Quelle: www.industr.com
Ein Übertragungsnetzbetreiber und ein Forschungszentrum haben gemeinsam ein Computersystem entwickelt, welches dazu beitragen soll das Stromnetz an die Anforderungen der Energiewende anzupassen.
Der Netzbetreiber setzt umfangreiche Simulationswerkzeuge ein, um den Bau und die Dimensionierung neuer Stromleitungen zu planen. Zur Stabilisierung des Netzbetriebs ist es wegen Netzengpässen immer wieder notwendig, dass Kraftwerke, Windräder und Photovoltaik-Anlagen zeitweise leistungsbegrenzt werden müssen. Die Abregelung erneuerbarer Energien erfolgt dabei nur im Notfall, als letzte Maßnahme, bei andauernder Überlastung. Dennoch nahm die Menge an Ökostrom, in erster Linie aus der Windkraft, die durch das sogenannte Einspeisemanagement verloren geht, in den letzten Jahren rapide zu. Im Rekordjahr 2017 entsprach sie in etwa 5 Prozent des gesamten erzeugten Windstroms.
Deutschlandweit entstanden für die Netzstabilisierung im Jahr 2017 Kosten von rund 1,4 Milliarden Euro. Dabei handelt es sich um zusätzliche Aufwendungen, die sich nach Aussagen der Bundesnetzagentur langfristig nur durch einen Netzausbau senken lassen. Für die Anpassung und Auslegung neuer Leitungen strebt TenneT eine Simulation und Optimierung der Lastflüsse im gesamten Netz über ein ganzes Jahr hinweg an. Mit der bisherigen Technik wäre die dazu notwendige, massive Steigerung der Rechenleistung allerdings nicht zu realisieren gewesen. Das liegt auch an der Komplexität des deutschen Energiesystems, die im Zuge der Energiewende gestiegen ist.

Kommentar Franz Hein

1. Allen Anschein nach handelt es sich nicht um online-Netzsicherheitsrechnungen, sondern um Planungsrechnungen. Planung ist notwendig, aber überhaupt nicht hinreichend. Es muss online die Einhaltung der (n-1)-Sicherheit im Netzbetrieb feststellbar sein. Das erfordert online-Messungen und darauf aufbauende online-Netzsicherheitsrechnungen. Planung ist nur als Vorbereitung notwendig. Erst ein Beherrschen der realen Situation in jedem Moment führt zu einer hinreichenden Fähigkeit bei der Betriebsführung. Alles andere ist eine Selbsttäuschung (auf hohem Niveau). Ein Plan ist nicht die Wirklichkeit.
2. Zur Stabilisierung des Netzbetriebes wegen Netzengpässe wäre es erheblich sinnvoller, statt Leistungsbegrenzungen (und damit eine Reduzierung des Wirkungsgrades der eingesetzten Investitionen) vorzunehmen, die zu „erntende“ (und kostenlos gelieferte) Energie möglichst am Entstehungsort zu speichern bzw. rasch genug (aber immer zu netzdienlichen Zeitbereichen) auf viele nachgeordnete Speicher durch regionales Wälzen und alle anderen Formen des Wälzens von Energie zu verteilen.
3. Das Abregeln erneuerbarer Energie erfolgt zwischenzeitlich keineswegs mehr nur als Notfall. Die Größenordnung des Redispatchverfahrens spricht total gegen diese Aussage. Es ist für mich inzwischen wie eine gern genutzte Möglichkeit, sich auf Kosten der Stromkunden zu bereichern, da die “abgeregelten” Betreiber den nicht gelieferten Strom bezahlt bekommen. Die Bezahlung wird den Stromkunden aufgebürdet, ohne dass es diesem Bevölkerungsteil transparent und nachvollziehbar zu machen.
4. Das Abregeln ist kein Einspeisemanagement, sondern eine Form der Energievernichtung und eines gesetzlich verordneten Geldtransfers von den Taschen der Stromkunden zu den Taschen der Betreiber von Kraftwerken, Windräder und Photovoltaik-Anlagen. Die angegebene Größenordnung von 5 % mutet zunächst gering an, ist aber so schon in dieser Größenordnung – auch mit den finanziellen Auswirkungen für die Stromkunden – der absolute Irrsinn. Und das Schlimme ist, dieser Irrsinn wird noch erheblich ansteigen, den der Aufbau von „Mauern“ im europäischen Stromsystem schreitet voran. Die Querregler nun bereits an mehreren europäischen Grenzen oder auch die behördlichen Vorgaben bezüglich wirtschaftlichem Engpassmanagement (z.B. an der Deutsch/Österreichischen Grenze) entfalten diese Wirkung. Der Hang zur Planwirtschaft verstärkt dies noch.
5. Die Netzstabilisierung kann weder kurzfristig noch langfristig durch einen verstärkten Netzausbau gewährleistet werden. Das Netz kann nur zwischen den Orten der Einspeisung und der Nutzung der Energie transportieren. Nur durch ein Puffern und eine auch über längere Zeiträume wirkende Energiebevorratung kann überhaupt die Energiewende gelingen. Es ist geradezu fatal, dass eine Bundesbehörde das nicht sieht oder auch nicht sehen will. Noch fataler sehe ich die Haltung der Branche selbst. Das Wissen um die physikalischen Rahmenbedingungen gehen in der Branche offenbar mehr und mehr verloren (oder sind schon im großen Umfang verloren gegangen).
6. Die Komplexität wird durch eine noch extrem zunehmende Vernetzung in den einzelnen Systemen je für sich, aber mehr und mehr auch zwischen den immer noch viel zu getrennt betrachteten Sektoren zunehmen. Diese Entwicklung wird immer noch nicht in ihrem Ausmaß erkannt. Dies zu beherrschen, ist keine Aufgabe einer Planwirtschaft, sondern erfordert ein Orchestrieren autonom, aber durch die Zugänglichkeit und dezentralen Nutzung der jeweiligen Gesamtsicht gemeinschaftsdienlich sich verhaltenden Energiezellen. Statt Steuern mit exakt geplanten Vorgaben müssen wir zum Führen mit Leitplanken und Toleranzfeldern kommen. Das allerdings scheint mir tatsächlich einen disruptiv ablaufenden Vorgang notwendig zu machen. Wir brauchen ein Umschalten des bisher gewohnten Denkens auf eine völlig neue Denkweise. Das erfordert auch eine Befähigung der Energiezellen, die bisher nicht einmal ansatzweise in Gang kommt. Wir sind immer noch „gefangen“ in einem Denken in „smart grid“ und „smart market“ und meinen mit einem Rollout von Geräten für die Dokumentation des gewesenen Energiebezugs die richtige Lösung anzupeilen. Wir sind in der falschen Richtung mit den falschen Zielsetzungen und Vorgehensweisen unterwegs!