Die Energiewende steht vor einem entscheidenden Wendepunkt: Einerseits wird die Leistung zentraler Großkraftwerke zunehmend durch erneuerbare Energien ersetzt, andererseits wächst der Bedarf an flexiblen Lösungen für Spitzenlastzeiten oder den Ausgleich einer fluktuierenden Einspeisung durch wetterabhängige Erzeugungsformen. In diesem Wandel erweisen sich moderne, kleine dezentrale Gasmotoren als überlegene Alternative zu klassischen, großen Gasturbinen – insbesondere für die dezentrale Energieversorgung der Zukunft.
Auch wenn das langfristige Ziel darin besteht, ohne CO2-Kraftwerke auszukommen, sind für den Übergang dorthin kurz- und mittelfristig Anlagen erforderlich, die die volatile Erzeugung rasch ausgleichen können und eine längere Durchhaltefähigkeit als Batteriesysteme aufweisen. Wie immer bei komplexen Systemen geht es daher nie um eine Entweder-oder-, sondern immer um eine Sowohl-als-auch-Betrachtung. Nur durch entsprechende Diversität können die Robustheit und Überlebensfähigkeit komplexer Systeme sichergestellt werden. Und das gilt auch für unser Energieversorgungssystem.
Der entscheidende Effizienz- und Flexibilitätsvorteil
Moderne Gasmotoren haben in den vergangenen Jahren beeindruckende technische Fortschritte erzielt. Mit elektrischen Wirkungsgraden von bis zu 49 Prozent übertreffen sie klassische Gasturbinen deutlich, die ohne angeschlossene Dampfturbine nur etwa 29 bis maximal 40 Prozent erreichen. Bei der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) steigt der Gesamtnutzungsgrad sogar auf bis zu 95 Prozent, was sie zu einer sehr effizienten Energieumwandlungsanlag macht.
Besonders beeindruckend ist die Schnellstartfähigkeit moderner Gasmotoren: Sie können innerhalb von wenigen Minuten aus dem Stillstand auf Volllast hochfahren, während Gasturbinen bis zu zehn Minuten benötigen. Diese Reaktionsgeschwindigkeit macht sie zur idealen Lösung für Peaker-Kraftwerke, die bei plötzlichen Lastspitzen oder größeren Prognoseabweichungen schnell verfügbare Leistung bereitstellen müssen.
Der modulare Aufbau bietet einen weiteren strategischen Vorteil: Anstatt weniger großer Einheiten können viele kleinere Gasmotoren installiert werden, was eine präzise Lastanpassung und einen wesentliche effizienteren Betrieb ermöglicht. Bei reduziertem Strombedarf laufen nur die benötigten Module mit optimaler Effizienz, während die übrigen stillstehen – ein Vorteil, den große Gasturbinen, deren Wirkungsgrad im Teillastbereich sinkt und deren Schaufeln bei dieser Betriebsweise aufgrund höherer Abgastemperaturen besonders stark abgenutzt werden, nicht bieten können.
Revolutionäre Geschwindigkeit bei der Umsetzung
Ein entscheidender Vorteil moderner Gasmotoren ist ihre deutlich kürzere Realisierungszeit. Während Großkraftwerke mit Heavy-Duty-Gasturbinen oft mehrjährige Planungs- und Errichtungszeiten erfordern, können Gasmotorkraftwerke häufig bereits ein Jahr nach der Investitionsentscheidung in Betrieb genommen werden. Diese kurze Bauzeit resultiert aus dem modularen Konzept und den geringen Abmessungen, welche eine komplette Fertigung einer im Herstellwerk geprüften Anlage und den Straßentransport in einem Stück ermöglicht, so dass vor Ort nur das Fundament, die Halle für den Witterungsschutz und die Netzanschlüsse auf der Gas- wie auf der Strom- und Wärmeseite erstellt werden müssen.
Die vorgefertigten, standardisierten Module ermöglichen nicht nur kürzere Installationszeiten, sondern auch eine flexible Erweiterung je nach Bedarf. Dank hoch standardisierter Schnittstellen lassen sich Nebenanlagen unkompliziert anschließen. Das verkürzt die Gesamtaufbauzeit der Anlage erheblich und beugt unangenehmen Überraschungen vor. Gerade in Zeiten steigenden Energiebedarfs oder der derzeitigen Verzögerung bei Großkraftwerken ist diese Geschwindigkeit bei der Realisierung von unschätzbarem Wert.
Nutzung von Synergien
Ein besonderer Vorteil ergibt sich beim wärmegeführten Betrieb (KWK). In Zeiten, in denen Wärme für Fernwärmesysteme benötigt wird, ist der Ertrag aus der PV-Stromerzeugung in der Regel gering. Somit tragen diese Anlagen gleichzeitig zur dezentralen Wärmeversorgung bei und lassen sich leichter in ein Fern- oder Nahwärmenetz integrieren. Im Sommer kann die Abwärme als Energiequelle für eine Wärmepumpe genutzt werden, um das Fernwärmenetz als Fernkältenetz zu nutzen. Bei einem generellen Stromüberschuss kann dieser für die Wärme- oder Kälteversorgung genutzt werden, wodurch Gas gespart wird. Es geht also um die bestmögliche Nutzung von Synergien, was eine systemische Betrachtung bei der Errichtung sowie beim Betrieb erfordert.
