Quelle: http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de, 10.01.16, Update 17.01.16 – Schwarzer Schwan, Update 24.01.16 – Fragilität des Finanzsystems, Update 15.02.16 – falsche Modelle, Update 18.02.16 – negative Erwartungen
Die globale Vernetzung kann dazu führen, dass ein Crash heute viel schneller kommen kann als früher. Fallende Reallöhne, sinkende Rohölpreise sowie volle Lagerbestände könnten eine Kaskade auslösen, die kaum noch zu beherrschen ist.
Die globale Beschleunigung und Vernetzung macht das Finanzsystem unberechenbar.
Die globale Vernetzung führt dazu, dass eine Vielzahl unterschiedlicher Akteure von dem Phänomen betroffen ist.
„Faule Kredite werden 2016 wahrscheinlich zu größeren Problemen führen. (…) Wir können davon ausgehen, dass ein Unternehmen nach dem nächsten an den tiefen Rohstoffpreisen scheitert. Es ist zu erwarten, dass sich die Probleme dieser Unternehmen auf die gesamte Wirtschaft auswirken werden. Die strauchelnden Firmen werden Angestellte entlassen, was die Quantität der verfügbaren Einkommen reduziert, um rohstoffbasierte Produkte zu kaufen. Schulden werden nicht vollständig zurückgezahlt werden, was Banken, Versicherungen und Pensionsfonds in Schwierigkeiten bringen wird.“
Das gegenwärtige Wirtschaftssystem, so das Fazit Tverbergs, stoße zunehmend an die Grenzen einer endlichen Welt [siehe auch Tag „The Limits to Growth“]. Aus der Geschichte ist bekannt, dass sich frühere Zusammenbrüche oft über mehrere Jahre hinzogen. Das Ende des gegenwärtigen Superzyklus hingegen könnte viel schneller eintreten. Die heutige Weltwirtschaft ist im Gegensatz zu früheren Systemen von internationalen Lieferketten, einer permanenten Versorgung mit elektrischer Energie und von fossilen Energieträgern abhängig. Die globale Vernetzung macht Probleme zu groß, als dass sie wirklich gelöst werden könnten.
Kommentar
Eine der wenigen Analysen, welche die vernetzten Zusammenhänge und die Gefahr einer sehr raschen Ausbreitung von Störungen im global vernetztem System klar adressiert. Warnzeichen gibt es bereits genug – die auch weiterhin konsequent ignoriert werden.
Aktuell: China schmelzen die Reserven weg: China hat die größten Währungsreserven der Welt _ aber sie schmelzen rasant. Das hat auch Folgen für die USA, Chinas Schuldner Nr. 1. Bald könnte die Grenze des Machbaren erreicht sein.
Wir werden in nächster Zeit wohl einige weitere Turbulenzen erleben, die für viele derzeit noch nicht vorstellbar sind. „Spannend“ sind dazu auch die Analysen der Medien … hier Die Presse
Dass die stark aufgeblasene chinesische Börsenblase platzen würde, war vorherzusehen. Dass sie damit gleich Anfang Jänner und in dieser Intensität beginnen würde, wohl eher nicht. Das hat auch hierzulande viele Anleger auf dem falschen Fuß erwischt. Das ist kein gutes Omen für ein Börsenjahr, denn eine alte Börsenregel sagt, dass die ersten Handelstage im Jahr normalerweise die Richtung im weiteren Verlauf vorgeben.
Die angeblichen rationalen Börsianer scheinen doch sehr abergläubisch zu sein … und zudem weiter an die Berechenbarkeit des Systems zu glauben – siehe Der Schwarze Schwan im Finanzsystem.
Die kurzzeitige leichte Gegenbewegung an den Märkten zum Wochenschluss war also wohl noch nicht die Wende, sondern höchstens eine Atempause. Eine, die nur durch massive staatliche Eingriffe in den Markt erreicht wurde. China hat ja in der abgelaufenen Woche wegen frei fallender Kurse nicht nur zwei Mal den Handel an seinen Börsen angehalten, sondern auch umgerechnet an die 100 Mrd. Euro in Marktinterventionen gesteckt. Einfacher gesagt: Der Crash konnte nur aufgehalten werden, weil der Staat zur Börsenstabilisierung massiv Aktien aufgekauft hat.
