Quelle: industriemagazin.at

Die Chemieindustrie ist den meisten anderen Branchen der Industrie vorgelagert. Entsprechend wichtig ist dem Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) ein Notfallplan für die Gasversorgung. Doch wichtige Schritte werden nicht unternommen – und der Ernstfall droht.

Für die Chemische Industrie ist die Gefahr eines russischen Lieferstopps von Erdgas deutlich gestiegen. Der Grund: die reduzierten Erdgaslieferungen nach Deutschland und seit Donnerstag auch nach Österreich.

Es sei nun umso dringlicher, die Vorbereitungen für einen drohenden Gasengpass auszuweiten und aktives Krisenmanagement zu betreiben.

Die energieintensiven Unternehmen der Chemiebranche arbeiten seit Monaten intensiv daran, die Risiken von möglichen Lieferausfällen abzufedern. Was dem FCIO fehlt, sind seitens der Politik konkrete Pläne, wie bei einem Gaslieferstopp innerhalb der Industrie vorgegangen werden soll. Dabei brauche es gerade für den produzierenden Bereich so rasch wie möglich klare Kriterien, nach denen knappe Erdgasressourcen im Krisenfall zugeteilt werden.

Zahlreiche EU-Mitgliedstaaten arbeiten bereits an solchen Notfallplänen und auch die Europäische Kommission hat mittlerweile ein Konsultationsverfahren gestartet. Ziel ist die bestmögliche Entscheidungsgrundlage für den Ernstfall.

Die Kriterien, nach denen Gasrationierungen erfolgen sollen, werden bei dem Priorisierungsprozess der Kommission auf Basis umfassender Analysen entwickelt. Neben der sozialen und wirtschaftlichen Bedeutung von Sektoren oder Unternehmen – Stichwort „kritische Infrastruktur“ – geht es auch um die Relevanz von Versorgungsketten, das Ausmaß der Gasabhängigkeit sowie Reduktions- und Substitutionsmöglichkeiten.

Aus Sicht der chemischen Industrie sollte ein ähnlicher Prozess umgehend auch in Österreich gestartet werden, um auf einen möglichen Gaslieferstopp aus Russland vorbereitet zu sein.

„Planbarkeit ist für Unternehmen in Krisensituationen überlebenswichtig.
Das bisher von der Politik verfolgte Prinzip Hoffnung ist zu wenig.“

Die Antwort liegt in einem gesamtheitlichen Betrachten der Lieferketten. Die chemische Industrie produziert systemrelevante Produkte wie Medikamente, Desinfektionsmittel oder Düngemittel. Zusätzlich ist sie wichtiger Zulieferer für alle anderen Industriesektoren.

96 Prozent der in der EU hergestellten Waren benötigen Vorprodukte aus der Chemie. Von der Landwirtschaft über die Lebensmittel- und Getränkeindustrie, das Gesundheitswesen, die Energiewirtschaft, den Maschinenbau, die Bauwirtschaft, die Textilindustrie, der Umwelttechnik bis zum Verkehrswesen. Auch die Energiewende hängt davon ab, ob Spezialkunststoffe und High-Tech-Beschichtungen für Windräder und Solarpaneele produziert werden können.

Kommentar

Das Prinzip Hoffnung ist leider in Österreich sehr weit verbreitet und auch häufig beim Thema Blackout-Vorsorge zu beobachten.

„Der Bund hatte die im Pandemiefall notwendigen organisatorischen Strukturen und personellen Grundvoraussetzungen nicht sichergestellt.“  und

„die Herausforderungen des Krisenmanagements in der COVID-19-Pandemie [waren] bislang ungelöst. Die seit Ausbruch der Pandemie gemachten Erfahrungen wurden zu wenig genutzt, um das Krisenmanagement im Sinne von Lessons Learned weiterzuentwickeln“, Rechnungshofbericht Österreich, Juni 2022