von dem Strategem 1) zu unterscheiden ; oft sind sie sogar das Gleiche. Deshalb kann die paradoxe Situation eintreten, dass uns ein Warnschuss abstumpft und nicht wachrüttelt.

27. Verrücktheit vortäuschen, aber das Gleichgewicht behalten – Von der Stärke, schwach zu erscheinen

Achten Sie deshalb in ruhigen Zeiten auf Anomalien. Wenn in ruhigem Fahrwasser etwas vermeintlich Verrücktes passiert, dann kann mehr System dahinterstecken als einem lieb ist.

Wenn eine Situation komplett verrückt zu sein scheint, dann haben Sie sie meist nur nicht verstanden

Wenn Sie die Situation schließlich verstanden haben, dann achten Sie darauf, dass Sie dieses Wissen nicht preisgeben, indem sie zu berechenbar werden. Es ist dann an der Zeit, selbst den Verrückten zu spielen oder zumindest den, der auch nichts verstanden hat.

28. Auf das Dach locken und dann die Leiter wegziehen – Wer keine Wahl mehr hat, handelt immer vernünftig

Wenn jemand die Brücken hinter sich abbrennt, dann macht er damit seinem Gegner klar, dass er bis aufs Blut kämpfen wird.

Gegner, die nur noch nach vorn können und nicht mehr nach hinten, sind sehr gefährlich.

Krisen können Personen, Unternehmen, Branchen oder ganze Länder in genau diese Situation bringen. Das ist wichtig zu verstehen, um das Verhalten anderer Player richtig einschätzen zu können. Verhaltensweisen, die vor der Krise vernünftig waren, sind es mitunter nun nicht mehr.

Während Zaudern und Abwägen in ruhigen Zeiten gangbare Wege sein können, sind sie es in der Zeit einer akuten Krise nicht mehr. Deshalb kann eine Krise eine unerwartete Stärke hervorrufen.

29. Einen alten Baum mit falschen Blüten schmücken – Schönheit ist hauchdünn

Oft geht die Anwendung dieses Strategems einer Krise voraus, denn das Aufhübschen geht besonders effektiv in guten Zeiten, wenn sowieso jeder glaubt, dass die Situation gut ist. Deshalb sammeln sich in guten Zeiten immer mehr Zombie – Unternehmen, die mit Blüten getarnt sind.

Vor der Finanzkrise 2008 vergaben Ratingagenturen fleißig das Bestrating von AAA für Portfolios aus eher zweifelhaften Krediten. Das war nicht etwa eine Lüge der Rating – Agenturen, sondern deren Modelle wirkten damals unglaublich elaboriert und ausgefeilt. Es war wie finanzielle Allchemie, mit der man aus Blei Gold machen konnte, aber mathematisch fundiert.

Erschwerend kommt oft hinzu, dass viele Beteiligte auch gar keinen Anreiz haben, eine Tarnung aufzudecken. Für einen Mitarbeiter einer Ratingagentur lohnte es sich finanziell damals deutlich mehr, bei dem Spiel mitzumachen als es zu hinterfragen. Wer einen finanziellen Anreiz hat, wird schnell gutgläubig, und zwar vermutlich noch nicht einmal gespielt. Leider lassen sich auch Anleger durch schöne Geschichten gern verführen. Der Gedanke an den schnellen Gewinn ist einfach zu groß, als dass man der Langweiler werden wollte, der übervorsichtig ist. [siehe Wirecard]

Strukturelle Krisen werden oft mit Unmengen von Zentralbankgeld so weit getarnt, dass man sie nicht mehr als das erkennt, was sie sind, und über Jahre hinweg falsch handelt. Überbordende Bürokratie und Probleme wie die kopfstehende Alterspyramide werden somit getarnt und ganze Gesellschaften fallen kollektiv auf den alten Gebrauchtwagenhändlertrick herein, ohne auch nur eine Ahnung zu haben. Die Zentralbanken schaffen eine Tarnung, die sie selbst nicht mehr sehen – auch, weil sie sie nicht sehen wollen.

