Letzte Aktualisierung am 12. November 2014.

Untersuchungen zur Notwendigkeit einer weitergehenden Systemsteuerung zur Einhaltung der Systembilanz
Aus der gegenständlichen Studie werden einige Aspekte herausgearbeitet und analysiert.

Innerhalb der letzten Dekade hat der Zubau dezentraler Erzeugungsanlagen (DEA) insbesondere aufgrund der Förderung durch das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) und KraftWärme-Kopplungsgesetz (KWK-G) stark zugenommen.

Da ein Großteil der Erzeugungsanlagen mit geringer Leistung über keine Möglichkeit der Leistungssteuerung durch die Netzbetreiber verfügt, führt ein weiterer Zubau zu einer Erhöhung der nicht steuerbaren Erzeugungsleistung.

Die derzeit kumulierte nichtsteuerbare Leistung ist mit Blick auf die Systemsteuerung bislang unkritisch, da zu jedem Zeitpunkt ausreichend steuerbare Erzeugungsleistung in konventionellen Kraftwerken und Erneuerbare Energien-Anlagen großer Leistungsklassen verfügbar ist.

Der absehbare weitere Zubau von zumindest teilweise nicht steuerbaren DEA führt jedoch in Verbindung mit der Vorrangeinspeisung von Anlagen auf Basis Erneuerbarer Energien (EE) zu einer verminderten Einspeisung aus konventionellen Kraftwerken, so dass die für die Aufrechterhaltung der Systemsicherheit benötigte betrieblich verfügbare Kapazität steuerbarer Erzeugungsanlagen knapper wird. Diese Entwicklung kann im Extremfall dazu führen, dass in einzelnen Situationen mehr Strom aus nicht steuerbaren Anlagen ins Netz eingespeist wird, als zur Lastdeckung und für Exporte benötigt wird, und somit die Systembilanz nicht mehr ausgeglichen werden kann.

Mittelfristprognose der installierten Leistung
Mittelfristprognose der installierten Leistung

Vor diesem Hintergrund verfolgt diese Studie das Ziel, zu beurteilen, ob und ggf. wann der weitere Zubau nicht steuerbarer DEA, insbesondere Photovoltaik-, Kraft-Wärme-Kopplung- und Biomasseanlagen, zu Problemen bei der Einhaltung der Systembilanz führen kann. [Die Nichteinhaltung der Systembilanz würde zu einer Großstörung („Blackout“) führen]

Exponentiell steigende Kosten

Tendenziell ist in den letzten Jahren ein [exponentieller] Anstieg der Ansteuerung von EEG- und KWK-G-Anlagen – insbesondere Einspeisemanagement- maßnahmen (EinsMan) – zu verzeichnen. Die Entwicklung der Ausfallarbeit, welche der durch Einspeisemanagementmaßnahmen abgeregelten Energiemenge entspricht, ist in Bild 1 dargestellt. [Das sind die Kosten, die für nicht genutzte Energie aus Ökostromanlagen bezahlt werden mussten]

Die nachfolgende Mittelfristprognose der installierten Leistung

Praktische Umsetzung der Ansteuerungsprozesse (Auszüge)

  • Mangelnde Erfahrung der Netzbetreiber ohne regelmäßige EinsMan-Einsätze bei der tatsächlichen Ansteuerung von DEA und mit dem operativen Ablauf der Kaskade
  • Erfahrung mit der Abregelung der DEA regional stark verschieden, mittelfristig keine Angleichung zu erwarten
  • Hohe Aufwendungen bei administrativen Abläufen zur Abregelung von Anlagen kleiner Leistungsklassen
  • Hohe Intransparenz bei der Durchführung und der Veröffentlichung von Maßnahmen zur Abregelung von DEA

Umrüstung nach §§ 6, 66 EEG (Ansteuerung)

  • Stellenweise mangelhafte Qualität der Installation der Kommunikationseinrichtung, insbesondere in Netzgebieten ohne regelmäßige EinsMan-Einsätze
  • Fehlende quantitative Erfassung der tatsächlichen Ansteuerbarkeit von dezentralen Erzeugungsanlagen durch Netzbetreiber
  • Überschreitung der Frist der Umrüstung nach §§ 6, 66 EEG zum 31.12.2013 sehr wahrscheinlich
  • Akzeptanz der Anlagenbetreiber für Umrüstung gering

Zukünftige Entwicklung der Ansteuerbarkeit von dezentralen Erzeugungsanlagen bis 2016

  • Für die Photovoltaik prognostizieren die Netzbetreiber einen weiter starken Zubau bis zum Jahr 2015. In diesem Jahr wird voraussichtlich die Grenze von 52 GW erreicht
  • Für Windenergieanlagen wurde für 2016 von einer installierten Leistung von rund 43 GW ausgegangen.

Ergebnisse 2012

Im ersten Schritt haben wir zunächst analysiert, zu welchen Zeitbereichen am ehesten potenziell kritische Situationen auftreten könnten um dann bei allen weiteren Auswertungen auf diese Bereiche zu fokussieren:
  • Die höchste PV-Einspeisung tritt an sonnigen Tagen im Mai auf.Obwohl im Juni zwar die Einstrahlungssituation noch etwas günstiger ist als im Mai, ist die Einspeiseleistung aus PV-Anlagen dennoch etwas niedriger. Dies ist auf die mit steigender Temperatur sinkenden Wirkungsgrade der PV-Anlagen zurückzuführen.
  • Situationen mit geringer Last zu Zeiten potenziell hoher PV-Einspeisung finden sich an  den Wochenenden im Sommerhalbjahr; die Wochenenden mit den geringsten Lasten des Jahres 2012 finden sich ebenfalls im Mai; die niedrigste Last zur Mittagszeit trat am Pfingstwochenende auf.

