Das Buch von Kurt Völkl und Heinz Peter Wallner „Das innere Spiel – Wie Entscheidung und Veränderung  spielerisch gelingen“ nähert sich dem Thema „Resilienz“ aus einer etwas anderen Perspektive und liefert ebenso wertvolle Gedanken für die Auseinandersetzung mit Veränderungen. Hier ein paar Zitate:

Wir haben so oft und so lange gewonnen, bis wir zu glauben begannen, es könne ewig so weitergehen. Dabei haben wir übersehen, wie viele Verlierer wir geschaffen haben. Nur der verklärte Blick kann überall Gewinner entdecken. Das ist das wirklich große Spiel, das soeben beginnt, sich selbst infrage zu stellen. S. 19.

Es gibt nur eine gute Möglichkeit, mit den Widersprüchen des Lebens umzugehen: Gelassenheit und Dialog. S. 33.

Die westliche Gesellschaft befindet sich in einem Übergangsraum, also zwischen zwei Polen. Der eine Pol ist das uns gut bekannte mechanistische Denken, das unserer Weltsicht heute am stärksten prägt. Daraus hat sich ein großes, mächtiges Spiel entwickelt. Es ist das Spiel mit der Ratio. Die Grundregel: Ratio schlägt Emotio, der Verstand besiegt das Gefühl. Der andere Pol ist das aufkeimende und uns weniger geläufige ganzheitliche Denken. Aus dieser Weltsicht muss sich erst ein durchgängiges Weltbild formen und ein neues Spiel mit neuen Grundregeln entwickeln. Der Grundwiderspruch auf gesellschaftlicher Ebene lautet: Ganzheitlichkeit versus mechanistisch. S. 37.

Ganzheitliche Zusammenhänge sind längst Teil unseres Lebens geworden. Und doch verteidigen wir vielfach das mechanistische, lineare Denken, weil es unser Leben so einfach, so herrlich strukturiert und geordnet gemacht hat. S. 39.

Irgendwie können sich nur wenige Experten ein System ohne Wachstum vorstellen. Es geht also um die Frage, welches Wachstum zukunftsfähig ist. S. 44.

Wenn wir bekannte Muster über lange Zeit einstudiert haben und alle Abläufe zur tiefschürfenden Gewohnheit geworden sind, dann ist der Wandel höchst unangenehm. In der stabilen Phase verlieren wir mit der Zeit immer mehr von unserer Flexibilität. Nur im flexiblen Modus erhalten wir uns unsere Veränderungsbereitschaft. Es ist die Bequemlichkeit, die uns die Flexibilität langsam aufgeben lässt. Sind wir im Erstarrungsmodus der Gewohnheiten angekommen, steigt sofort die Angst vor der Veränderung auf und Angst macht bekanntlich dumm. Dabei ist Veränderung einfacher zu durchschauen, als wir es gemeinhin annehmen. Angst vor Veränderung ist eine Gewohnheit und eine solche lässt sich verändern. S. 47.

Heute brauchen wir einerseits Menschen, die in stabilen und instabilen Phasen führen können und zwei Führungssysteme, eines für die Zeiten der Optimierung und eines für Krisenzeiten, also für den Wandel. S. 50.

Veränderung hat immer mit Gewohnheiten zu tun. Wir ersetzen dabei eine alte durch eine neue Gewohnheit. Und das, so wissen wir aus eigener Erfahrung, ist so ziemlich die schwierigste Herausforderung überhaupt. (…) Unser Gehirn macht es sich also leicht und versucht, möglichst viele Gewohnheiten auszubilden, weil es dann den bewussten Geist auf Sparflamme schalten kann. Was aber nicht mehr in unserem Bewusstsein abläuft, ist unseren Gedanken und Veränderungswünschen eben nicht mehr so einfach zugänglich. S. 55.