Damit wird das Unheilsame wieder einmal hinausgeschoben. Probleme werden damit sicher nicht gelöst.
So etwas kann im Augenblick helfen, die Feuerprobe kommt aber erst, wenn die Interventionen wieder aufhören. Kurz und gut: China könnte noch einige unangenehme Überraschungen für Anleger bereithalten. Und wohl auch für solche, die um chinesische Aktien einen großen Bogen machen. Der für österreichische Anleger zweitwichtigste Markt, nämlich jener in Frankfurt, reagiert, wie man gesehen hat, nämlich auch überdurchschnittlich sensibel auf Erschütterungen im Reich der Mitte. Und das hat seinen Grund: Die 30 im Leitindex DAX notierten Konzerne machen rund ein Sechstel ihres Gewinns in China. Sind also ziemlich direkt betroffen, wenn es in dieser Riesenvolkswirtschaft kracht.
Wir wissen, dass wir hier russisches Roulette spielen, aber kein Problem, die Party geht weiter … Sind Menschen wirklich lernfähig?
Der Absturz der Weltbörsen hat Gold wieder zum Glänzen gebracht: Erstmals seit Anfang November ist die Edelmetallnotierung, die zwischenzeitig ernsthaft auf einen dreistelligen Wert zusteuerte, wieder über 1100 Dollar je Feinunze gestiegen.
Aber immerhin: Die Konjunktur läuft nicht gut, die Aktienmärkte stehen vor einem sehr schwierigen Jahr. Wenn das Gold noch der sichere Hafen in Krisenzeiten sein sollte, dann müsste jetzt eigentlich die Trendwende kommen. Viele Marktbeobachter zweifeln freilich daran. Zwar ist die physische Nachfrage nach dem Edelmetall neuerdings recht groß, aber der Bestand von Papiergold (etwa in Form von Derivaten) beträgt ein Vielfaches der Goldbestände. Der Preis wird demnach maßgeblich nicht von der echten Edelmetallnachfrage bestimmt, sondern an den Börsen „gemacht“.
Die Funktion als Krisenmetall scheint dem Edelmetall nämlich weitgehend abhandengekommen zu sein. Zumindest sieht es kurzfristig danach aus.
Die Nachfrage nach physischem Gold ist hoch, also besteht Sorge um die Zukunft – der Preis wird aber durch eine Scheinwelt bestimmt – aber der wird mehr Beachtung geschenkt, als anderen Anzeichen für eine beginnende Turbulenz … diese Logik ist nicht einfach zu verstehen.
Dazu passen Der Schwarze Schwan – Konsequenzen aus der Krise, Der Schwarze Schwan – Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse und Das Risikoparadox – Warum wir uns vor dem Falschen fürchten.
Update 17.01.16 – Schwarzer Schwan
Wenn der „Schwarze Schwan“ in der breiten Öffentlichkeit ankommt: „Das Problem China kann zum Schwarzen Schwan für das System werden“ (deutsche-wirtschafts-nachrichten.de) oder Die Presse sogar schreibt: „Achtung, Kurslawinengefahr! Warum Analysten vor einer deflationären Weltkrise warnen und Privatanleger in dieser Lage die Börsen strikt meiden sollten.“, dann wird es wohl wirklich spannend. Aber es kam auch schon öfters anders, als erwartet. Die Turbulenzen sind aber nicht mehr zu übersehen und die Schlagzeile „Crash kann wegen globaler Vernetzung sehr schnell kommen“ könnte sich damit rasch bewahrheiten. Die öffentliche Wahrnehmung dreht sich aber um ganz andere Themen und somit wird wohl auch dieses Ereignis wieder zu einer großen Überraschung.
