Letzte Aktualisierung am 23. Oktober 2015.

Quelle: www.feuerwehr.de / Baden-Württemberg

Mit der sehr komplexen Thematik eines lang anhaltenden und flächendeckenden Stromausfalls hat sich unter Federführung des Regierungspräsidiums Karlsruhe ein landesweiter Arbeitskreis beschäftigt. Entstanden ist eine Muster-Notfallplanung als Hilfsmittel für alle von den Planungen betroffenen Stellen.

Der Muster-Notfallplan wird hier auszugsweise wiedergegeben. Inhaltlich decken sich die Erkenntnisse mit den bisherigen Analysen und Erkenntnissen von „Plötzlich Blackout!“

Vorwort

Ein lang anhaltender und flächendeckender Stromausfall kann einer nationalen Katastrophe gleich kommen. Es ist daher die Aufgabe aller zuständigen Behörden im Land sowie der Kommunen, sich in geeigneter Art und Weise hierauf vorzubereiten.

Bei einem flächendeckenden Stromausfall muss davon ausgegangen werden, dass eine Hilfe aus Nachbarbereichen nicht stattfinden kann, da alle verfügbaren Ressourcen im jeweiligen Bereich benötigt werden. Dies bedeutet, dass Behörden, Betriebe und Kommunen mit den eigenen Mitteln auskommen müssen.

Bevölkerung / Betriebe

Bei einem langanhaltenden und flächendeckenden Stromausfall kann aufgrund der enormen Anforderungen und der nur begrenzt vorhandenen personellen und materiellen Ressourcen keine umfassende staatliche Fürsorge betrieben werden. Deshalb müssen sich sowohl die Bevölkerung als auch Betriebe eigenverantwortlich auf derartige Ereignisse vorbereiten.

Sicherstellung der eigenen Handlungsfähigkeit (alle Behörden)

Es gilt der Grundsatz: Jede Behörde ist für ihre eigene Handlungsfähigkeit selbst verantwortlich! Mit Hilfe von anderen Behörden ist grundsätzlich nicht zu rechnen, da bei einem flächendeckenden Stromausfall mit hoher Wahrscheinlichkeit alle Behörden betroffen sind und die für ein derartiges Ereignis vorgehaltenen Mittel selbst benötigt werden.

Bei einem Stromausfall ist die Funktionsfähigkeit jeder Behörde massiv beeinträchtigt. So fallen mit dem Strom sämtliche elektrischen Verbraucher, wie z. B. Computer, Heizung und Licht aus. Des Weiteren sind Kommunikationsmöglichkeiten nur noch begrenzte Zeit sichergestellt, so dass ein Arbeiten nicht mehr oder nur noch unter erschwerten Bedingungen möglich sein wird.

Alarmierung von Funktionspersonal bei Stromausfal

  • Eine Alarmierung über Festnetztelefone ist nur dann teilweise und nur für begrenzte Zeit möglich, falls analoge Geräte auf beiden Seiten verwendet werden. Die meisten gebräuchlichen Festnetztelefone funktionieren ohne Strom nicht. Es ist deshalb damit zu rechnen, dass nur ein kleiner Teil des Funktionspersonals erreicht werden kann.
  • Die Alarmierung über Mobiltelefone ist ebenfalls nur für begrenzte Zeit möglich. Es ist zudem zu erwarten, dass die Mobilfunknetze aufgrund der großen Anzahl von Telefonaten überlastet sein werden.
  • Tragbare Meldeempfänger, wie sie z. B. bei den Feuerwehren zum Einsatz kommen, sind bei einem Stromausfall ebenfalls nur wenige Stunden alarmierbar.

Personalbetreuung / -information

Bei einem langanhaltenden Stromausfall ist das eingesetzte Funktionspersonal verschiedensten Belastungen ausgesetzt und muss dementsprechend betreut sowie über die Lage informiert werden.

Mobilität des Funktionspersonals

Im Falle eines langanhaltenden Stromausfalls steht das Funktionspersonal vor dem Problem, wie es zur festgelegten Dienststelle gelangen kann. Öffentliche Verkehrsmittel werden – wenn überhaupt – nur eingeschränkt nutzbar sein. Das eigene Auto kann aufgrund der Kraftstoffproblematik nur eine Zeit lang benutzt werden. Für die Mitarbeiter, die einen längeren Anfahrtsweg haben, wird es somit mit zunehmender Dauer des Stromausfalls schwerer, die festgelegte Dienststelle zu erreichen. Zudem muss weiteres Funktionspersonal während eines bereits länger andauernden Stromausfalls für den Schichtwechsel zur Dienststelle gelangen. Dies sollte in den Planungen berücksichtigt werden.

Sensibilisierung und Beratung von Bürgern und Betrieben

Bürger, Betriebe und Verantwortliche von öffentlichen Einrichtungen sollten über die Folgen eines langanhaltenden, flächendeckenden Stromausfalls informiert sein.

Information von Bürgern und Betrieben bei Stromausfall

Der Information im Ereignisfall (Krisenkommunikation) kommt besondere Bedeutung zu. Ziele der Krisenkommunikation sind die Bewältigung des Ereignisses, die Minimierung der Auswirkungen, das Schaffen einer Vertrauensbasis, die Schaffung von Akzeptanz von Maßnahmen zur Bewältigung und die Informationsvermittlung. Dies kann nur gelingen, wenn die Sensibilisierung und Beratung im Vorfeld erfolgreich war.