Es gibt nun viele Situationen, die nicht lösbare Widersprüche in sich bergen. Es nützt auch gar nichts, wenn wir hier Experten befragen. Die Situation, die immer einen Konflikt darstellt, bleibt im Grunde unentscheidbar. Genau das ist mit der weithin bekannten Aussage in systemischen Beraterkreisen gemeint, dass wir immer nur unentscheidbare Fragen zu entscheiden haben. S. 88.

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Unser lineares Denken sieht Entscheidungen ähnlich wie einen Pfeilschuss. Wenn wir nur gut genug zielen, treffen wir ins Schwarze, entscheiden also richtig. In einer komplexen Welt und in einem systemischen Denken passt aber das Beispiel mit einem Steinwurf ins Wasser besser. Wir können nicht mehr ein genaues Ziel treffen, sondern mit unserem Stein nur eine Wellenbewegung erzeugen. Welchen Platz der Stein dann unter Wasser einnimmt, ist schwer zu sagen. Unsere Handlung erzeugt eine Auswirkung im System, das sind die Wellen. Ob der Stein sein „Ziel“ trifft, ist eine ganz andere Frage. Wir wissen nur, er kommt am Grunde an. S. 113.

Nichts auf der Welt hat ohne sein Gegenteil Bedeutung und nie kann die Lösung eines Problems ohne Einbeziehung des Gegenpols langfristig erfolgreich sein. S. 124.

Es ist unsere Tradition im rationalen, wissenschaftlichen Denken des Abendlandes, die uns zu Beobachtern der Welt macht. Es scheint uns, als könnten wir als „von der Welt abgetrennter Mensch“ – als Subjekt – ein von uns unabhängiges Objekt beobachten, analysieren und bewerten. Die Trennung von Subjekt und Objekt öffnet uns die Tür zur „Dualität“ – ein anderes Wort für Polarität. Der Mensch kann die Welt fortan beobachten und für sich selbst das Gefühl entwickeln, gar nicht Teil der Welt zu sein. Dieses Denken hat starken Einfluss auf uns und wirkt auch sehr intensiv in unseren Lebensalltag hinein. S. 125.

Das, was wir bekämpfen, stärken wir. S. 128.

Sobald wir etwas ändern wollen, stehen wir mitten in einer Polarität zwischen „Verändern und Bewahren“. Je stärker der Veränderungswunsch und je größer der Unterschied zum Istzustand ausgeprägt ist, desto intensiver wird der Widerspruch. Das führt zu Widerstand. Es gibt keine erfolgreiche Veränderung, ohne die Gegenseite zum Teil der Lösung zu machen. S. 129.

Bisher war unsere Wahrnehmung sehr stark von der „Konzentration auf das Wesentliche“ geprägt. Es war wichtig, aus einer Fülle von Optionen und Möglichkeiten schnell eine Auswahl zu treffen und sich auf wenige Punkte zu konzentrieren. In einer mechanistischen Weltsicht ist das gut nachvollziehbar. Die Welt aber wird immer komplexer und wir müssen damit einen neuen Umgang finden. Aus der Konzentration auf das Wesentliche wird ein neuer Gegensatz, der ebenso wichtig wird: „Das ganze Muster erfassen“. Mehr den je ist es wichtig, Muster in der Welt zu erkennen, nach Gewohnheiten zu suchen und weniger Konzentration auf Details zu legen. S. 160.

Sicherheit versus Robustheit

Wir sind Optimierer geworden. Unsere ganze Gesellschaft neigt mittlerweile zum Checklistendasein. S. 161.

Wir erinnern uns lange in die Vergangenheit zurück, aber sind nur für ganz kurze Zeitspannen fähig, die Zukunft vorherzusehen. S. 162.