Dezentrale Energiezellen: Das System der Zukunft
Das Energiezellensystem stellt einen fundamentalen Paradigmenwechsel dar: Anstatt auf wenige zentrale Großkraftwerke und der generellen zentralen Steuerung zu setzen, entstehen viele kleine, autonome Energiezellen, die zunächst für ihre lokale Versorgung sorgen und dann Energie mit Nachbarzellen austauschen. Diese dezentrale Struktur orientiert sich an der Natur, wo kleine Einheiten zusammenarbeiten und das Gesamtsystem stabilisieren. Anders wird die zunehmende Komplexität auch nicht beherrschbar bleiben, es sei denn, wir hebeln die Naturgesetze und Erkenntnisse der Evolution aus. Es geht aber auch hier nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch: Das bisherige zentralisierte System wird auch auf absehbare Zeit weiterhin benötigt. Zum anderen erfordert der Umbau in ein zellulares System ebenfalls eine übergeordnete Orchestrierung, damit das Gesamtsystem ebenso harmonisch zusammenwirkt wie ein Orchester.
Systemische Überlegenheit für die Netzstabilität
Gasmotoren sind für dieses System prädestiniert: Sie können schwarzstartfähig und inselnetzfähig ausgelegt werden, wodurch sie im Krisenfall autonom und eigenständig Mikronetze aufbauen und stabilisieren können. Diese Fähigkeit wurde bereits in der Praxis unter Beweis gestellt: Rund 4.000 Gasmotoren mit knapp 6 Gigawatt halfen im Januar 2021, ein europäisches Blackout abzuwenden, indem sie innerhalb weniger Millisekunden auf die Frequenzänderung reagierten. Diese dezentrale Reaktionsfähigkeit ist ein entscheidender Vorteil gegenüber zentralisierten Gasturbinen. Insbesondere bei einer Netzauftrennung, wo das System in Teilsysteme zerfällt. Damit wird auch die Robustheit des Gesamtsystems erhöht.
In Energiezellen können Gasmotoren lokale Regelenergie bereitstellen. Das ermöglicht schnelle Reaktionen auf Verbrauchssprünge und reduziert die Belastung von Übertragungsnetzen. Während große Gasturbinen auf komplexe zentrale Steuerungssysteme angewiesen sind, können Gasmotoren die Frequenzregelung und Spannungshaltung autonom übernehmen.
Das modulare Konzept bietet systemische Redundanz: Fällt eine einzelne Einheit aus, können die verbleibenden Gasmotoren aufgrund ihrer großen Anzahl den Betrieb aufrechterhalten. Dies ist ein Vorteil, den einzelne große Gasturbinen nicht bieten können. Durch die verteilte Bereitstellung von Regelenergie ist das System weniger anfällig für einzelne Fehlerpunkte.
Intelligente Integration und Wirtschaftlichkeit
Gasmotoren können und werden bereits heute mithilfe intelligenter Steuerungssysteme vernetzt, sodass sie als virtuelles Kraftwerk agieren können. Durch die lokale Bereitstellung von Regelenergie durch Gasmotoren werden die Notwendigkeit teurer Übertragungsnetze und die Kosten für den Netzausbau reduziert. In Energiezellen können Gasmotoren auch bedarfsgerechter eingesetzt werden, wodurch Überkapazitäten vermieden werden. Die modulare Skalierbarkeit ermöglicht eine exakte Anpassung der Leistung an den lokalen Bedarf – ein entscheidender Vorteil gegenüber großen, weniger flexiblen Gasturbinenanlagen.
Zukunftssicherheit durch Brennstoffflexibilität
Moderne Gasmotoren bieten zudem eine beeindruckende Brennstoffflexibilität: Sie können mit Öl, Erdgas, Biogas, Deponiegas, Klärgas und sogar mit Wasserstoffbeimischungen von bis zu 25 Prozent betrieben werden. Diese Vielseitigkeit macht sie zu einer zukunftssicheren Technologie, die den Übergang zu CO₂-neutraler Energieerzeugung unterstützt.
Mit Wartungsintervallen von bis zu 80.000 Betriebsstunden zwischen Generalüberholungen sind moderne Gasmotoren auch wirtschaftlich vorteilhafter als Gasturbinen, die typischerweise nur etwa 8.000 Stunden zwischen den Serviceintervallen erreichen.
Der Weg in die dezentrale Energiezukunft
Die Kombination aus höchster Effizienz, schnellster Reaktionszeit, modularer Flexibilität und rascher Realisierung macht moderne Gasmotoren zur überlegenen Technologie für die Energiewende. Gasturbinen mögen in sehr großen Leistungsklassen ihre Berechtigung behalten, für die dezentrale Spitzenlastabdeckung und flexible Netzstabilisierung sind jedoch eindeutig Gasmotoren die bessere Wahl.
Das Energiezellensystem stellt eine fundamentale Systemänderung dar. Gasmotoren sind aufgrund ihrer Dezentralitätsfähigkeit, Schwarzstartfähigkeit und modularen Flexibilität die ideale Ergänzung und Ausgleichsoption für wetterabhängige Erzeugungsformen. Sie sind nicht nur eine technische Alternative zu Gasturbinen, sondern auch die Enabling-Technologie für resiliente, dezentrale Energiezellen der Zukunft.
In einer Welt, die auf schnelle Lösungen angewiesen ist, bieten Gasmotoren neben Batteriespeichern den entscheidenden Vorteil der raschen Umsetzbarkeit – ein Faktor, der in kritischen Energiesituationen über Erfolg oder Misserfolg der Energiewende entscheiden wird. Denn Batteriespeicher sind zwar kurzfristig effizienter, sie können jedoch keine Energie erzeugen. Daher geht es auch hier nicht um ein Entweder-oder, sondern um eine intelligente Kombination, die auch seltene Ereignisse abdeckt. Eine Lösung, die nur bei optimalen Bedingungen funktioniert, ist nämlich nicht überlebensfähig. Die Stromversorgung ist die wichtigste Lebensader einer modernen Gesellschaft. Experimente sollten daher zu Ende gedacht werden. Denn man kann zwar die Realität ignorieren, aber nicht die Folgen einer ignorierten Realität.