Die Information über eingetretene Schäden, die Auswirkungen für die Betroffenen und die getroffenen und beabsichtigten Maßnahmen der zuständigen Behörden und Betriebe bei der Ereignisbewältigung ist von besonderer Bedeutung. Bei Stromausfall ist die aktive, offensive und schnelle Information der Bürgerinnen und Bürger erforderlich. Die sofort eintretenden Auswirkungen des Stromausfalls erschweren die Krisenkommunikation. Eine entsprechende Vorplanung der Krisenkommunikation ist für diesen Fall von großem Vorteil.

Notrufannahmestellen

Bei einem Ausfall der Telefone ist es der Bevölkerung nicht mehr möglich, über die bekannten Notrufnummern 110/112 [122/133/144] Hilfe herbeizurufen.

Den Gemeinden wird empfohlen für diesen Fall je nach den örtlichen Verhältnissen eine oder mehrere ständig besetzte Stellen vorzusehen. Diese sollen im Ereignisfall der Bevölkerung dazu dienen, Hilfe unterschiedlichster Art anfordern und organisieren zu können. Es empfiehlt sich, die Standorte und die Funktion dieser Stellen der Bevölkerung in der Gemeinde vorherbekanntzumachen. In der Regel bieten sich hier die Feuerwehrhäuser an, da diese über geeignete Kommunikationsmittel verfügen (u. a. Funkkontakt zu den Leitstellen) um Notrufe entgegenzunehmen und weiterleiten zu können bzw. selbstständig Hilfe zu leisten.

Betreuungsstellen

Grundsätzlich kann in bestimmten Umfang von einer Eigenvorsorge[5] der Bevölkerung ausgegangen werden; eine umfassende Versorgung der Bevölkerung durch die Gemeinde ist nicht Ziel und Inhalt dieser Handlungsempfehlungen. Der Nachbarschaftshilfe wird eine besondere Bedeutung beigemessen. Für Personen, die dennoch der Hilfe der Gemeinde bedürfen, sollte diese eine ausreichende Anzahl an Betreuungsstellen (Grundversorgung) mit folgenden Aufgaben in ihre Überlegungen mit einbeziehen:

  • Unterbringung
  • Verpflegung
  • Hygiene
  • Information
  • soziale Betreuung.

Dies kann z. B. eine Sport-/Turnhalle sein, die über eine Notstromversorgung verfügt. Eine vorherige Planung von Betreuungsstellen, ggf. zusammen mit den örtlichen Hilfsorganisationen / Vereinen wird empfohlen.

Kritische Infrastruktur

Kritische Infrastrukturen (KRITIS) sind Organisationen oder Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden.

Zu KRITIS gehören u.a. folgende Sektoren:

  • Energie
  • Transport und Verkehr
  • Informationstechnik und Telekommunikation
  • Gesundheit
  • Wasser
  • Ernährung
  • Finanz- und Versicherungswesen
  • Staat und Verwaltung
  • Medien und Kultur

Die Kritischen Infrastrukturen treffen vorab eigenständig die erforderlichen Vorkehrungen für einen langanhaltenden Stromausfall. Eine flächendeckende Bereitstellung von Notstromaggregaten durch die Gemeinde oder Hilfsorganisationen ist aufgrund der großen Anzahl von kritischen Infrastrukturen nicht zu bewerkstelligen. Aus diesem Grunde sollte die Kritische Infrastruktur über die Folgen eines langanhaltenden Stromausfalls informiert und sensibilisiert sowie auf die Notwendigkeit eigener Vorbereitungen hingewiesen werden.

Trinkwasserversorgung

Trinkwasser ist das wichtigste Lebensmittel für die lebensnotwendige Versorgung der Bevölkerung. Die Trinkwasserversorgung umfasst die Gewinnung, die Aufbereitung, die Speicherung, den Transport, die Verteilung und die Qualitätssicherung des Trinkwassers. Die öffentliche Wasserversorgung obliegt gem. § 44 Abs. 1 Wassergesetz BW der Gemeinde als Aufgabe der Daseinsvorsorge. Ohne Strom kann die Trinkwasserversorgung erheblich gestört sein. Die Strukturen der Wasserversorgung in den Gemeinden sind vielfältig. Es empfiehlt sich daher für jede Gemeinde, sich im Vorfeld mit ihrem jeweiligen Wasserversorger in Verbindung zu setzen, um zu klären, wie im Ereignisfall die lebensnotwendige Versorgung der Bevölkerung sichergestellt werden kann.

Die öffentliche Trinkwasserversorgung hat auch für die Brandbekämpfung durch die Feuerwehr eine besondere Bedeutung, da das Löschwasser in der Regel aus den an der Trinkwasserversorgung angeschlossenen Hydranten entnommen wird.

Abwasserbeseitigung

Eine funktionierende Stromversorgung ist für die Abwasserbeseitigung von großer Wichtigkeit. Ohne Strom können weder Kläranlagen noch Hebewerke betrieben werden, was zu einer erheblichen Umwelt- und Gesundheitsgefährdung führen kann. Die Gemeinde sollte daher ermitteln, welche Funktionen der Abwasserbeseitigung bei einem Stromausfall aufrecht zu halten sind. Diese Erkenntnisse sollten bei den Planungen zu Grunde gelegt werden.