Im folgenden werden zwei aktuelle deutsche Forschungsprojekte an der TU Darmstadt vorgestellt, die eine hohe Relevanz für die Krisenvorsorge in urbanen Räumen aufweisen. Zugleich werden bei diesen Projekten auch die hier aus der Praxis abgeleiteten Annahmen wissenschaftlich verifiziert werden.

Sektorübergreifende Koordination Kritischer Infrastrukturen

Quelle: www.raumplanung.tu-darmstadt.de

Technische Infrastrukturen der Energieversorgung, der Wasserver- und Abwasserentsorgung sowie der Information und (Tele-)Kommunikation oder auch der verschiedenen Transportsysteme ermöglichen modernes Wirtschaften und strukturieren das alltägliche Zusammenleben von Menschen in Städten und Gemeinden. Hierbei hat der störungsfreie Betrieb der genannten Infrastruktursysteme eine kritische Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, die öffentliche Sicherheit und Ordnung und den sozialen Frieden – weshalb sie zu den Kernsektoren/-branchen Kritischer Infrastrukturen (KRITIS) zählen. KRITIS können Betroffene von Katastrophen sein und / oder solche selbst auslösen bzw. verstärken. Insbesondere aufgrund der engen wechselseitigen Abhängigkeiten (Interdependenzen) zwischen den einzelnen Infrastruktursektoren können kaskadenartige, sich verschärfende Störeffekte entstehen (z. B. im Falle eines Stromausfalls), die Städte besonders vulnerabel für schwerwiegende und ggf. langanhaltende Krisen machen.

Forschungsgegenstand

Um diesen Gefahren zu begegnen, wird im Rahmen des interdisziplinären DFG-Projektverbunds zur nachhaltigen Entwicklung von Städten die sektorübergreifende Koordination von Kritischen Infrastrukturen erforscht. Dabei wird der Frage nachgegangen, welchen Stand die Koordination gegenwärtig aufweist, und untersucht, welche Faktoren die Zusammenarbeit und den Austausch zwischen den verschiedenen KRITIS-Akteuren (Infrastrukturunternehmen, Ressorts der Stadtverwaltung, Gefahrenabwehrbehörden etc.) prägen. Analysiert werden demzufolge die Koordinationsformen, -defizite, -restriktionen und Weiterentwicklungsbedarfe im Kontext des städtischen Risiko- und Krisenmanagements.

Konzeptioneller Rahmen und empirische Untersuchung

Das Projekt knüpft an die raumwissenschaftliche Infrastrukturforschung sowie Debatten zu sozio-technischen Regimen, zur Resilienz von Städten und zu Interdependenzen von (Kritischen) Infrastrukturen an. Daneben werden aktuelle Herausforderungen technischer Infrastrukturen zwischen Liberalisierungs- und Privatisierungstrends einerseits sowie umwelt- und sicherheitspolitischen Forderungen nach integrativer Koordination der Sektoren andererseits verortet. Die empirische Basis bilden Experteninterviews in ausgewählten deutschen Großstädten zwischen 200.000 und 500.000 Einwohnern.

Ergebnisse

Erste (Zwischen-)Ergebnisse der empirischen Fallstudien zeigen, dass die Vor-Ort-Wahrnehmung möglicher Gefährdungen (durch z. B. Naturereignisse oder technisches Versagen) zwar gestiegen ist, bislang aber kaum systematische Gefährdungs-, Risiko- und Interdependenzanalysen sowie institutionalisierte und regelmäßig tätige Koordinationsarrangements existieren. Die Koordination, für die der städtische Katastrophenschutz in der Verantwortung gesehen wird, wird – neben anderen Faktoren – vielmehr durch die Ausdifferenzierung und Fragmentierung technischer Infrastruktursysteme und -akteure erheblich erschwert.

Das Projekt bildet die zentrale Grundlage für weitere Forschungsprojekte mit bspw. vertieften städtischen Fallstudien sowie additive wissenschaftliche Aktivitäten (im Sinne der komplementären Ergänzung der Sicherheitsforschung der TU Darmstadt).

Poster

Wesentliche Projektinformationen und -ergebnisse können Sie diesem Poster entnehmen, das in ähnlicher Form auf dem „15. Forum Katastrophenvorsorge“ im November 2015 in Berlin ausgestellt wurde.

Kooperation zum Schutz Kritischer Infrastrukturen

Simulation von Kommunikations- und Informationsaustauschprozessen

Quelle: www.raumplanung.tu-darmstadt.de

Kritische Infrastrukturen (KRITIS), wie die Energie- und Wasserversorgung oder Informations- und Kommunikationssysteme, sind zum sensiblen Nervensystem moderner Städte geworden. Dabei können durch die engen ein- und wechselseitigen Abhängigkeiten (Interdependenzen) zwischen KRITIS kaskadenartige, sich verstärkende Störeffekte entstehen – bspw. wenn durch einen Stromausfall die Wasserversorgung und Telekommunikation außer Betrieb gesetzt werden. Der Schutz von KRITIS erfordert daher eine gesamtstädtische und sektorübergreifende Kooperation.

Zielsetzung

Das Forschungsprojekt basiert auf den Ergebnissen eines DFG-Projekts am Fachgebiet Raum- und Infrastrukturplanung und widmet sich den Anforderungen an den organisationsübergreifenden Informationsaustausch zwischen den verschiedenen KRITIS-Betreibern als auch zwischen den Infrastrukturunternehmen und dem Katastrophenschutz. Ziel ist es, Thesen zum individuellen Akteursverhalten, zu Kommunikationsproblemen und zu Handlungsmöglichkeiten organisationsübergreifender Zusammenarbeit im städtischen Risiko- und Krisenmanagement abzuleiten.

Methodische Vorgehensweise

In dem interdisziplinären Projekt zwischen Planungs- und Wirtschaftswissenschaften ergänzen sich qualitative und quantitative Methoden. Die Untersuchung erfolgt u. a. in enger Zusammenarbeit mit Praxispartnern des Energie-, Wasser- und Telekommunikationssektors sowie der Berufsfeuerwehr in Frankfurt am Main.

Zunächst werden mittels Literaturauswertung und Experteninterviews Verwundbarkeiten von KRITIS in Frankfurt/M. analysiert und mögliche Störkaskaden herausgearbeitet. Kernbestandteil der Arbeit ist sodann eine Agenten-basierte Simulation der Kommunikation zwischen den einzelnen KRITIS-Akteuren und eine räumliche Verortung mittels GIS. Am Beispiel eines kaskadenartigen Störszenarios werden unterschiedliche Kommunikationsprozesse modelliert, um die Faktoren und Effekte des interorganisationalen Informationsaustauschs auf städtischer Ebene zu verdeutlichen und Informationsasymmetrien sichtbar zu machen. Die (Zwischen-)Ergebnisse werden in Expertenworkshops mit Vertretern der beteiligten Organisationen erörtert und in Schlussfolgerungen für die organisationsübergreifende Zusammenarbeit überführt.

Flyer

Den Projektflyer finden Sie hier.