„Verkaufen sie alles, außer Qualitätsanleihen“: Was die Kunden der Royal Bank of Scotland (RBS) Anfang voriger Woche in ihren Mailboxen vorfanden, war nicht von schlechten Eltern. RBS-Europa-Analyst Andrew Roberts warnte darin vor einer Weltwirtschaftskrise, die auch die Börsen zusammenbrechen lassen könnte. Roberts warnt vor einer Lawine, die zu Jahresbeginn an den chinesischen Börsen losgetreten worden ist. Diese Lawine werde sich zu einer deflationären Weltkrise auswalzen, Wer nicht mitgerissen werden will, müsse jetzt zusehen, wie er schnell aus der Lawinenbahn herauskomme. Die Presse
Diese Aussage unterstreicht die Komplexität und die Kennzeichen von komplexen Systemen, sowie das Merkmal „Kleine Ursache, große Wirkung bzw. Dominoeffekte„. Gerade „Kleine Ursache, große Wirkung“ ist in letzter Zeit immer häufiger zu beobachten. Ob es um diverse Shitstorms geht, wie etwa nach der Ankündigung einer österreichischen Bank, ein der faktischen Realität angepasstes Kundenangebot anzubieten, nämlich ein islamisches Konto. Oder, dass nun ein Schwenk in der deutschen und österreichischen Flüchtlingspolitik zu beobachten ist, der wohl eher durch die Ereignisse zu Silvester in Köln und nicht nach den Terroranschlägen von Paris ausgelöst wurde.
Roberts rechnet damit, dass der Ölpreis, der erst kürzlich die 30-Dollar-Marke nach unten durchschlagen hat, auf bis zu 16 Dollar zurückfällt. Die daraus entstehenden Verwerfungen werden zu zahlreichen Krisenerscheinungen führen und den Welthandel dämpfen. Alles verkaufen, denn es gehe nun nicht mehr um Rendite, sondern um die Rettung des Kapitals. Viel Zeit solle man sich dabei nicht mehr lassen, denn wenn den Anlegern erst einmal bewusst werde, dass das Haus in Flammen steht, könnte es bei den Notausgängen aus dem Börsensaal eng werden. Roberts steht mit dieser Ansicht nicht allein da, auch andere Großbanken beginnen, schlimme Szenarien zu verbreiten. Das scheint reichlich übertrieben zu sein, aber auszuschließen ist gar nichts: Wenn die Lawine einmal rollt, kann niemand abschätzen, wo sie zu stehen kommen wird. Wer sein Kapital erhalten will, sieht jetzt also zu, dass er vom Spielfeld möglichst schnell an die rettende Seitenlinie kommt. Die Presse
Auch hier wieder eine zu erwartende „positive, sich selbstverstärkende Rückkoppelung“, die durch Meldungen wie diese angeheizt wird und sich selbst verstärken wird. Vor allem Kleinanleger werden dafür teuer bezahlen, denn sie werden es nicht rechtzeitig mehr schaffen, auszusteigen.
Ein weiteres mit den Börsen vernetztes Thema: „Bleibt der Rohölpreis länger am Boden, geraten nicht nur die Aktienmärkte in ernste Probleme.“
Der Ölpreis hat also die 30-Dollar-Marke nach unten durchschlagen und wir werden wohl nicht allzu lange warten, bis er an der 20-Dollar-Marke kratzt. Das müsste eigentlich die Wirtschaft stimulieren, oder? Wer so denkt, zäumt das Pferd von hinten auf. Es ist nicht so, dass die Weltwirtschaft trotz des niedrigen Ölpreises schwächelt. Sondern die Ölpreise sind so niedrig, weil hier konjunkturbedingt schwache Nachfrage auf eine nicht angepasste Produktion trifft. Und die Produktion, das haben wir schon in früheren Krisen erfahren, lässt sich nicht geordnet zurückfahren, wenn wichtige Förderländer ihre Budgets mit Preisannahmen in der 100-Dollar-pro-Barrel-Region erstellt haben und jetzt bei unter 30 Dollar finanziell aus dem letzten Loch pfeifen.
Russland beginnt relativ schnell zu wackeln. Aber wenn die Preisschwäche länger dauert, dann droht eine Destabilisierung der Arabischen Halbinsel. Sollte diese Region instabil werden, dann sind Analystenszenarien für die Aktienmärkte wie die in obiger Geschichte beschriebenen durchaus real. Die Presse
Zwei eng miteinander vernetzte Systeme, die bereits sehr gefährlich wackeln. Wir sollten uns daher wohl auf einige Turbulenzen in nächster Zeit einstellen.
