Wie angekündigt möchten wir Ihnen heute den Bericht zum Workshop ‚Mein Unternehmen auf ein Blackout vorbereiten‘ vorstellen, bzw. hier einige allgemeine Erkenntnisse herausheben. Eines Vorweg: Der Bericht umfasst durchaus bereits bekannte Aspekte, die jedoch weiter verdichtet wurden. Daher stellt er eine umfassende aktuelle Sicht der Dinge dar.

Wie erfahren wir, dass es sich um ein Blackout handelt?
Wie erfahren die Bevölkerung und die Unternehmen, dass ein Blackout eingetreten ist und es sich nicht um eine lokale/regionale Störung handelt? Diese Information ist ganz wesentlich, um möglichst frühzeitig („Golden Hour“) entsprechende Maßnahmen zu veranlassen, solange insbesondere technische Kommunikationsmittel noch funktionieren. Eng damit verbunden ist auch die Frage, wie lange der Stromausfall dauern wird. Die Einschätzung der Dauer des Blackouts führt zu wichtigen Folgeentscheidungen, etwa ob Mitarbeiter im Betrieb bleiben oder gleich nach Hause geschickt werden. Aufgrund der hohen Ungewissheit, mit der in einer solchen Situation immer gerechnet werden muss, sollte eher ein längerer Zeitraum angenommen werden. Sollte die Stromversorgung wieder früher funktionieren, wird das positiv aufgenommen werden. Hingegen werden längere Ausfälle als prognostiziert immer zu Unmut und Verunsicherung führen. Hier sind auch entsprechende Vorbereitungen in der Krisenkommunikation notwendig.
Mindestanforderungen an die erste Information an die Öffentlichkeit: So rasch als möglich („Golden Hour“), Größe des ausgefallenen Gebietes und erwartbare Dauer des Ausfalls, erwünschtes Handeln (u.a. Telefonate auf tatsächliche Notrufe ein-schränken, Nachbarschaftshilfe, Ressourcen schonen).

Was tun, wenn nichts mehr geht?
Wichtig ist, möglichst rasch die Normabläufe und Gewohnheiten zu unterbrechen. Frühzeitig (das Krisenmanagement) eskalieren und einen Übergang in einen sicheren „Notbetrieb“ sicherstellen. Dabei ist immer auf Einfachheit zu achten, damit die Abläufe auch wirklich funktionieren. Wo immer das möglich ist, sollte das automatisiert erfolgen. Denn immer wenn Personal dazu erforderlich ist, gibt es zusätzliche Unsicherheitsfaktoren (Verfügbarkeit).

Gleichzeitigkeitsbedarf
Diese Problematik wird vielerorts erwartet. Etwa auch bei Laborleistungen zur Feststellung der Keimfreiheit von Anlagen. Besonders negativ wird sich der Gleichzeitigkeitsbedarf bei der Treibstoffversorgung auswirken. Nach einem derartigen Schockereignis wollen wahrscheinlich alle möglichst rasch wieder ihre Tanks auffüllen, sollte es zu einem weiteren Zwischenfall kommen. Dafür sind die derzeitigen Logistikprozesse (Frächter) nicht ausgerichtet. Damit sind erhebliche Auswirkung auf die gesamte (Versorgungs-)Logistik zu erwarten.

Folgewirkungen / Dominoeffekte
Auch nach der Wiederherstellung der Stromversorgung ist mit weitreichenden Dominoeffekten zu rechnen. Die möglichen wirtschaftlichen Folgeschäden sind kaum abschätzbar, insbesondere was etwa Sekundärschäden an Anlagen und Geräten betrifft.
Sollte es zu physischen Schäden an Einrichtungen kommen, könnte sich die Instandsetzung aufgrund des Gleichzeitigkeitsbedarfs erheblich verzögern.
Durch die generell erwartbaren volkswirtschaftlichen Schäden muss damit gerechnet werden, dass ein solches Ereignis weitreichende Auswirkungen für die Kaufkraft und somit auf das bereits heute sehr eingeschränkte Wirtschaftswachstum nach sich zieht. Zusätzliche Auswirkungen sind durch die enormen Irritationen aufgrund des Überraschungseffekts eines solchen Schockereignisses zu erwarten. Eine völlige Rückkehr zur Normalität, wie sie vor einem solchen Ereignis bestanden hat, ist nicht zu erwarten. Damit verbunden wären weitreichende Auswirkungen auf alle Bereiche, die sich am BIP orientieren.