Bleiben Sie misstrauisch. Fragen Sie sich, ob eine Situation auch ganz anders sein kann, als alle denken. Meist wird die Mehrheit richtig liegen. Aber die wenigen Male, in denen sie Mehrheit falsch liegt und Sie richtig, können Sie reich machen.

Wenn ein Betrug nur groß genug ist, dann gibt es komischerweise oftmals viel weniger Kontrolle. Man hat das Gefühl, dass eine ganz große Sache automatisch von ganz vielen geprüft sein muss und prüft daher etwas weniger. Leider machen das dann alle, wodurch bei einem Geschäft vom Ausmaß der Zeilgalerie insgesamt weniger geprüft wird als bei dem Kauf eines Umlaufordners. Tarnung geht oft mit künstlich erzeugtem Zeitdruck einher, weil eine Tarnung nur oberflächlichen Kontrollen standhält. Tarnungen spielen mit unseren Vorurteilen. Der Gutachter der Hitlertagebücher war ein anerkannter Professor, der aber an die Echtheit der Fälschung glauben wollte, weil sie die von ihm vertretene Theorie bestätigte. [siehe Wirecard]

30. Die Rolle des Gastes durch die des Gastgebers austauschen – Von der Gefahr der langsamen Bewegung

Wir Menschen sind anfällig für Suchtverhalten. Eine Sucht beginnt immer damit, dass ein Verhalten klein und unbedeutend anfängt, sodass man das Gefühl hat, alles unter Kontrolle zu haben.

Das Heimtückische dieses Angriffs durch den Gast besteht darin, dass er lange Zeit unterschwellig bleibt. Deshalb lohnt es sich für den Gastgeber nicht, ihn ernsthaft zu bekämpfen. Man hat immer das Gefühl, dass Abwehrmaßnahmen völlig überzogen seien und bekommt daher chronisch zu wenig Unterstützung. Derjenige, der vor der Gefahr warnt, wird als paranoid abgestempelt und kann sogar bald das Attribut Verschwörungstheoretiker angehängt bekommen.

Halten Sie daher die Augen auf für Krisen, die lange unterschwellig bleiben. Dies sind mitunter die gefährlichsten, weil sie nicht nur keine Gegenwehr des Angegriffenen auslösen, sondern im Gegenteil, seine Stärke oft für sich selbst einsetzen können.

31. Das Strategem der schönen Frau – Was wir begehren, macht andere stark

Eine Krise hat fast immer die Folge, dass der Gürtel enger geschnallt werden muss. Eine Gemeinschaft akzeptiert das meist, solange die Lasten einigermaßen gleichmäßig verteilt sind. Wenn aber eine Partei einen Vorteil zu bekommen scheint, dann bricht die Allianz auf und schwächt das Gesamtgefüge.

Es wirkt, als würden die staatlichen Hilfen kollektiv den Verstand ausschalten.

Wenn Sie starke Gefühle in sich aufsteigen sehen, dann versuchen Sie, die Situation mit Abstand zu betrachten. Fragen Sie sich zugleich immer, ob jemand anders versucht, genau diese Gefühle bei Ihnen auszulösen

Förderungen können nur vorübergehend sein. Bauen Sie Ihr Geschäft nicht so auf, als gäbe es die Förderung ewig.

Kalkulieren Sie ein, dass die Krisenförderungen zu wirtschaftlich unsinnigen Entscheidungen führen werden.

32. Strategem der offenen Stadttore – Der Bluff höherer Ordnung

33. Der Doppelagent – Spion und Spion

34. Sich selbst verletzen – Nur wer selbst denkt, sollte sich selbst verletzen

Dieses Strategem kommt in verschiedenen Varianten: Sich selbst verletzen, um harmloser zu erscheinen, als man ist. Sich selbst verletzen, um den Angriff durch einen gemeinsamen Feind vorzutäuschen. Sich selbst verletzen, um einer anderen Partei ein Signal zu senden.

35. Verkettungsstrategem – Das Strategem, das keines ist

36. Wenn gar nichts mehr hilft: weglaufen! Manchmal sind auch die Strategemata mit ihrem Latein am Ende