In stabilen Phasen haben wir Gewohnheiten entwickelt, die den Umgang mit Störungen regeln. Wir blocken sie ab. Oder, noch besser, wir nehmen sie gar nicht wahr, weil unsere Filter viel zu gut funktionieren. Das ist auch gut so. Es ist aber ebenso schlecht. Wenn wir nicht mehr in der Lage sind, Störungen zu erkennen, dann können wir nicht darauf reagieren. In der wirklich stabilen Phase ist das ohne Bedeutung. Wenn wir uns im Leben aber einer instabilen Phase nähern, dann gibt es schon lange bevor uns die Krise erwischt zahlreiche Vorboten. Das Leben trägt uns die Kunde der drohenden Instabilität mit seinen leisen, vorsichtigen Boten zu. Wir nennen das die „leisen Signale“. Es wäre wichtig für unsere Zukunftsfähigkeit, diese Signale wahrzunehmen. Wir würden als Menschen nicht in so tiefe Krisen stürzen, wenn wir es wieder lernten, auf die leisen Signale zu hören. S. 163.

Viele Unternehmen hätten große Schwierigkeiten verhindern können, da leise Signale des Marktes schon frühzeitig zu hören waren. Wir vergraben uns aber lieber in unsere Checklisten, analysieren die Vergangenheit und versuchen rational zu bleiben. Das ist der alte Umgang mit Störungen. S. 163.

Wir können uns auf Störungen und Krisen gut vorbereiten, in dem wir unsere Widerstandsfähigkeit – auch Resilienz genannt – gezielt stärken. S. 166.

Muster entstehen in komplexen Systemen durch Selbstorganisation. S. 168.

In Veränderungsprozessen zählt die Intelligenz aller Menschen zum wichtigsten Kapital der Unternehmen und der Gesellschaft. Die Ausprägung für instabile Phasen lautet daher auch „die Weisheit der Vielen für die Veränderung zu nutzen“.In einer komplexen Welt kann kein einzelner Mensch mehr genügend Informationen speichern und genügend Wissen besitzen, um die Zukunftsfähigkeit zu sichern. (…) In Krisen auf die Weisheit der Vielen aus Zeitgründen zu verzichten, ist ein altes Muster. Es gilt, ein neues Muster zu finden, das auch unter Zeitdruck die Intelligenz der Vielen nutzbar macht. S. 169.

Aber die Iteration – die Lösung in kleinen Schritten mit Feedback – überstrahlt alle anderen Instrumente um Tausende Lux. S. 187.

Der Standardablauf des iterativen Dialogs

Schritt 1: Ein Team macht ein Brainstorming zur Aufgabenstellung. Ziel ist es, möglichst viele Ideen zu generieren. Es wir nicht bewertet und nicht strukturiert. Jede Idee ist gleich wertvoll. Quantität der Ideen hat Vorrang vor der Qualität. Das Ergebnis aus Schritt 1 wird dem zweiten Team, dem Expertenteam, übergeben. Es gibt keinerlei Austausch oder Erklärungen.

Schritt 2: Das zweite Team hat die Aufgabe, die erste Themensammlung zu ordnen., Dazu werden Cluster gebildet, Ideen strukturiert und interpretiert. Des Weiteren wird – am besten mit farbigen Klebepunkten – eine Bewertung der Ideen durchgeführt. Rote Punkte kennzeichnen wichtige Themen, schwarze jene, die eher ausgeschieden werden sollten. Das Team darf auch eigene Ideen ergänzen, was wiederum am besten auf andersfarbigen Karten erfolgen sollte.

Schritt 3: Das erste Team erhält nun die Ergebnisse des zweiten Teams. Wieder gibt es keine Kommunikation und keine Erklärungen. Das Ergebnis wird unter gleichen Möglichkeiten wie unter Schritt 2 vom ersten Team bearbeitet. Das nun noch konkretere Ergebnis zeigt wahrscheinlich schon gute stabile Ordnungsmuster auf – also Lösungen, die gute Chancen auf Zustimmung bei allen Beteiligten haben. Bei Bedarf können die Schritte 2 und 3 wiederholt werden. Das ist so lange erforderlich, bis das erste Team der Meinung ist, ein wirklich gutes und tragfähiges Ergebnis vorliegen zu haben. S. 109f.