Letzte Aktualisierung am 13. Februar 2015.

Quelle: Die Presse

Komplexitätsforschung. Big Data erlaubt erstmals in der Geschichte, komplexe Systeme zu verstehen und gezielt zu beeinflussen. Dafür braucht es hohe Mathematik. Die wird maßgeblich auch in Wien entwickelt.

Der Mensch besteht aus komplexen Systemen. Gehirn, Immunsystem, Zusammenspiel von Genen – lauter komplexe Systeme. Der Mensch lebt in komplexen Systemen: in Städten, Ökosystemen, Wirtschaftsräumen. Er braucht, nutzt und verändert komplexe Systeme, wie Artenvielfalt, Finanzmärkte, Klima, Verkehr, Internet.

Komplex sind Systeme aus Einzelteilen – von Ameisen bis zu Bankkrediten –, die miteinander in Wechselwirkung stehen. Diese nicht linearen Verbindungen können als Netzwerke abgebildet werden. Bekannt wurden Netzwerke in Form bunter Bilder mit vielen Knoten und Armen, die aber nur Momentaufnahmen sind: Komplexe Systeme verändern sich ständig, wobei jede noch so kleine Veränderung an einem Punkt das ganze System beeinflusst. Ab einer gewissen Zahl von Teilen entwickeln sie zudem neue Eigenschaften, die sich aus den Teilen selbst nicht ableiten lassen, wie Stabilität oder Schwarmverhalten: das berühmte „mehr als die Summe der Teile“.

Doch da es für Menschengehirne nicht möglich sei, alle Wechselwirkungen zu durchdenken, habe sich die Wissenschaft lang damit beholfen, die Systeme auf ihre Einzelteile herunterzubrechen und deren Eigenschaften zu analysieren. Die Hoffnung: Das große Ganze würde sich aus den Teilen erklären lassen. „Das hat gewaltige Fortschritte gebracht“, räumt Vasbinder bei den Technologiegesprächen in Alpbach, die 2014 im Zeichen der Komplexität standen, ein. Doch „300 Jahre vor allem technologischer Wissenschaft“ treiben inzwischen so manches System an den Rand seiner Belastbarkeit.

Das ist ein Problem: Denn komplexe Systeme sind zwar robust, doch wird ein bestimmter Punkt überschritten, können sie sich sehr rasch verändern – umfassend und irreversibel.

„Unsere drängendsten Probleme lassen sich mit Reduktionismus nicht mehr lösen“

„Wir brauchen eine neue Wissenschaft, die mit komplexen Systemen umgehen kann.“

„Das erste Mal in der Geschichte können wir komplexe Systeme verstehen“, ist der Physiker überzeugt. Das sei die positive Seite an Big Data. „Denn wenn wir sie verstehen, können wir sie auf eine Weise beeinflussen, die der Gesellschaft nützt.“

Kommentar

Ein guter Artikel, der inhaltlich sehr gut zu dieser Seite passt. Meine persönliche Meinung dazu ist, dass es nicht reichen wird, nur auf datengetriebene wissenschaftliche Verfahren zurückzugreifen, damit wir als Gesellschaft besser mit Komplexität umzugehen lernen. Wir benötigen sicher auch einfache, niederschwellige Zugänge („sowohl-als-auch„), wie etwa mit der Modellierung/Visualisierung, damit möglichst viele Menschen vernetzt zu denken lernen, um die unmittelbaren Herausforderungen im Alltag besser bewältigen zu können.