Letzte Aktualisierung am 23. Oktober 2015.

Vollständiger Bericht

Ein Blackout – ein plötzlicher, großräumiger und länger andauernder Stromausfall – stellt in der öffentlichen Wahrnehmung nach wie vor ein kaum beachtetes Szenario dar. Gleichzeitig mehren sich die Hinweise, dass der Eintritt eines solchen Szenarios in Europa als durchaus möglich bezeichnet werden muss. Die für die Stromversorgung verantwortlichen Unternehmen machen täglich einen hervorragenden Job unter nicht einfachen Voraussetzungen. Sie gestehen jedoch auch ein, dass es zunehmend schwieriger und teur­er wird, ein Worst-Case-Szenario zu verhindern. So rechnet der deutsche Netzbetreiber Tennet für 2013 mit Kosten von rund 150 Millionen Euro nur für netzstabilisierende Maßnahmen. 2003 musst 2x, 2010 rund 300x, 2011-2013 jeweils rund 1.000x eingegriffen werden. In den letzten Jahren sind vor allem die Kosten für stabilisierende Maßnahmen deutlich angestiegen.

Gesamteuropäische Dimension

Bei jeder Betrachtung der Versorgungssicherheit im Strombereich ist immer die gesamteuropäische Situation zu berücksichtigen, da es sich um ein europäisches Stromverbundsystem handelt. Die Stabilität des Gesamtsystems muss da­her auch auf dieser Ebene beurteilt werden. Ein Blackout – eine europäische Groß­störung – ist nicht mit einem lokalen/regionalen Stromausfall vergleichbar, da es dabei zu exponentiellen Entwicklungen und Dominoeffekten mit weitreichenden Konsequenzen in allen Infrastrukturbereichen kommt. Ein infrastrukturell­es Multiorganversagen muss erwartet werden.

Auswirkungen

Wie die Ergebnisse des Brainstormings der TeilnehmerInnen beim Workshop am 29. November 2013 zu den Auswirkungen eines mehrtägigen Strom­ausfalls bestätigt haben, sind sehr vielschichtige Auswirkungen zu erwarten, die in der ganzen Dimension kaum erfassbar sind. [1] Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Folgeschäden in der Zeit nach der Wiederherstellung der Stromversorgung bis zur weitgehen­den Wiederherstellung des Normalzustandes noch kaum berücksichtigt bzw. erfasst sind, bzw. sich wahrscheinlich auch nicht voll erfassen lassen. Daher muss angenommen werden, dass die Auswirkungen eines Blackouts nach wie vor unterschätzt werden. Besonders besorgniserregend ist da­bei die hohe Abhängigkeit unseres täglichen Lebens von dem sehr hohen Synchronisati­ons- und Optimierungsgrad in der Logistik. Es ist zu befürchten, dass es in der Phase nach einem Blackout zu massiven logistischen Herausforderungen und Engpässen kommen wird, was sich besonders schwerwiegend bei der Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern niederschlagen könnte. Auch hier ist wiederum die internationale Dimension (im Warenverkehr) zu berücksichtigen. Außerdem erscheint es ange­bracht, sich mit den von zahlreichen TeilnehmerInnen geäußerten Sorgen zum Thema „Vandalismus und Plünderungen“ näher zu beschäftigen. Weiters hat sich gezeigt, dass möglicherweise die bei einem Blackout von Atomkraftwerken ausge­hende Gefahr unterschätzt wird.

Initiativvorschläge

Bei den erarbeiteten Initiativvorschlägen hat sich eindeutig ein Schwergewicht im Be­reich der gemeinschaftlichen Perspektive/unser Zusammenleben betreffend ergeben.  Jeder Einzelne kann und muss sich vorbereiten, aber das Ganze macht nur in einem größeren Rahmen/in der Gemeinschaft Sinn. Erst wenn der unmittelbar persönliche Be­reich stabilisiert werden kann, stehen auch Ressourcen für übergeordnete Aktionsebenen zur Verfügung. Daher können Organisationen nur mit den Ressourcen ihrer Mitarbeit/Mitglieder rechnen, wenn diese entsprechend vorberei­tet sind und damit im Fall eines Blackouts ihr persönliches Umfeld gesichert und versorgt wissen. Aus diesem Grund liegt es im unmittelbaren Interesse einer jeden Organisat­ion, die eigenen Mitarbei­ter/Mitglieder mit einem solchen Szenario vertraut zu machen und in der persönlichen Vorbereitung zu unterstützen.

Vorbereitung

Hier geht es in erster Linie um eine mentale Vorbereitung. Diese beginnt mit der Auf­klärung über das bestehende Risikopotenzial (Möglichkeit eines Blackouts, damit verbundene Konsequenzen als Ausgangspunkt für Überlegungen zur persönlichen Betroffenheit und Vorsorge). In wei­terer Folge geht es darum, bei einem solchen Ereignis möglichst rasch die gewohnten und automatischen Handlungsabläufe zu unterbrechen und in einen „gesellschaftlichen Notbetrieb“ überzugehen. Immer wieder zeigt sich, dass Menschen in Krisensituationen versuchen, die ge­wohnten Abläufe so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Das macht bei einem solchen Szenario keinen Sinn und kostet nur wichtige Ressourcen. Eine rechtzeitig erfolgte Auseinandersetzung ist für eine adäquate Reaktion auf krisenhafte Entwicklungen unumgänglich. Damit einhergehend sollte sich jede Organisation überlegen, welche Prozesse möglichst ohne zusätzliche Schäden sicher heruntergefahren werden können und welche Vorbereitungen erforderlich sind, um bei Rückkehr der Stromversorgung möglichst rasch wieder zum Normalbetrieb zurückkehr­en zu können.

Wahrscheinlichkeit

Einmal mehr wird hier festgehalten, dass es nicht um die (nicht erfassbare) Wahrschein­lichkeit eines solchen Szenarios („Schwarzer Schwan“)[2] geht, sondern um die damit ver­bundenen Konsequenzen. Nur bei den Auswirkungen lassen sich für konkrete Vorbereitungshandlungen brauchbare Aussagen treffen, wie etwa, dass „bereits nach wenigen Tagen im betroffenen Gebiet die flächendeckende und be­darfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit (lebens-)notwendigen Gütern und Dienstleist­ungen nicht mehr sicherzustel­len ist.“[3].

Konsequenzen

In den wesentlichen Fragen sollten wir daher lernen, mögliche Ent­wicklungen in der Zukunft nicht nach ihrer Plausibilität einzuordnen, sondern nach dem Schaden, den sie anrichten können. Leider ist in einer zunehmend vernetzten und damit wechselseitig abhängigen Welt davon auszugehen, dass bei einer Störung des Zusammenlebens immer mehr Kaskadeneffekte und Folgeschäden eintreten werden. Ein wesentliches Ziel des nationalen Workshops „Plötzlich Blackout!“ war es, eine nationale Vernetzung und gemeinsame Sicht herzustellen und die Vorausset­zungen für eine individuelle und situationsangepasste Auseinandersetzung auf ein Blackout, unter Be­rücksichtigung der wechselseitigen Abhängig­keiten, zu schaffen.

[1]    Vgl. Kapitel 5, Erwartbare Auswirkungen bei einem Blackout.

[2]    Vgl. Taleb, Nassim Nicholas. Der Schwarze Schwan: Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse. München: dtv, 20135

[3]    Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (Hrsg.): Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften – am Beispiel eines großräumigen und langandauernden Ausfalls der Stromversorgung. In: Internet, 2011, S. 119, unter URL: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/056/1705672.pdf  [10.01.14]