Quelle: fm4.orf.at

Das TETRA-Funknetz von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten wird bereits 24 Stunden nach einem flächendeckenden Stromausfall in Schwierigkeiten kommen. Weder die Stromversorgung noch der Netzbetrieb selbst sind wirklich redundant abgesichert.

Von Erich Moechel

Die Dauertöne der Sirenen, die beim österreichweiten Test am Samstag wieder Katastrophenalarm simulieren, werden bei einem Strom-Blackout kaum eine Rolle spielen. Ein Gutteil dieser mehr als 8.100 Warnanlagen wird in diesem Katastrophenfall nämlich nicht zu hören sein. Sehr viele davon sind noch alte Motorsirenen, die Dreiphasenstrom mit 380 Volt benötigen.

Zudem spielt sich ein solcher Großausfall des Stromnetzes binnen einer Minute ab, dann brechen die zivilen Kommunikationsnetze zusammen und schon wenig später bleibt in erster Linie nur noch Radio. Alle ORF-Sendestandorte sind dafür mit Dieselaggregaten und Treibstoff für 72 Stunden ausgerüstet. Vom digitalen TETRA-Funknetz für Polizei, Rettung und Feuerwehr werden hingegen schon nach 24 Stunden nicht viele Stationen übrigbleiben.

Bei Blackout ist alles völlig anders

Ein österreichweiter, dauerhafter Stromausfall verläuft in jeder Beziehung anders als jeder andere Katastrophenfall. Mit der Stromversorgung brechen – wie man an den Sirenen sieht – weite Teile der Grundversorgung zusammen, weil Strom nun einmal die Basis für alle Arten von Kommunikations-, Informations- und Schaltsystemen ist. Weil diese Art von Katastrophe so gut wie keine Vorlaufzeiten hat, ist auch die etwa bei einem schweren Chemie- oder Atomunfall übliche Informationskette außer Kraft gesetzt, denn vorgewarnt werden kann da nicht. Ein Blackout informiert die gesamte Öffentlichkeit ganz direkt, indem er einfach eintritt.

Wenn die Nachricht von einem Blackout vom Stromnetzbetreiber Austrian Power Grid (APG) über den Regulator E-Control das zuständige Klimaschutzministerium und dann den Krisenstab im Innenministerium erreicht, ist die ORF-Zentrale am Wiener Küniglberg bereits informiert. Dort verfügt man nämlich über ein eigenes Alarmsystem, das in die Steuerung der ORF-Senderkette quasi eingebaut ist. Bei dem schweren Vorfall am 8. Jänner, als ein kaskadierender Unfall in Serbien und Kroatien einen gefährlichen Einbruch der Sollfrequenz von 50 Hertz in Österreich zur Folge hatte, und in Folge das gesamte europäische Stromnetz ins Wackeln kam, waren die Notstromaggregate an den Sendestandorten automatisch angesprungen.

Da ein Zusammenbruch des Stromnetzes in Österreich zum Glück durch schnelle Regelung vermieden werden konnte, löste sich das Rätsel um die Generatoren erst, nachdem die ORF-Sendertochter ORS bei der Austrian Power Grid angefragt hatte, was da denn los gewesen sei. Die APG hatte einen Frequenzabfall von 240 Millihertz gemessen, die Sensorik vor den Dieseln aber auch, deshalb waren sie angesprungen. Ab einer Abweichung von 300 plus oder minus ist die Stabilität bereits gefährdet, denn alle Stromnetze haben nur eine absolut geringe Fehlertoleranz.

ORS-Großsendeanlagen noch Wochen On Air

Da die Sendeanlagen aus ganz Österreich einen Notstrombetrieb nach Wien automatisch melden, kann die Senderhauptkontrolle der ORS, die rund um die Uhr im ORF-Zentrum am Küniglberg besetzt ist, schon in den ersten Minuten das Ausmaß des Ausfalls abschätzen. Im Kontrollraum sieht man nämlich, an welchen Großsendestandorten vom Pfänder am Bodensee über Patscherkofel, Gaisberg, Dobratsch, Jauerling, dem Wiener Kahlenberg bis zum Hirschenstein im Burgenland Notstromaggregate laufen. Diese Großsendeanlagen sind laut ORS mit Treibstoffvorräten für zwei bis drei Wochen versehen, dann erst müssen die Tanks wieder gefüllt werden. Das ORF-Zentrum selbst und alle Landesstudios werden ebenfalls notstromversorgt und haben ebenso für mindestens 72 Stunden Treibstoff eingelagert. Zudem gibt es am Küniglberg serienweise Pufferbatterien.