Wasserversorgung
Besonders viele Fragezeichen wirft derzeit etwa die Wasserversorgung auf. Die Lage könnte mit der Dauer des Stromausfalls kritisch eskalieren, da eine vollständige und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Wasser derzeit nicht in ganz Österreich möglich ist. Dieser Aspekt sollte dringend einer detaillierteren Analyse unterzogen werden. Bzw. muss dieser Entwicklung mit einer entsprechenden Risikokommunikation und Aufforderung zur Eigenvorsorge entgegengewirkt werden.
Zudem zeigen Erfahrungen, dass große Neubauten (Büros) häufiger über eine eigene Trinkwasser- und Brauchwasserversorgung verfügen. Hier wäre zu prüfen, ob etwa die Brauchwasserversorgung auch ohne Strom funktioniert. An sonst sind z.B. die Toiletten sofort unbenutzbar.

Sicherheitslage
In den ersten Stunden ist durchaus mit einem Anstieg der Solidarität zu rechnen. Mit der Fortdauer des Stromausfalls bzw. bei Rückschlägen kann jedoch die Stimmung kippen. Insbesondere wenn sich die Versorgungslage zuspitzt (Wasser, Lebensmittel), sind einzelne Eskalationen und Plünderungen nicht mehr auszuschließen.
Besonders Plünderungen von Kaufhäusern würden dazu führen, dass die Rückkehr zur Normalität noch wesentlich länger dauern würde, da zuerst die Infrastrukturschäden beseitigt werden müssen.

Entsorgung/Dekontamination
Ein bisher kaum beachteter Bereich bei den Nachwirkungen stellt die mögliche Entsorgungsproblematik (etwa Kühlgüter, Müllabfuhr, Abwasser, Schadstoffe, Kadaver) dar. Diese hängen natürlich wesentlich von der Jahreszeit und von der Dauer des Stromausfalls ab. Eine tiefer gehende Betrachtung ist geboten, da sich dadurch auch Seuchenlagen entwickeln könnten. Auch hier gilt es wieder, den Gleichzeitigkeitsbedarf zu berücksichtigen. Bei einer Eskalation auf europäischer Ebene könnte es sehr rasch zu Versorgungsproblemen bei Medikamenten, Treibstoffen, Lebensmitteln und vielen anderen relevanten Gütern kommen.

Fehlender Plan B
Gerade die Energiewende stellt eine Herkulesaufgabe dar. Um diese zu bewältigen, reicht es nicht aus, nur die Erzeugung zu ändern. Eine dezentralisierte und volatile Erzeugung erfordert ebenso ein dezentrales Versorgungssystem („Energiezellensystem“), was bisher bestenfalls noch in den Kinderschuhen steckt.
Es macht daher Sinn, sich trotz aller anderen Herausforderungen, auch mit dem Thema „strategische Schocks“ auseinanderzusetzen und sich auf bisher Undenkbares vorzubereiten. Die Auseinandersetzung mit strategischen Schockereignissen ist ein wichtiger Grundstein für eine langfristige Ausrichtung. Das aber nicht nur zum Eigennutz, sondern als Beitrag für die Volkswirtschaft und langfristige Stabilität des Wirtschaftsstandortes sowie zur Absicherung der Daseinsvorsorge in Österreich.

Weitere Details finden Sie im Bericht zum Workshop ‚Mein Unternehmen auf ein Blackout vorbereiten‘.

Ergänzend möchten wir aufgrund der aktuellen Berichterstattung über das Ebola-Virus in Afrika noch ein paar generelle Überlegungen zum Umgang mit potentiellen strategischen Schockereignissen, teilen:

Persönliche Schlussfolgerungen aus medialen Aufmerksamkeits-Schüben zu ziehen erfordert etwas Aufwand

  • Die derzeit medial transportierte Gefährdung durch das Ebola-Virus ist durch einfachen Medienkonsum alleine kaum einzuschätzen. Informationsvermittlung durch Zeitung und Fernsehen ist für das Funktionieren unserer Gesellschaft notwendig. Man sollte allerdings nicht vergessen, dass diese Form der Informationsaufnahme eine ‚Energiesparmaßnahme‘ durch uns Konsumenten ist, die unter Ausblendung der ökonomischen, politischen, gesellschaftlichen und strukturellen Zwänge der Medienwelt erfolgt. In den meisten Fällen ist diese Form der Informationsvermittlung vollkommend ausreichend; bei kritischen Aspekten, die für unser eigenes Leben einen Unterschied machen können, ist sie allerdings zu wenig.
  • Über das Ebola-Virus und seine Gefährlichkeit gibt es in den Medien durchaus unterschiedliche Einschätzungen (etwa hier und hier – es geht um unterschiedliche Gefährdungsniveaus je nach Region). Insbesondere imVergleich mit anderen Pandemierisiken erscheint die derzeitige mediale Aufregung, bei aller allgemein notwendiger Vorsicht in der Gesundheitsvorsorge, sehr stark ausgeprägt.
  • Wir empfehlen daher ganz allgemein ein ‚Energie-Investment‘ in die Überlegung, welche Bereiche für einen selbst ‚kritisch‘ sind. Diese Aspekte sollten nicht im ‚Informations-Energiesparmodus‘ behandelt werden, sondern brauchen etwas mehr Aufmerksamkeit.
    Eine Möglichkeit, sich in kompakter Form mit den kritischen Entwicklungen in unserem Umfeld zu beschäftigen, ist das Big Picture Breakfast des Resilienz Netzwerk, in dem Themen wie ein sinnvoller Umgang mit der Ebola-Berichterstattung besprochen werden.