Ergebnisse 2013 – Rückblick

Die höchste PV-Produktion erfolgte am 05.Mai mit rund 22 GW. Gleichzeitig war der Verbrauch bei rund 47 GW. Bei dieser Differenz stehen dann kaum ausreichend konventionelle Produktionsanlagen zur Verfügung, um kritische Situationen auszugleichen.

Zum Vergleich, am 17.April 2014 wurde bereits 24 GW PV-Strom produziert.

Tatsächliche Situation Mai 2013; Quelle: www.agora-energiewende.de
Tatsächliche Situation Mai 2013; Quelle: www.agora-energiewende.de

Ergebnisse 2014

Als Ergebnis unserer Analysen für das Jahr 2014 ist zunächst wieder die Bilanzbetrachtung anhand des Monats Mai dargestellt, auch hier grundsätzlich unter der worst-case-Annahme, dass der PV-stärkste Tag an jedem Tag im Mai auftritt.
 
Erwartungsgemäß zeigt sich hier im Vergleich mit dem Jahr 2013, dass die Situationen, in denen die Summe aus konventioneller Mindesterzeugung und EE-Erzeugung die Summe aus Last und Exporten übersteigt, weiter zunehmen.
Hier ist bereits an 12 Tagen die Notwendigkeit gegeben, PV-Leistung zur Mittagszeit in teilweise nennenswertem Umfang abzuregeln.
An sonnigen lastschwachen Tagen müsste PV-Einspeisung im Bereich vielfach um bis zu 10 GW, an einem Tag sogar um bis zu ca. 15 GW abgeregelt werden. [Das bedeutet wohl auch massive Negativpreise]

Ergebnisse 2016

Der unterstellte weitere Zubau der EE-Leistung führt dazu, dass im Jahr 2016 noch häufiger Situationen auftreten könne, an denen die Summe aus Mindesterzeugung und EE-Einspeisungen die Summe aus Last und Exporten deutlich übersteigen würde; das Ausmaß kann dann bereits so groß sein, dass bereits an sonnigen Werktagen in einzelnen Stunden PV-Überschusssituationen auftreten können.

Ergebnisse – Zusammenfassung

  • Potenziell kritische Situationen können am ehesten an sonnigen Tagen im Mai auftreten und hier insbesondere an lastschwachen Wochenenden.
  • Eine akute Gefährdung der Einhaltung der Systembilanz ist allerdings nicht absehbar.
  • Wie obige Zahlen zeigen, ist allein aus Gründen der Systembilanz kein akuter Bedarf absehbar, die heute und bis 2016 absehbaren nicht ansteuerbaren PV-Anlagen ansteuerbar zu machen. Die Ergebnisse der Analysen der Jahre 2012 bis 2016 zeigen allerdings sehr wohl, dass die Notwendigkeit zunehmen wird, EE-Erzeugung aus Bilanzgründen abzuregeln.

Zusammenfassung

  • Es wird die Notwendigkeit zunehmen, EE-Erzeugung aus Bilanzgründen abzuregeln.
  • Es ist absehbar, dass künftig auch PV-Anlagen von solchen Abregelungen betroffen sein werden.
  • Es ist also unbedingt abzusichern, dass entsprechende Prozesse auch tatsächlich funktionieren.
  • Es ist aber auch anzuerkennen, dass bei ungünstigen Systemzuständen (hohe PV-Einspeisung, wenig Wind, geringe Last, wenig Exporte) die Leistungsdifferenz zur Nicht-Einhaltung der Systembilanz nur noch wenige GW beträgt. Es muss sichergestellt werden, dass der Anteil nicht ansteuerbarer Anlagen nicht weiter zunimmt.

Eigene Anmerkungen

Auch wenn in der Studie mehrfach betont wird, dass kein unmittelbarer Handlungsbedarf besteht, sind die sonstigen Aussagen nicht unbedingt dazu geeignet, sich entspannt zurückzulehnen. Ganz abgesehen davon, dass die Berechnungen nur Annäherungswerte sein können.

Viel PV-Strom bedeutet darüber hinaus eine zusätzliche Gefährdung für das Gesamtsystem durch die 50,2 Hz Problematik. Auch wenn hier bereits Gegenmaßnahmen getroffen wurden.

Quelle: Amprion
Quelle: Amprion

Mittlerweile stehen bereits mehr als 35,5 GW installierte PV-Leistung zur Verfügung (2011: 25 GW)!

Wenn die Kosten für PV-Anlagen weiter fallen und sich die Anschaffung auch ohne Förderung „rechnet“, ist wohl ein noch stärkerer Ausbau zu erwarten. Was zwar grundsätzlich positiv zu bewerten ist, aber in Anbetracht der Problematik der Netzsteuerung auch kritisch gesehen werden muss. Und die Abregelung von zu viel Strom bedeutet ja auch, dass die deutschen Stromkunden ihn trotzdem bezahlen müssen.

Nicht besonders beruhigend ist auch die Aussage „Es ist also unbedingt abzusichern, dass entsprechende Prozesse auch tatsächlich funktionieren“, wenn gleichzeitig festgestellt wird, dass das derzeit nur bedingt der Fall ist. Was auch aufgrund der großen Anzahl von „Mitspielern“ nachvollziehbar ist. Die Komplexität steigt dabei exponentiell – die Steuerbarkeit nimmt daher entsprechend gegenläufig ab.

Daher dürfte der kommende Mai wieder ein spannendes und herausforderndes Monat werden, auch wenn zwei Feiertage im Juni liegen.