Das Blackout-Konzept, das in den letzten Jahren von der ORF-Konzernsicherheit mit der ORS erarbeitet wurde, sieht einen Schwerpunkt bei der terrestrischen Versorgung mit Radio auf UKW. Die 30 wichtigsten UKW-Sendeanlagen der ORS sind ebenfalls für mindestens 72 Stunden notstromversorgt und durch mehrfach redundante Verteilung über Richtfunk, Glasfaser und Satellit sehr krisenfest. Zudem gibt es in Österreich pro Haushalt laut Statistik im Schnitt fünf UKW-Radios, inklusive Autoradios, Bei einem Blackout wird OE3 zum Leitmedium, das auf nationaler Ebene informiert, dazu kommt die regionale Berichterstattung in den Bundesländern aus allen Landesstudios. Auch ORF-TV gibt es weiterhin, dann allerdings nur über Astra (19,2° Ost). Die Erdfunkstelle des ORF ist ebenfalls für 72 Stunden notstromversorgt und kann den Astra Transponder 7 mit den Feeds für ORF 1, ORF 2 und OE3 versorgen.

Das TETRA-Blaulichtnetz nach 24 Stunden

Wie der ORF nach einem Ausfall überhaupt an Informationen direkt von den Blaulichtorganisationen kommt, sollte hingegen problematisch sein. Nach dem Ausfall von Festnetz- und Mobilfunkkommunikation bleibt nur das digitale TETRA-Funksystem. Auf die Frage, wie dieses System denn abgesichert sei, kam folgende Antwort aus dem Innenministerium: „Die Versorgung der einzelnen Digitalfunkstandorte ist unterschiedlich und [beträgt] bis zu 72 Stunden. Die Varianz ergibt sich aus dem Umstand der Erreichbarkeit des jeweiligen Standorts, daher in exponierten Lagen ist sie höher (bis zu 72 Stunden). Hintergrund dazu ist, dass der Betrieb durch Batteriestrom jenen Zeitraum absichern muss, den es benötigt, um Generatoren vor Ort zu bringen.“ Es ist also eine „bis zu“-Absicherung, Stromgeneratoren sowie Treibstoff gibt es vor Ort nicht.

Das Innenministerium geht tatsächlich davon aus, dass es möglich ist, im Chaos eines Totalblackouts mit mobilen Stromaggregaten die Pufferbatterien von weit mehr als tausend Sendemasten in Österreich regelmäßig vor Ort aufzuladen. In der Regel sind diese Masten nämlich maximal für 24 Stunden mit Strom versorgt. Wer zudem weiß, wie lange es dauert, die Bleiakkus eines großen Pufferspeichers aufzuladen, weiß auch, dass dies niemals in größerem Maßstab funktionieren kann. Kein einziger der zahlreichen für diese Artikelserie befragten Experten geht davon aus, dass von diesen 1.200 und mehr Sendemasten nach 24 Stunden österreichweit mehr als ein paar Dutzend noch aktiv sind. Die Einsatzkräfte werden daher auf die TETRA-Funkgeräte in ihren Wagen und die Handgurken angewiesen sein, also auf Betrieb vor Ort.

Nur Tirol mit redundantem Tetra-Netz

Neben der fragilen Stromversorgung hat das TETRA-Netz der Behörden noch einen weiteren „Single Point of Failure“, für den – außer in Tirol – kein Back-Up welcher Art auch immer vorhanden ist. Der Netzbetreiber ist die A1 Telekom, und damit ist das TETRA-Funknetz Teil eines zwar nach allen Regeln der Kunst abgesicherten, aber riesigen und hochkomplexen Netzes, in dem eine Unzahl von Services und noch mehr zugehörigen Protokollen kreuz und quer geroutet werden, wobei alles irgendwie miteinander verbunden ist. Der gesamte Betrieb mit seinen Servern, Routern, Load-Balancern, Switches, Firewalls und Steuerungsanlagen aber hängt von ein- und demselben Stromnetz ab, und unter den Prozessen selbst regieren wechselweise, ebenfalls komplexe Abhängigkeiten. Fällt ein essentieller Prozess oder eine Versorgungslinie aus, kann alles gutgehen – oder es kommt zu einem Ausfall, der eine ganze Kaskade von weiteren Ausfällen nach sich zieht.

Die Auswirkungen eines flächendeckenden Blackouts auf ein solches landesweites Netz lassen sich also weder simulieren, noch ist eine solche Situation in einem realistischen Szenario trainierbar. Auf diese Schwachstelle hat Tirol als bisher einziges Bundesland reagiert, indem ein eigenes redundantes Richtfunknetz samt Generatoren errichtet wurde, das mehr als 80 der wichtigsten TETRA-Stationen verbindet. Während in allen anderen Bundesländern nur noch lokale Funkkommunikation möglich ist, können die Einsatzkräfte in Tirol während des Blackouts noch lange landesweit und darüber hinaus kommunizieren und alle Vorteile des an sich sehr hochwertigen und robusten TETRA-Netzes nutzen.

Wie es weitergeht

Im vorläufig letzten Teil dieser Serie zu Alarmierung, Information und Kommunikation im Fall von Katastrophen wird es um Punkt-zu-Punkt-Verbindungen, Informationsketten, Kommunikationsinseln und neue Broadcasting-Löѕungen für Mobiltelefone gehen, die während eines solchen Großausfalls statt der gewohnten interaktiven Netze dominieren werden. Der Artikel erscheint am Sonntag.