Letzte Aktualisierung am 29. Dezember 2017.

Quelle: Österreichischer Journalisten Club

Wenn Verantwortliche vor Journalisten nicht sprechen wollen, dann werden Journalisten hellhörig. Was Medien tun können, um die unterschätzte Gefahr eines europaweiten Stromausfalls ins Bewusstsein zu rücken

Wien, 16. November 2017 – „Am Anfang habe ich nicht verstanden, worum es geht. Dann wurde die Vorbereitung zu dieser Veranstaltung zu einer meiner spannendsten Recherchen in meiner journalistischen Karriere. Was hier vertuscht, was hier verheimlicht wird und was hier schöngeredet wird, das geht auf keine Kuhhaut“, begrüßt ÖJC-Präsident Fred Turnheim als Moderator die Gäste zu einem Abend, der ganz ohne Fiktionalitätsfaktor Krimispannung versprach.

Am Podium waren Herbert Saurugg, ein karenzierter Berufsoffizier, der sich seit sechs Jahren intensiv mit der Vorbereitung auf den Ausfall lebenswichtiger Strukturen auseinandersetzt und Wolfgang Kastel, Geschäftsführer von „Die Helfer Wiens“, vielen noch bekannt als „Wiener Zivilschutzverband“. „Wir haben nicht erst in Zukunft, sondern schon jetzt ein Problem“ (Saurugg) und „Prävention ist unser Thema“ (Kastel) waren die Eingangsstatements.

Herbert Saurugg prognostiziert mit großer Wahrscheinlichkeit in den nächsten fünf Jahren einen europaweiten Stromausfall durch eine Überlastung der Netze oder einen Cyberangriff. Die Handy-Netz funktioniert nach wenigen Minuten nicht mehr, ebenso das Festnetz-Telefon. Die Fluchtwegsbeleuchtung ist noch vier Stunden zu sehen. Wen das Blackout im Lift erwischt, der hat großes Pech. Denn weder lässt sich der Lift ohne Strom bewegen noch können Einsatzkräfte oder Liftservice verständigt werden. Auch das Funknetz der Einsatzkräfte bricht innerhalb von 24 Stunden zusammen, die Akkus der Funkgeräte halten meist weniger lang. Das Radio funktioniert noch ca. 24 Stunden als Informationsquelle, wenn man zuhause einen Batterien- oder Kurbelempfänger hat. Einige Spitäler haben für zwei Tage Notstrom, Altersheime müssen geräumt werden, Kanäle werden übergehen. Einzig bei der Wasserversorgung in Wien gibt es gute Nachrichten: Hier funktioniert die Versorgung zu 95 Prozent ohne Pumpen. Treibstoffe werden auch bald ausgehen und damit kommt jeglicher Verkehr zum Erliegen, denn auch Tankstellen benötigen Strom. Nach den ersten Tagen des Stromausfalls kommt es zu einem weiteren Problemfeld: Kraftwerke im Stillstand verbrauchen massiv Strom, sie wieder hochzufahren benötigt einen massiven energetischen Input, um wieder hochzufahren, Atomkraftwerke können ohne Strom nicht mehr gekühlt werden. Und wie lange dauert so ein Blackout? Nach den Berechnungen von Herbert Saurugg ist eine Netzüberlastung leichter zu überwinden als ein Cyber-Angriff, mit drei Wochen ist aber jedenfalls zu rechnen.

Wolfgang Kastel von den „Helfern Wiens“ rät daher unbedingt zur Bevorratung ohne diese als „Hamsterkauf“ lächerlich zu machen. Denn diese könne schon bei kleineren Katastrophen wie Krankheit oder schlechter Witterung wichtig sein. Und: Stellen Sie sich die Frage, was mit Ihrem Herzschrittmacher passiert vor dem Stromausfall. Dabei überrascht Kastel mit einem kulinarischen Tipp: „Kaufen Sie das, was Ihnen schmeckt“ und outet sich als Fan der Dosen-Ravioli.

Drei Millionen Menschen in Österreich können sich nach vier Tagen nicht mehr selbst versorgen. Nach einer Woche haben zwei Drittel keine Nahrung mehr. Medien sollen berichten, der Politik ein Stöckchen werfen und die Bevölkerung sensibilisieren ohne Panik zu machen, erklärt Herbert Saurugg. „Wir bauen derzeit Dinge, die wir nicht verstehen“, beschreibt Saurugg das Problem, es brauche dezentralere Lösungen. Diese Lösungen wären da, es fehle allerdings der politische Wille.

Übungen wie jene des Österreichischen Bundesheeres vergangenen Oktober in Pongau würden zeigen, wie wenig Wissen noch über dieses Thema vorhanden sei. Was die Informationspolitik betrifft, nannte Herbert Saurugg die Schweiz in einer neunständigen Sondersendung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Vorbild. Auch von Japan und der USA, die Routine mit Stromausfällen haben, könnten wir lernen. Mehr zum Thema eines europäischen Blackout lesen Sie im Statement Jänner/Februar 2018.