Update 24.01.16 – Fragilität des Finanzsystems
Die vergangene Woche hat doch wieder nicht zum Crash geführt, ganz im Gegenteil, die DAX-Kurse sind wieder gestiegen. Also alles in Ordnung? Nein, leider nicht, wie auch Die Presse in Let’s make money treffend analysiert:
Draghi sei Dank haben die europäischen Indizes (allen voran DAX und ATX) die Woche halbwegs unbeschadet überstanden, und auch die amerikanischen Börsen haben die heftigen Einbrüche zu Wochenbeginn zumeist wieder kompensiert. Der Chef der EZB hat ja angesichts der seit Jahresbeginn beobachtbaren krassen Bärendominanz an den Märkten eine weitere Lockerung der Eurozonen-Geldpolitik angedeutet – und damit am Freitag ein richtig schönes Kursfeuerwerk ausgelöst.
Das bietet freilich wenig Grund zu Freude und Gelassenheit. Zeigt es doch, wie die Märkte momentan ticken: Laufen die Gelddruckmaschinen heiß, gehen die Kurse hoch. Wird der Geldhahn ein wenig zugedreht, wie es die Amerikaner im Dezember mit ihrer vorerst mikroskopisch kleinen Zinswende versucht haben, bricht an den Börsen sofort tiefste Winterdepression aus. Die Aktienbörsen hängen also voll am Tropf der Notenbanken.
Das ist eine reichlich schlechte Nachricht, denn die Märkte geben damit das Bild eines Süchtigen ab, der sofort kollabiert, wenn man mit der Reduktion der Dosis beginnt. Wir befinden uns also trotz der jüngsten Kursverluste weiter im Blasenmodus. Und die mittelfristige Aussicht ist für die Börsen nicht sehr rosig, denn irgendwann werden die Notenbanken ja doch ernsthaft auf die Geldbremse steigen müssen. Und dann wird es wirklich unlustig.
Das ist das große Bild, das uns die nächsten Monate begleiten wird. Die übergeordneten Trends in den Charts zeigen weiterhin ganz klar nach unten. Mit dem Motto „Let’s make money“ ist dieser Tage also nicht viel anzufangen. Es geht jetzt nicht darum, nach Renditen zu jagen, sondern darum, sein Kapital abzusichern.
Man sollte sich daher einmal mehr nicht von aktuellen Zahlen blenden lassen. Die Fragilität des Finanzsystems ist äußerst beunruhigend, was aber in der breiten Öffentliche wohl erst dann wahrgenommen wird, wenn es zu spät ist. Auf der anderen Seite ist die breite Öffentlichkeit auch nur Zuschauer und sie wird wieder den Schaden ausbaden müssen … Die Politik ist in der Zwischenzeit mit anderen Problemen beschäftigt.
Update 15.02.16 – falsche Modelle
Helga NOWOTNY, Former President, ERC European Research Council; Chair, ERA Council Forum Austria, hat im Rahmen einer Veranstaltung des Forum Alpbach eine sehr bemerkenswerte und beunruhigende, wenn auch nicht völlig überraschende, Aussage getätigt:
Update 18.02.16 – negative Erwartungen und selbsterfüllende Prophezeiungen
In fast allen Medien liest man derzeit von der negativen Erwartungshaltung. Durchaus auch mit Hinweisen, dass das ein Teil der Probleme ist. Dazu gab es ein sehr passendes Radiokolleg auf Ö1 zum Thema „Die körperliche Wirkung von Erwartungshaltungen“. Auch wenn es hier um Krankheit und Gesundheit ging, lassen sich die Erkenntnisse wohl auch auf die aktuelle gesellschaftliche Situation übertragen. Besonders hervorzuheben ist die am Schluss angesprochene Wirkung von Kommunikation. Der Umkehrschluss, man muss nur alles Schönreden, ist aber wohl nicht zulässig. Zum anderen verdeutlicht dieses Beispiel die mögliche Selbstwirksamkeit des Menschen und die kybernetische Selbstregulierung/-steuerung.
Ein weiterer relevanter Beitrag befasst sich mit den Erfordernissen, Gewohnheiten zu verändern. Auch diese Aussagen sind universell gültig, etwa im Hinblick auf neue Wege gehen oder sich mit dem Thema „Krisenvorsorge“ zu beschäftigen.