Aktuelle Herausforderungen im Stromnetz

Die kommenden (Feier-)tage sind für die Stromnetzbetreiber wieder alles andere als ruhig, gibt es doch seit vergangenem Freitag wieder eine sehr hohe Windstromproduktion. Seit Freitag (bis Montag 24 Uhr) gab es 19 Stunden mit Negativpreisen. Der bisherige Höchstwert liegt bei -30 Euro pro MWh, sprich, für die Stromabnahme wird sogar bezahlt. Die aktuellen Windprognosen lassen in den kommenden Tagen noch tiefere Preise erwarten, was auch zu einer deutlichen Mehrbelastung der Infrastruktur führt, ganz abgesehen von den damit verbundenen Kosten für die Endkunden, insbesondere in Deutschland. Sie können der laufend aktualisierten Auswertung auf der Homepage folgen. Die milden Temperaturen dürften hingegen Belgien vor den vorbereiteten regionalen Stromabschaltungen bewahren. Dazu seien aktuelle Erkenntnisse aus der Sicherheitsverbundsübung 2014 in der Schweiz besonders hervorgehoben:

  • ‚Das Stromnetz folgt physikalischen Gesetzmäßigkeiten und ist unerbittlich: Wenn die Maßnahmen nicht wirken, schaltet es einfach ab!‘
  • ‚Insbesondere scheint das bisher angedachte Rationierungssystem mit mehrstündigen vollständigen Abschaltungen nicht überall praktikabel, weil bei etwa Banktransfers, öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Transport von Lebensmitteln von Zentrallagern zu Detailhändlern immer am einen oder andern Ende kein Strom vorhanden wäre. Die Prozesse kämen deshalb dauerhaft zum Erliegen.‘

Cyber-Bedrohungen und mögliche Folgen für die Kritische Infrastruktur

Ein anderes Thema der vergangenen Tage sollte uns ebenfalls wachrütteln. Der massive Datendiebstahl bei den Sony Pictures Filmstudios hat bereits weitreichende Auswirkungen nach sich gezogen. Vieles ist noch im Dunkeln. Eine Lehre können wir daraus bereits ziehen. Es gibt keinen 100% Schutz – was nicht neu ist. Aber die Reichweite in einem vernetztem System übertrifft heute einfach alles was wir bisher gekannt haben. Und wenn solche Angriffe auf virtuelle Werte gelingen, dann ist es nur eine Frage der Zeit bis in Folge auch bewusst oder unbewusst physische Systeme ausfallen. Einen Vorgeschmack dazu liefert der aktuelle Bericht des deutschen Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik. Demnach wurde ein deutsches Stahlwerk Ziel einer Cyber-Sabotage. Die Ausfälle führten dazu, dass ein Hochofen nicht geregelt heruntergefahren werden konnte und sich in einem undefinierten Zustand befand. Die Folge waren massive Beschädigungen der Anlage. Ein solcher Zwischenfall könnte in anderen Bereichen, wie etwa bei der Stromversorgung zu weitreichenden Dominoeffekten führen. Solche werden durch aktuelle Themen wie Smart Metering oder Smart Grid wohl noch weiter begünstigt werden.

Einmal mehr ein Grund dafür, über einen Plan B nachzudenken. Was können wir tun, wenn solche Ereignisse eintreten, um diese bestmöglich zu überwinden und die Ausfallzeiten möglichst gering zu halten. IKT-Sicherheit reicht dazu bei weitem nicht.

Erkenntnisse aus der Schweiz und erste Ableitungen für Österreich

Im aktuellen SVU’14 – Newsletter Dezember 2014 wurden erste Erkenntnisse aus der Sicherheitsverbundsübung 2014 publiziert, die hier auszugsweise wiedergegeben werden. Eine systemische Betrachtung und entsprechende Querverbindungen werden im nächsten Newsletter hergestellt.