Wissen schützt und erhöht die Selbstwirksamkeit

  • Eine große Rolle bei der Ausbreitung des Ebola-Virus in Afrika scheint das fehlende Wissen über den Umgang mit Ebola bzw. mit infizierten Personen zu spielen. Eine Ansteckung ist nach derzeitigem Wissensstand nur durch den direkten Kontakt mit kontaminierten Körperflüssigkeiten möglich. Das Wissen um einfache Hygienemaßnahmen (Hände waschen bzw. massive Reduktion von Körperkontakten) würde schon einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung der Epidemie leisten.
  • Für unser Szenario ‚Blackout‘ kann man folgendes ableiten: je mehr Menschen von der Möglichkeit und den Folgen eines möglichen Schock-Ereignisses wissen und sich damit auch auseinandergesetzt haben, desto größer ist die Chance für eine sinnvolle Bewältigung. Das Wissen um die tatsächliche Gefahr trägt bereits zur Erhöhung der mentalen Widerstandskraft und Selbstwirksamkeit bei. Natürlich wird man nie alle Menschen ansprechen, aber darum geht es auch nicht. Eine für die Bewältigung erforderliche kritische Masse kann jedoch erreicht werden.
  • Eine große Herausforderung ist die in weiten Kreisen (auch bei Entscheidungsträgern) weiterhin existierende Unterschätzung der Möglichkeit eines strategischen Schockereignisses und der damit verbundenen Folgen. Dies ist u.a. auf das mangelnde Wissen um systemische Risiken zurückzuführen.
  • Obwohl eine Ansteckungsgefahr oder Verbreitung von Ebola (in der derzeitigen Form) in Europa sehr gering ist, wird diesem Thema in der Bevölkerung dennoch sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt. Fürchten wir uns vor den falschen Dingen? Dabei spielen vor allem einige Medien durch entsprechende Berichterstattungen eine verstärkende Rolle. Eine allgemeine Erfahrung ist, dass wir uns häufig auf das letzte bekannte und zu wenig auf mögliche zukünftige Ereignis vorbereiten.

Eine rasche Eskalation bei der Krisenbewältigung ist entscheidend

  • Wie bei allen strategischen Schockereignissen tun wir uns auch bei der aktuellen Ebola-Epidemie schwer, mit der Möglichkeit einer exponentiellen Entwicklung umzugehen.
    Wie auch die bisherigen Erkenntnisse beim Thema ‚Blackout‘ zeigen, sind auch bei den Folgen eines längeren Stromausfalls exponentielle Auswirkungen zu erwarten. Während sich bei Ebola die negativen Entwicklungen über Wochen und Monate ziehen, muss man bei einem Blackout und den Folgen von Stunden und Tage ausgehen. Darüber hinaus sprechen wir hier von völlig unterschiedlichen Ausgangsszenarien. Der Ebola-Ausbruch begann mit Einzelereignissen, ein Blackout betrifft sofort die gesamte Gesellschaft. Das heißt, der Handlungsspielraum ist wesentlich kleiner. Daher entscheidet sich in den ersten Stunden das weitere Ausmaß der Katastrophe (Stichwort: ‚Golden Hour‘). Und daher ist es umso wichtiger, dass sich viele Menschen bereits vorher mit diesem Thema auseinandergesetzt haben.
  • Ein anderer Faktor, der sich in der aktuellen Ebola-Krise zeigt, ist die Bedeutung der heutigen Mobilität für das Management strategischer Krisen. Durch den höheren Vernetzungsgrad können sich Störungen rascher und weiträumiger ausbreiten. Ob eine mögliche zukünftige Pandemie mit unseren derzeitigen Krisenreaktionsmechanismen rechtzeitig eingedämmt werden könnte, bleibt fraglich. Denn wie aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, müssten hier sehr rasch sehr weitreichende Maßnahmen gesetzt werden, etwa durch dieUnterbrechung des Flugverkehrs. Das würde natürlich hohe wirtschaftliche Schäden verursachen. Eine sich ausbreitende Pandemie würde diese aber noch erheblich übertrumpfen. Auch hier spielt wieder das allgemein fehlende Wissen um exponentielle Entwicklungen – und mögliche Versuche, diesen Umstand auszunützen – eine wichtige Rolle.