  • Es wurde erkannt, dass die präventive Vernetzung enorm wichtig ist. Insbesondere muss für das Szenario «Strommangellage» heute definiert werden, wie sich die Beteiligten (Verbindungspersonen aus der Strombranche, Angehörige Kantonale Führungsorgane (KFO), etc.) zu verhalten haben (beispielsweise automatisches Einrücken an den Führungsstandort auch ohne Aufgebot >Offline-Alarmplan<).
  • Es wird in den kommenden Monaten darum gehen, die Maßnahmen zur Verbesserung und Verstärkung der Zusammenarbeit zu erarbeiten.
  • Im Bereich der Kommunikation wurde schnell klar, dass Schnittstellen mit anderen Bundesämtern, aber auch den Kantonen geklärt werden müssen, um eine Unité de Doctrine sicherzustellen und die Frage zu beantworten, wer was an wen kommuniziert.
  • Eine Strommangellage hätte in einer computerisierten und vernetzten Gesellschaft wie unserer, gravierende Folgen. Die Konsequenzen eines «Black-Outs» könnten vorübergehend relativ gut gemeistert werden, aber bei einer längerfristigen Mangellage wäre der Bevölkerungsschutz beeinträchtigt oder mindestens stark verlangsamt.
  • Die SVU 14 bestätigte die Komplexität der Entscheidungsstrukturen auf Ebene Bund und brachte die Notwendigkeit einer Vereinfachung der Führung ans Licht. All das, was schon vor der Krise kompliziert ist, ist zum Scheitern verurteilt, sobald das Ereignis eintritt!
  • Oftmals ist jedoch während der SVU 14 selbst der Eindruck entstanden, dass vielen Beteiligten nicht bewusst ist, was Kritische Infrastrukturen eigentlich sind, was bisher bereits gemacht worden ist und was es noch anzupacken gilt.
  • Sensibilisierung der Bevölkerung ist notwendig: Notvorrat, Verhalten bei Stromausfall etc.
  • Wie dramatisch die Folgen des Ausfalls der Stromversorgung über mehrere Wochen für Bevölkerung und Wirtschaft wären, vermögen wir uns aufgrund mangelnder Erfahrungen gar nicht auszumalen.
  • Das Stromnetz folgt physikalischen Gesetzmäßigkeiten und ist unerbittlich: Wenn die Maßnahmen nicht wirken, schaltet es einfach ab!
  • Die Wirtschaft hat in der Normallage wie in einer Krise Versorgungsaufgaben, die sie wahrnehmen muss. Der Staat kann diese Aufgaben nicht ersetzen, aber mittels hoheitlicher Maßnahmen gezielt unterstützen.
  • Die Übung SVU 14 war ein Augenöffner – für alle Teilnehmer. Sie zeigte was klappt, was noch nicht klappt und was anders werden muss. Insbesondere scheint das bisher angedachte Rationierungssystem mit mehrstündigen vollständigen Abschaltungen nicht überall praktikabel, weil bei etwa Banktransfers, öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Transport von Lebensmitteln von Zentrallagern zu Detailhändlern immer am einen oder andern Ende kein Strom vorhanden wäre. Die Prozesse kämen deshalb dauerhaft zum Erliegen.
  • Ebenfalls ein Problem stellt die Kommunikation dar – sowohl in technischer wie auch inhaltlicher Form. So ist oft nicht klar, wer bei Bund oder Kantonen die zuständigen Stellen sind.

Nicht wirklich völlig überraschend neue Erkenntnisse, aber einmal mehr der Hinweis, dass auch WIR hier noch viele offene Baustellen haben, vor allem was die Kommunikationsthemen betrifft. Zahlreiche Punkte sehe ich als Bestätigung für die bisher getroffenen Annahmen und Einschätzungen. Auch wenn die Einsatzorganisationen bei lokalen Ereignissen, wie zuletzt Anfang Dezember, eine hervorragende Leistung vollbringen, zeigen diese Ereignisse auch, wie rasch wir bei einem Blackout an die Leistungsgrenzen stoßen würden. Dies wird auch immer wieder von Feuerwehrmännern bestätigt, die Anfang des Jahres in Slowenien im Einsatz waren. Daher ist eine offene und ehrliche Sicherheitskommunikation unverzichtbar, etwa was von der organisierten Hilfe erwartet werden kann und was nicht, um die Menschen nicht in eine falsche Sicherheit zu wiegen. Mehr dazu auch im nächsten Newsletter.

Ich durfte an der sehr interessanten 11. NÖ Katastrophenschutzfachtagung teilnehmen. Besonders beeindruckt haben mich die Ausführungen des Landesfeuerwehrkommandanten von Niederösterreich zu den Lessons Learned aus den Einsätzen der Feuerwehr nach dem Eisregen in Slowenien und nach dem Hochwasser in Bosnien. Die NÖ Feuerwehren sind in Österreich wohl am besten auf ein mögliches Blackout vorbereitet. Aber dennoch werden ihre Ressourcen nicht ausreichen, um allen helfen zu können. Und das muss uns Bewusst sein und auch so kommuniziert werden. Für Anfang 2015 ist ein neuer Blackout-Ratgeber geplant, der auf Basis der Erfahrungen bei der Vorbereitung der Stadt Amstetten erstellt wird. Auch hier die Erkenntnis, ohne dass sich jeder Einzelne darauf vorbereitet, geht es einfach nicht.

Verschiedene Meldungen und Berichte

Situation im europäischen Stromversorgungssystem

Die angeführten Beispiele stammen rein aus öffentlich verfügbaren Quellen. Sie zeigen die aktuellen Herausforderungen auf und sollten uns an die Truthahn-Illusion  erinnern.